Ende Februar 2012 hat das marx21-Netzwerk auf einer bundesweiten Unterstützerversammlung die politische Lage und anstehende Aufgaben diskutiert. Aus der Debatte ist eine Resolution entstanden, die hier dokumentiert wird
1) 2012 ist Jahr vier der Wirtschaftskrise. Durch massive Staatsinterventionen konnte bisher ein Kollaps der Weltwirtschaft abgewendet werden. Das ist im Krisenverlauf ein Unterschied zur Weltwirtschaftskrise von 1929. Die tieferen Ursachen der gegenwärtigen kapitalistischen Krise bleiben allerdings ungelöst: Ein immer größer werdender Berg an Finanzkapital steht einem Mangel an profitablen Anlagemöglichkeiten in der Realwirtschaft gegenüber – die Profitraten im produktiven Sektoren liegen weit unter den Raten der »goldenen Jahre« der Nachkriegszeit. Das vagabundierende Kapital bläht die Finanzindustrie im Verhältnis zur Realwirtschaft immer mehr auf und führt u. a. zu immer neuen und immer zerstörerischer wirkenden Blasen durch spekulative Nachfrage. Während mangelnde Profitabilität die Investitionstätigkeit in der Realwirtschaft hemmt, wächst gleichzeitig die Verschuldung der privaten und der staatlichen Haushalte.
2) In der Euro-Währungskrise spiegelt sich die ungleiche Entwicklung der rivalisierenden kapitalistischen Nationalstaaten innerhalb des Euro-Raums wider. Die profitabelste Wirtschaft ist die deutsche Wirtschaft, nicht zuletzt aufgrund der gelungen Angriffe auf die Arbeiterklasse durch die Agenda 2010. Aufgrund dieser erhöhten Ausbeutungsrate konnte die exportorientierte deutsche Wirtschaft ihre Konkurrenten in Südeuropa an die Wand drücken. Die Arbeiterklasse in Deutschland hat den Exportboom mit sinkenden Reallöhnen (-4,5 Prozent in den letzten 10 Jahren), fallenden Renten, Sozialabbau und gestiegener Arbeitsbelastung bezahlt. Gleichzeitig ist die Arbeiterklasse in der Exportindustrie in Kernbelegschaften und prekäre Leiharbeiter gespalten worden.
Die Verteidigung des Euros führt zu immer monströseren Geschenken an die kriselnden Banken und scharfen Angriffen auf die europäische Arbeiterklasse. Deshalb ist es die Aufgabe der LINKEN, Forderungen zu stellen, die die Interessen der Arbeitnehmer in ganz Europa gegen immer neue Kürzungsorgien der herrschenden Klassen verteidigen. Es kann nicht Aufgabe der LINKEN sein, Forderungen zur Rettung der Eurozone zu erheben, oder gar die Rückkehr zur D-Mark zu fordern.
Der von Merkel und Sarkozy vorangetriebene Finanzpakt mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) als Kernstück ist politisch ein Anschlag auf demokratische Rechte nationaler Parlamente (Haushaltskontrollrecht), wirtschaftlich eine Austeritätspolitik mit krisenverschärfender Wirkung (siehe das wirtschaftliche und soziale Drama in Griechenland) und sozial ein Programm der Verarmung von Millionen Menschen in Europa (»99 Prozent«) im Interesse einer kleinen Minderheit von Kapitalbesitzern, gleichzeitig soll damit die Bildung eines konkurrenzfähigen EU-Blocks unter der Dominanz der beiden größten europäischen Mächte Deutschland und Frankreich vorangetrieben werden. Die Aufklärung über den ESM und der Protest dagegen sollte ein Schwerpunkt für DIE LINKE in den kommenden Monaten sein.
3) Die Krise und ihre Abwälzung auf die breite Bevölkerung sind Dreh und Angelpunkt der politischen Lage. Deutschland ist keine Insel. Die Krise der europäischen Staaten, Hauptabnehmer deutscher Exporte, wird auch hierzulande zu einem Abflauen der Konjunktur führen. Die im Programm der LINKEN entwickelten Forderungen wie Besteuerung der Reichen, öffentliche Kontrolle des Bankensektors, Erhöhung von Löhnen und Sozialleistungen und ähnliche Forderungen bilden zusammengenommen eine Programmatik, die objektiv auf eine politische und gesellschaftliche Machtprobe hinauslaufen, wenn sie Grundlage von Massenbewegungen wird.
Auf dieser Grundlage sollte das marx21-Netzwerk in der LINKEN zusammen mit Bündnispartnern mit dem Ziel initiativ werden, DIE LINKE über Propaganda hinaus zu einem organisierendem Zentrum im Aufbau von Widerstand gegen die Krisenfolgen zu machen. Ein Knotenpunkt dafür sind die Krisen-Projektgruppen auf Bundes- und Landesebene, an deren Aufbau sich Unterstützer von marx21 beteiligen sollten. Die globalen Proteste von Puerta del Sol und Syntagma bis zu Occupy Wallstreet haben der Ablehnung des Kapitalismus wieder eine Stimme gegeben. Allerdings lähmt in Deutschland in vielen Bereichen eine standortorientierte Politik wesentliche Teile der Gewerkschaften den Protest. Dennoch organisieren sich auch hier um Occupy, attac und autonomes Spektrum Proteste. DIE LINKE unterstützt diese Proteste, um auch in Deutschland der Politik Merkels Widerstand entgegen zu setzen und zugleich internationale Solidarität zu zeigen.
Schwerpunkt sind dabei neben dem 1. Mai die bundesweiten Bankenproteste vom 17.-19. Mai 2012.
Zudem sollten vor Ort Aktionen anlässlich der Bundestagsentscheidung über den den Europäischen
Stabilitätsmechanismus (ESM) im ersten Halbjahr 2012 auf der Agenda stehen. Dort können wir direkt »Merkozy« angreifen, also Merkel als Mitverantwortliche ins Zentrum der Kritik stellen. Dazu ist es Aufgabe, die Verbindung von den zentralen Angriffen, wie zum Beispiel der Schuldenbremse, zu ihren Auswirkungen vor Ort zu ziehen und eventuellen lokalen Widerstand zu unterstützen.
4) Wir müssen jedoch einen nüchternen Blick auf das Widerstandspotential in Deutschland behalten: Weder gibt es zur Zeit Anzeichen für einen Generalangriff der Merkel-Regierung, der vergleichbar wäre mit Schröders Agenda 2010, noch ist davon auszugehen, dass die Gewerkschaften ihre Organisationsmöglichkeiten entschieden für gewerkschaftliche Kämpfe gegen die Krisenauswirkungen in Betrieb und Gesellschaft einsetzen.
Der weitgehend ungebrochene und von SPD und Grünen mitgetragene Krisenkorporatismus ist das Geheimnis des Aufschwungs und der Popularität von Merkel. Er behindert auch die Entwicklung zu einer klassenkämpferischen LINKEN.
Angesichts dieser Rahmenbedingungen greift die Strategie von Teilen der radikalen Linken zu kurz, die relative Passivität der Arbeiterklasse und der übrigen unterdrückten Klassen durch radikale Aktionsformen des zivilen Ungehorsams zu durchbrechen. Wir brauchen eine dauerhafte politische Auseinandersetzung mit der gewerkschaftlichen Strategie des Krisenkorporatismus und der Standortpolitik.
Die Allianz zwischen Regierung und den Gewerkschaften zur Sicherung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft in der Krise, die schon unter der großen Koalition ihren Anfang hatte, verhinderte zwar durch die rasche Einführung von Kurzarbeit und Abwrackprämie einen drastischen Anstieg der Arbeitslosigkeit und sicherte damit die Existenzgrundlage großer Teile der Lohnabhängigen. Allerdings wurden die damit verbundenen Kosten zu wesentlichen Teilen von Millionen Arbeitnehmern bezahlt (Arbeitslosenkassen, Steuergelder, Sozialkürzungen). Gleichzeitig musste damit von den Gewerkschaften akzeptiert werden, dass die schwächsten Teile der Belegschaften, die Leiharbeiter, in Massen entlassen wurden.
Eine solche Politik, die nicht die Interessen der ganzen Klasse verfolgt, schwächt die Verteidigungsfähigkeit der Gewerkschaften, weil sie die Ängste unter den Beschäftigten und damit individuelle Anpassungsmechanismen verstärkt. Damit wird dann oft die zögerliche Politik gewerkschaftlicher Führungen gerechtfertigt.
In einer sich vertiefenden Krise, mit verschärfter Austeritätspolitik und ohne Mittel zur sozialpolitischen Abfederung, wird der gewerkschaftliche Krisenkorporatismus nicht mehr funktionieren. Insolvenzen, Massenentlassungen und weitere Angriffe auf die soziale Absicherung werden nicht ohne harte gewerkschaftliche Kämpfe zu verhindern sein.
Auch die Durchsetzung europaweiter Mindestlöhne, Verbot von Massenentlassungen und Leiharbeit, gegen Einschränkung und für die Ausweitung gewerkschaftlich erkämpfter Rechte, gegen die Schuldenbremse, für Schuldenerlass und die Vergesellschaftung der Betriebe erfordern die Wiederentwicklung von kämpferischen Gewerkschaften.
Die LINKE hat als Aufgabe, die kämpferischen KollegInnen in den Betrieben und Gewerkschaften zu sammeln und zu vernetzen, damit wieder eine Bewegung entsteht, die den Klassenkampf an die Stelle von Sozialpartnerschaft und Standortpolitik setzt. Widerständige Praxis wird punktuell immer wieder sichtbar: die Auseinandersetzungen von ver.di in der Berliner Charité, den Unikliniken und im Einzelhandel in Baden-Württemberg oder der Gebäudereinigerstreik der IG BAU bieten inspirierende neue Ansätze einer konfliktorientierten und emanzipatorischen Kampfpraxis der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften. Die Erfahrungen dieser Kolleginnen und Kollegen gilt es, bekannt zu machen und zu verallgemeinern. Aufgabe unseres Netzwerks ist es, gemeinsam mit unseren aktiven Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern in der LINKEN, Debatten für eine klassenkämpferische Perspektive und Praxis zu entwickeln und fortzuführen. Damit kann der Nutzwert der LINKEN für klassenbewusste, kampfbereite Minderheiten in den Betrieben und Gewerkschaften deutlich erhöht werden.
In den anstehenden Tarifrunden im öffentlichen Dienst und der Metallindustrie will DIE LINKE aktive Solidarität organisieren, denn diese Kämpfe sind auch unsere Kampf: Die Tarifforderungen von ver.di im öffentlichen Dienst stehen im Gegensatz zu Sparkurs und Schuldenbremse. Bessere Löhne und Gehälter und mehr Personal sind im Interesse aller, die sich private Dienste nicht leisten können. In der Metallindustrie wird DIE LINKE insbesondere den Kampf der IG Metall gegen die Diskriminierung von Leiharbeitern unterstützen und ihrerseits eine Kampagne gegen die dramatische Ausbreitung des Niedriglohnsektors führen.
5) Die globalen Proteste 2011, nicht zuletzt die Occupy-Bewegung, und die Weltwirtschaftskrise beeinflussen das Denken von Jugendlichen, von Schüler/innen, Auszubildenden und Studierenden, Kapitalismuskritik wird zunehmend populär. Weltweit sind Studierende und gut ausgebildete Jugendliche ohne Zukunftsperspektiven in den letzten Jahren konstituierendes Element von Jugendrevolten gewesen. In einigen Ländern wurden Studierenden- und Jugendproteste zu Vorboten und Katalysatoren für den breiten Widerstand der Arbeiterklasse. Die objektiven Umstände werden sich im kommenden Jahr zuspitzen. Es gibt ein Publikum für antikapitalistische Kritik und Aktionen an den Unis, welches für den Studierendenverband die linke.SDS gewonnen werden kann.
Gleichzeitig dürfen wir nicht den Blick auf die Probleme der Masse verlieren. Die Studienbedingungen werden sich dieses Jahr durch den weiteren Zustrom von doppelten Abiturjahrgängen noch verschärfen. Für den SDS bedeutet diese Situation, dass die Skandalisierung der Zustände an den Hochschulen weiterhin Hauptaufgabe des Verbandes sein sollte. Die Einbettung der desaströsen Situation des Bildungssystems in die Krisenpolitik der Bundesregierung und schließlich der Krise des Kapitalismus bleibt daher eine zentrale ideologische Aufgabe für die kommenden Semester.
6) Für die politische Praxis des Verbandes zentral wird im nächsten Semester die Vorbereitung des nächsten bundesweiten SDS-Kongresses im Herbst diesen Jahres werden. Die geplante Konferenz (nach Vorbild des Make-Capitalism-History-Kongresses) soll durch ein bundesweites Team, in enger Zusammenarbeit mit den lokalen Hochschulgruppen konzipiert werden. Der Kongress hat daher das Potential, sowohl den gesamten Verband hinter einem gemeinsamen Projekt zu sammeln, als auch durch einen antikapitalistischen, bewegungsorientierten Charakter in große Teile der Studierendenschaft auszustrahlen und neue AktivistInnen für den Studierendenverband zu gewinnen. Wir setzen uns als Netzwerk für eine enge Verzahnung des Kongress mit Projekten und RednerInnen der LINKEN ein, um so DIE LINKE an den Hochschulen bekannter zu machen und Studierende für das Projekt einer klassenkampforientierten Partei zu gewinnen. Zudem wollen wir dadurch den bewegungs- und kampagnenorientierten Flügel der Partei stärken.
7) Nach dem Erfolg von Dresden für die Massenblockaden ist die Nazigefahr weiter akut. Die sich verschärfende soziale Krise und die Verdrossenheit mit den etablierten Parteien bieten dafür den Nährboden. Die Islamfeindlichkeit, in Deutschland prominent von Sarrazin popularisiert, ist ideologischer Anknüpfungspunkt für die neue Rechte in ganz Europa. Diese Islamfeindlichkeit findet sich nicht nur bei Faschisten, sondern wird von konservativen Parteien und Medien genutzt, um die Arbeiterklasse zu spalten.
Der Ansatz breiter, aber entschlossener Bündnisse ist ein Erfolgsrezept, das wir über Dresden hinaus weiter in der Partei verankern sollten. Dadurch können gesellschaftliche Kräfte gegen die wachsende Gefahr von Rechts gebündelt werden. Der spezifische Beitrag des Netzwerkes ist es, die politische Grundlage für das Konzept breiter und entschlossener Aktionen zu stärken. Dies umfasst einerseits die Auseinandersetzung mit staatsgläubigen Positionen, die Aktionen auf symbolische Proteste zur Unterstützung geforderter staatlicher Maßnahmen reduzieren würden, andererseits die Auseinandersetzung mit linksradikalen Positionen, die die notwendige Breite des Bündnisses und der Aktionen gefährden würden. Hierfür ist eine Faschismusanalyse nötig, die sowohl den Zusammenhang zwischen Faschismus und Kapitalismus herstellt als auch eine Analyse der Islamfeindlichkeit leistet. Sie ist in der LINKEN zu verankern.
8) Verbote einzelner faschistischer Organisationen oder einzelner Aktionen von Nazis durch den bürgerlichen Staat können bestenfalls nur das Nebenprodukt des massiven Druckes großer antifaschistischer Bewegungen sein, oder haben – im schlechteste Fall – Alibicharakter, um Angriffe auf die Linke und die Arbeiterbewegung um so ungehinderter durchsetzen zu können. Der bürgerliche Staat mit seinen Sicherheitsbehörden sieht – wie die herrschende Klasse insgesamt – im Faschismus keine Gefährdung ihrer Existenz – im Unterschied zur sozialistischen Arbeiterbewegung und der Linken allgemein und ist deshalb notorisch auf dem »rechten Auge blind«. Davor zu warnen ist auch in der gegenwärtigen Verbotsdebatte eine wichtige Aufgabe von Sozialisten.
9) Die Ankündigung des Abzugs der Nato-Kampftruppen für 2014 ist Ergebnis der Niederlage der Nato in Afghanistan. Diese Niederlage ist wesentlich das Ergebnis des Widerstands in Afghanistan selbst, denn ohne diesen Widerstand wäre es in den Nato-Staaten wesentlich einfacher gewesen, den Krieg weiter als Hilfsaktion zu verkaufen. Die Regierungen in Paris und Washington haben unter dem Eindruck der unvermeidlichen Niederlage nun einen vorzeitigen Abzug bis Ende 2013 verkündet.
Damit werden Bewegungskonstellationen in der Auseinandersetzung um innerafghanische, regionale und internationale Machtverteilung in Gang gesetzt, deren Entwicklung noch nicht absehbar ist, die aber auf jeden Fall die Instabilitäten steigern.
Ob die geplante weitere Stationierung von westlichen Truppen und die Einrichtung von Militärstützpunkten möglich sein wird, ist heute nicht absehbar. Nicht gesichert ist auch die Umsetzung des Beschlusses der westlichen Mächte, sich eine Truppe »afghanische Armee« zu halten.
Die seit 2009 verschärfte militärische Lage im Bundeswehrgebiet Nordafghanistan wird sich nicht beruhigen. Vor diesem Hintergrund wird die Position der Bundesregierung immer prekärer. Je länger die Bundesregierung einen klaren Kurswechsel hin zu einem realen, bedingungslosen und schnellen Abzug hinauszögert, umso mehr Tote und Versehrte wird es geben, auch auf Seiten der Bundeswehr.
marx21 setzt sich dafür ein, dass DIE LINKE weiterhin entschieden für einen bedingungslosen, vollständigen und unverzüglichen Truppenabzug aus Afghanistan eintritt.
Im vergangenen Jahr hat Deutschland mit dem Umbau der Bundeswehr zur einer professionellen Armee für Auslandseinsätze einen weiteren wesentlichen Schritt gemacht, um ihr Gewicht als imperialistische Macht zu stärken. Alle Parteien, außer DIE LINKE, haben diesen Schritt befürwortet.
marx21 unterstützt deshalb Aktivitäten der LINKEN, der GEW und der Friedensbewegung, die sich gegen die Militarisierung der Gesellschaft, insbesondere der Arbeiterjugend, richten.
10) Die revolutionäre Welle, die 2011 über die arabische Welt hinwegfegte, hat historische Bedeutung. Scheinbar unerschütterliche Diktatoren wie Ben Ali in Tunesien und Hosni Mubarak konnten durch einen Aufstand nach wenigen Wochen gestürzt werden. Die arabischen Aufstandsbewegungen haben sich gegenseitig befruchtet und sind zu einem Fanal der Hoffnung in der Region und darüber hinaus geworden. Sie haben Protestbewegungen auch in einigen europäischen Staaten inspiriert. Ausgelöst wurden diese Revolten sowohl durch die staatliche Willkür, als auch durch die Auswirkungen der schwelenden globalen Krise und die sich dadurch verschlechternden Lebensbedingungen der Bevölkerungsmehrheit in diesen Ländern. Entscheidender Faktor zum Sturz der Diktatoren in Tunesien und Ägypten waren Aktivitäten und Organisationen der Arbeiterbewegung.
Doch die herrschenden Klassen in den arabischen Ländern haben sich neu geordnet und sind zum Gegenschlag übergegangen. In Syrien und Jemen haben beeindruckende, monatelange Massendemonstrationen es nicht vermocht, die endgültige Macht der Diktatoren zu brechen, die auf immer unverblümtere Gewalt zur Aufrechterhaltung der Macht setzen. In Ägypten setzt die herrschende Militärjunta aus einem Gemisch von Repression und Scheinzugeständnissen an kooperationswillige islamische Parteien, um die Kontrolle im Interesse der herrschenden Klasse zurückzugewinnen.
Die Repression der alten Diktatoren gibt den imperialistischen Mächten neue Möglichkeiten, ihren durch die arabische Revolution geschwächten Einfluss erneut auszudehnen. So gelang es Nato-Staaten wie Frankreich, sich im März 2011 als vermeintlicher Bündnispartner der bedrängten libyschen Revolution anzubieten und politisch wie militärisch erfolgreich zu intervenieren.
Der von Nato-Bombardements begleitete Sturz Gaddafis und der Erfolg der islamischen Parteien bei den Wahlen in Tunesien und Ägypten hat zu einer Entsolidarisierung von Teilen der LINKEN mit der arabischen Revolution geführt. marx21 tritt dagegen weiterhin gegen die blutige Repression und für eine Unterstützung der Demokratiebewegungen innerhalb der arabischen Staaten ein. Wir lehnen jeden Versuch von Interventionen durch imperialistische Staaten und ihre regionalen Verbündeten ab. marx21 unterstützt die Bewegung gegen Rüstungsexporte.
11) Die Kriegsgefahr gegen den Iran ist nicht gebannt. Israel bereitet seit Monaten in aller Öffentlichkeit einen Angriff auf den Iran vor. Die US-Regierung hat nach dem Abzug aus dem Irak damit begonnen, zusammen mit französischen und britischen Truppen eine Armada im Persischen Golf zusammen zu ziehen. Ihr Ziel ist es, die relative Stärkung der Regionalmacht Iran infolge des Scheiterns der US-geführten Kriege in Irak und Afghanistan zu korrigieren. Ein weiteres Ziel ist, Einfluss wiederzugewinnen, der durch die arabischen Revolutionen, den Sturz von Bündnispartnern wie Mubarak und Ben Ali und die Weiterführung der arabischen Revolutionen gefährdet ist. Die von der Bundesregierung vorangetriebenen Embargobeschlüsse sind Teil der US-geführten Eskalation gegen den Iran und machen einen bewaffneten Konflikt wahrscheinlicher.
Ein Krieg gegen den Iran hätte verheerende humanitäre und politische Folgen. Seine Verhinderung muss eines der vordringlichen Aktionsfelder der Friedensbewegung bleiben. Sollte ein Angriff auf den Iran erfolgen, wird marx21 initiativ, um DIE LINKE aktiv und ideologisch als antiimperialistische Kraft in der Bewegung zu profilieren.
12) Bisher hat DIE LINKE nicht von der zunehmenden kapitalismuskritischen Stimmung profitieren können. Im Gegenteil, die Ergebnisse der Partei sind bei etlichen Landtagswahlen des letzten Jahres unter den Erwartungen geblieben und innerparteiliche Konflikte prägten die Debatten. Diese Krise der Partei DIE LINKE hat sowohl objektive als auch subjektive Ursachen. Objektive Gründe sind die Auferstehung von Rot-Grün in der Opposition gegen die Merkel-Regierung und das niedrige Niveau der Klassenkämpfe in Deutschland. Ein subjektiver Grund: auch innerhalb der Anhängerschaft der LINKEN ist die Vorstellung weit verbreitet, dass sich gesellschaftliche Veränderungen wesentlich über die Parlamente vollziehen, da die viel größere potentielle Macht von kollektiven Kämpfen als zu wenig greifbar erscheint. DIE LINKE kann wieder in die Offensive kommen, wenn diese beschränkte parlamentarische Ausrichtung überwunden wird und sie sich auf kommende außerparlamentarische Kämpfe vorbereitet. Dies ist nicht vereinbar mit einer Politik der »Regierung im Wartestand«, die von Teilen des regierungssozialistischen Flügels der Partei propagiert wird, was darauf hinausläuft, in der Hoffnung auf zukünftige Regierungsbeteiligungen bereits heute auf eine konsequente Oppositionspolitik zu verzichten. Unterstützer des Netzwerks sollten, soweit Kräfte vorhanden, in Landesverbänden initiativ werden, um mit Bündnispartnern Strategien gegen die Innenwendung und für eine kampagnen- und klassenkampforientierte aktive Mitgliederpartei zu entwickeln. Dazu sollten wir den Austausch im Netzwerk über den lokalen Aufbau der LINKEN fördern.
13) Die SPD und die Grünen stellen sich politisch für die Bundestagswahl 2013 auf und versuchen, auf einem linken Ticket die CDU/CSU/FDP-Regierung anzugreifen. Prominente Forderungen beider Parteien sind der Mindestlohn und die Erhöhung des Spitzensteuersatzes, die SPD fordert »Demokratie statt Bankenmacht«. Eine Neuauflage von Rot-Grün unter den Bedingungen der Krise würde jedoch dort ansetzen, wo Gerhard Schröder im Jahr 2005 aufgehört hat. Dennoch hoffen viele, dass Rot-Grün es anders machen wird als Schwarz-Gelb. Diese Hoffnung wird im Wahljahr 2013 wahrscheinlich noch stärker werden. Darauf muss sich DIE LINKE einstellen, indem sie a) sich nicht über Konstellationen definiert, sondern offensiv begründet, warum eine starke LINKE innerhalb und außerhalb der Parlamente ein Gewinn für Beschäftigte, Erwerbslose, Rentnerinnen, Rentner und Studierende ist und gleichzeitig b) an geeigneten Punkten praktische Vereinbarungen für Aktionen mit SPD, Grünen und Piraten trifft, zum Beispiel im Kampf gegen Nazis, für den gesetzlichen Mindestlohn oder gegen Einschränkungen der Informationsfreiheit.
14) Das marx21-Netzwerk arbeitet in der Strömung der Sozialistischen Linken mit. Trotz regionaler und lokaler Unterschiede vertritt diese Strömung nennenswerte Teile des gewerkschafts- und klassenorientierten Flügels der Partei und verbindet dies mit einer Orientierung auf die Entwicklung der LINKEN als Gesamtpartei. Die Sommerakademie der Sozialistischen Linken vom 17.-19. August 2012 in Bielefeld ist ein wichtiger Ort, um über die Herausforderungen der LINKEN im Vorfeld der nächsten Bundestagswahlen zu diskutieren. Die Debatten der letzten Jahre haben zugleich gezeigt, dass der Kampf für eine bewegungsorientierte Partei zum Teil quer zu den Strömungen verläuft. Unter diesen Bedingungen ist weiterhin die Sichtbarkeit unserer politischen Überzeugungen und unserer konkreten Vorschläge in der Partei notwendig und sinnvoll. Dabei gilt, dass die strategische Orientierung die Bündnispartner bestimmt, nicht die Bündnispartner die mögliche Strategie.
15) marx21 hat sich zum Ziel gesetzt, DIE LINKE als eine Klassenkampfpartei aufzubauen. Mit der Krise der LINKEN wird deutlicher, dass die Partei sich stärker mit eigenem Profil in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen verankern muss. Das Netzwerk versucht in den Debatten in der LINKEN über Alternativen zum kapitalistischen System und Gegenstrategien die Tradition des Sozialismus von unten für die heutigen Auseinandersetzungen fruchtbar zu machen. Je stärker das Netzwerk, desto stärker DIE LINKE. Zentrale Mittel für den Netzwerkaufbau sind die politische Arbeit mit dem Magazin marx21, das heißt der Magazinverkauf und regelmäßige ideologische Diskussionsangebote, die sich thematisch auf das Magazin beziehen. Die Unterstützerversammlung fordert alle Unterstützer des Netzwerkes auf, regelmäßig regionale Foren zu organisieren. Dazu stellt der Kokreis zukünftig Mobilisierungsflyervorlagen und Textgrundlagen zur Verfügung – ebenso das »Archiv« der Berliner Foren. Die zukünftige Theorie-Publikation sollte zudem als Diskussionsgrundlage für Lesekreise herangezogen werden. Studierende sollten regelmäßig an den Berliner Campus-Lesekreisen orientierte Diskussionsangebote für Studierende anbieten.
16) Die Unterstützerversammlung beschließt die Herausgabe einer Theoriepublikation. Die Aufgabe besteht in der kritischen Durchdringung der gesellschaftlichen Realität, um Strategien für den Klassenkampf im 21. Jahrhundert zu entwickeln. Ziel muss sein, die Positionsfindung des Netzwerks zu vertiefen und zu schärfen, auch in Auseinandersetzung mit konkurrierenden Theorien. Im Mittelpunkt der Publikation sollen Auseinandersetzungen innerhalb der LINKEN und der Bewegung stehen. Der marx21-KoKreis wird beauftragt, Ressourcen für die Broschürenproduktion und -vertrieb bereitzustellen.
17) MARX IS MUSS 2012: Ideen, um die Welt zu verändern. Mit dem Kongress folgt das Netzwerk der Definition Gramscis, wonach der Marxismus ein Philosophie der Praxis ist. Der Kongress bietet mit seinem umfassenden Programm eine herausragende Möglichkeit, die Tradition des Sozialismus von unten mit Bündnispartnern, Unterstützern und Sympathisanten von marx21 zu diskutieren und das Netzwerk weiter aufzubauen. Bereits die Mobilisierung zu MARX IS MUSS 2012 kann für das Netzwerk Impulsgeber für mehr Wachstum in die Breite werden. In diesem Jahr wollen wir MARX IS MUSS im Vorfeld zu einer intensiven Kontaktaufnahme mit Interessierten an marx21 nutzen. Zu diesem Zweck setzen wir uns das Ziel, alle Angemeldeten zum Kongress vorher zu kontaktieren und ihnen bei einem persönlichen Treffen kostenlos einen Reader für den Seminartag zu übergeben. Auf diese Weise können auch Interessierte für die aktive Werbung für den Kongress gewonnen werden. Zur Stärkungen des Netzwerks in den Regionen wollen wir im Herbst 2012 wieder regionale MARX-IS-MUSS-Herbstkonferenzen durchführen, auf denen wir in den Landesverbänden auch über die Strategie für DIE LINKE im Wahljahr 2013 diskutieren möchten.