Das System der Organspende soll reformiert werden: Mit einem neuen Transplantationsgesetz will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Zahl der Spender erhöhen. Doch er setzt am völlig falschen Hebel an, meint Martin Haller
Jedes Jahr sterben in Deutschland etwa tausend Menschen, weil sie vergeblich auf ein Spenderorgan warteten. Gesundheitsminister Jens Spahn will das ändern – und zwar per Gesetz: Wer vorher nicht ausdrücklich widerspricht, soll in Zukunft als Verstorbener automatisch zum Organspender werden.
Doch Spahn verkennt den eigentlichen Grund für die geringe Spendenbereitschaft: mangelndes Vertrauen in ein Gesundheitssystem, das zunehmend nach Profitlogik funktioniert.
Organspende: Kommerz schafft Misstrauen
Gesundheit, Krankheit und auch die Transplantationsmedizin sind zu einem Geschäftsmodell mutiert, das Kliniken in Konkurrenz zueinander setzt – ein Modell, in dem die Zahl erfolgreicher Operationen über die Zukunft und den Gewinn entscheidet. Solange das so ist, ist es nicht auszuschließen, dass über die Organentnahme nicht allein nach medizinischen Gesichtspunkten entschieden wird. Und das schafft Misstrauen – ein Gefühl, das durch zahlreiche Skandale immer wieder genährt wurde: Die Schlagzeilen der letzten Jahre reichen von manipulierten Patientendaten und der Bevorzugung bestimmter Patienten bis zu groben Fehlern bei der Hirntoddiagnostik und schweren Pannen bei der Organentnahme.
Schon 2012 erhoffte sich die Regierung durch ein neues Gesetz einen Anstieg der Spendenbereitschaft. Das Gegenteil war der Fall: Skandale um Organhandel führten zu wachsender Verunsicherung. 2017 erreichte die Zahl der Spenden den niedrigsten Stand seit zwanzig Jahren, nachdem bekannt wurde, dass Wartelisten manipuliert worden waren.
Personalmangel und fehlende Kontrolle
Nicht aus Bequemlichkeit, sondern aufgrund von Ängsten sind viele Menschen nicht zu einer Organspende bereit. Das ändert man nicht durch gesetzliche Anordnung. Es reicht auch nicht zu warten, bis die Skandale vergessen sind, sondern es braucht mehr Transparenz und staatliche Kontrolle. Oft fehlt es in Kliniken zudem an Personal, so dass potenzielle Spenderorgane gar nicht erst entnommen werden.
Ein Gesundheitssystem, das auf Privatisierung und Kommerz beruht, gefährdet Leben und ist nicht vertrauenswürdig. So ist die Bereitschaft zur Organspende ein Seismograph dafür, was ein solches System auslöst. Anstatt die Erklärungslast umzukehren, müssen die Profitlogik bekämpft und Vertrauen zurückgewonnen werden. Doch dafür ist kein anderer so schlecht geeignet wie der Unternehmensberater und Pharmalobbyist im Gesundheitsministerium.
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Schlagwörter: Gesundheitssystem, Inland, Transplantationsgesetz