Zum Artikel »Bürgerhaushalte: Armut, demokratisch verwaltet« von Jürgen Ehlers (Heft 15)
Der Artikel erklärt, dass Bürgerhaushalte, die nicht mit gesellschaftlichen Kämpfen und Mobilisierungen einhergehen, letztendlich nur Armutsverwaltung bedeuten. Das angeführte Beispiel von Beteiligungshaushalt und Mieterbewegung in Freiburg zeigt jedoch andere Wege auf.
Im Jahr 2006 konnte durch große Proteste der Ausverkauf der städtischen Wohnungen verhindert werden. Die Reaktion der schwarz-grünen Stadtregierung: Mieterhöhungen. Anders als im Artikel beschrieben gelang es der selbstbewussten Mieterbewegung jedoch, mit Klagen, Demonstrationen und Mieterversammlungen auch diese zu verhindern. Das Bündnis »Wohnen ist Menschenrecht« schrieb dazu: »Der öffentliche Druck (…) hat dazu geführt, dass die Stadtbau (die kommunale Wohnungsbaugesellschaft, Anm. d. Red.) die Gerichtsurteile auf alle Mieter anwenden musste. Die Mieterhöhungen mussten somit komplett oder teilweise zurückgenommen werden. (…) Dadurch erhielten fast 85 Prozent der Mieter der Stadtbau im gesamten Stadtgebiet Rückzahlungen in drei- bis vierstelliger Höhe!« Gegenwärtig versucht die Stadt erneut, Mieterhöhungen durchzuführen – und wieder reagieren die Menschen mit lautstarkem Protest.
Auch der von der Stadt eingeführte »Bürgerhaushalt« war als Versuch, »die Bürger mehr einzubeziehen«, eine Reaktion auf den gescheiteren Wohnungsverkauf. Die »Linke Liste – solidarische Stadt« im Gemeinderat lehnte diesen jedoch ab. Stattdessen verlangte sie, ebenso wie »Wohnen ist Menschenrecht«, einen Bürgerhaushalt, der diesen Namen auch verdient. So forderten wir beispielsweise flächendeckende Stadtteilversammlungen zur Diskussion der Bedürfnisse vor Ort anstatt, wie von der Stadt geplant, einer einzigen elitären, zentralen Saalveranstaltung.
Unter den linken Befürwortern von Bürgerhaushalten gab es ein trügerisches Argument: Bürgerhaushalte würden die Kommunen stärken, den Staat »dezentralisieren« und so Freiräume schaffen. In Zeiten hoch verschuldeter Kommunen gibt es diese Freiräume nicht. Vielmehr müssen lokale Erfolge zu bundesweiten Protesten gegen Kürzungen und Privatisierungen verallgemeinert werden. Dann können wir die Regierung und den Staat auf Bundesebene wirklich schwächen.
Dirk Spöri, Freiburg