{nomultithumb}Die Linke.SDS (Hrsg.), »Die letzte Schlacht gewinnen wir«. 40 Jahre 1968. Bilanz und Perspektiven, VSA-Verlag. Hamburg 2008, 237 Seiten, 12,80 Euro
Von Maximilian Jablonowski
Der Kongress „40 Jahre 1968 – Die letzte Schlacht gewinnen wir«, im Mai vergangenen Jahres vom Studierendenverband Die Linke.SDS und der linksjugend [’solid] in Berlin organisiert, war mit über 1600 Besuchern wohl die größte linke Intervention in die öffentliche Diskussion zum Jubiläum des „Revoltenjahres«. Der Kongress war aus Sicht der Veranstalter ein großer Erfolg, doch stehen solche Veranstaltungen immer vor der großen Aufgabe, mehr als nur ein – subjektiv – schönes Erlebnis zu sein, sondern ein Ereignis, welches längerfristig auf linke Diskussionen und Zusammenhänge zurückwirkt. Dies soll nun mit der Veröffentlichung des Buches zum Kongress, herausgegeben von Die Linke.SDS, erreicht werden.
Das Buch versucht, die inhaltliche Vielfalt des Kongresses einzufangen, indem es sich stark an dessen Aufbau orientiert. Die einzelnen Kapitel sind den inhaltlichen Blöcken des Kongresses (Kapitalismus, Imperialismus, Demokratie, Gleichstellung und Befreiung, Bildung, Bewegung) zugeordnet, die einzelnen Beiträge orientieren sich teils strikter, teils lockerer an den Workshops und Diskussionen.
Wie der Kongress hat sich auch das Buch die Aufgabe gestellt, einen „Blick zurück nach vorn« zu werfen, also Debatten über die Deutungshoheit über 1968 mit konkreten Interventionen in die und in der Gegenwart zu verbinden. Dabei wird ein Ansatz gewählt, der versucht, 1968 in seiner ganzen Pluralität darzustellen. Auch wenn dies bedeutet, dass die Mehrzahl der Artikel aufgrund ihres Umfangs keine umfassenden Analysen sein können, ist dies ein durchaus sinnvoller Ansatz, denn so kann das Phänomen 1968 in der Vielfalt dargestellt werden, die es tatsächlich umfasste: Nämlich als eine kulturrevolutionäre Phase, die bereits vor ’68 eingeleitet wurde (laut Leo Panitch begann das deutsche ’68 bereits 1959 mit dem Godesberger Programm der SPD und der daraus resultierenden Konstituierung der Neuen Linken) und weit über ’68 in einer „Fundamentalliberalisierung« der Bundesrepublik (Habermas) Wirkung zeigte, aber auch Fragen und Forderungen unbeantwortet gelassen hat, an die es für die Linke anzuknüpfen gilt.
Gerade dies macht den besonderen Charakter des Buches aus. Waren andere Veröffentlichungen zum Jubiläum im letzten Jahr entweder Selbst- oder Fremdanklagen der „Alten«, ist dieses Buch eine Mischung aus Betrachtungen derer, die ’68 miterlebt haben (hier seien vor allem die Beiträge von Gisela Notz und Frank Deppe hervorzuheben), und programmatischer Deutungen junger Menschen, die den gegenwärtigen reaktionären Backlash kritisieren und dagegen die uneingelösten Forderungen von ’68 in Stellung bringen wollen.
Dieses Buch eignet sich also für alle, die in ’68 mehr sehen als eine vergangene Revolte von neurotischen Studierenden, die im Marsch durch die Institutionen letztendlich zur Vernunft gekommen sind – egal ob man beim Kongress gewesen ist oder nicht. Leider wird diesem Sammelband wohl nicht das gleiche öffentliche Interesse zu Teil werden wie beispielsweise dem Machwerk von Götz Aly, doch motiviert dieses Buch, den Kampf dafür aufzunehmen, dass sich 2018 andere Leute erinnern dürfen.
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Schlagwörter: Bücher, Kultur