Gilbert Achcar, Michael Warschawski: »Der 33-Tage-Krieg. Israels Krieg gegen die Hisbollah im Libanon und seine Folgen«, Edition Nautilus (2007), 94 Seiten, 10,90 Euro
Von Paul Grasse
Der libanesische Marxist Gilbert Achcar und der israelische Friedensaktivist Michael Warschawski analysieren die politischen Hintergründe und Folgen des israelischen Angriffs auf den Libanon im August 2006. Sie zeigen, dass die Entführung zweier israelischer Soldaten durch die Hisbollah für die israelische Regierung nur ein willkommener Vorwand war, um »mit ausdrücklicher oder stillschweigender Unterstützung aller Westmächte ohne jegliche Zurückhaltung eine Offensive von beispielloser Schonungslosigkeit und Zerstörungswut zu beginnen«.
Sie stellen diesen Krieg in den Zusammenhang mit Israels Beteiligung am US-amerikanischen Feldzug zur Neuordnung des Nahen Ostens. Die israelische Regierung wollte mit dem Angriff ihre Bewegungsfreiheit als führende Militärmacht im Nahen Osten wiederherstellen. Die Bombardierung der Zivilbevölkerung im Libanon war dabei beabsichtigt.
Warschawski schreibt: »Israel ging es um zweierlei: einerseits die Bezwingung und Befriedung rebellischer Bevölkerungen, andererseits um die Terrorisierung aller anderen«.
Die israelische Führung habe den Schutz israelischer Zivilisten für ihre militärischen Interessen geopfert. Der militärische Widerstand der Hisbollah zwang die israelische Armee zum Rückzug und stürzte die israelische Politik in eine schwere Krise. Warschawski argumentiert, dass damit »für Israel (…) die Ära der leichten, billigen Kriege definitiv vorbei ist und die Zivilbevölkerungen (…) einen hohen Preis dafür zahlen dürften«.
In den deutschen Medien wird Hisbollah zumeist als eine Marionette des Regimes im Iran dargestellt. Achcar weist diese Sichtweise zurück. Die Entstehung der Hisbollah ist untrennbar verbunden mit der Geschichte der israelischen Besatzung im Südlibanon seit 1978. Die Hisbollah im Libanon hatte seit ihrer Gründung 1984 eine führende Rolle im Kampf gegen diese Besatzung und wurde dadurch in weiten Teilen der libanesischen Bevölkerung populär. Achcar versteht diesen Kampf nicht als »Terrorismus«, sondern als eine legitime Form des Widerstands.
Er untersucht auch die widersprüchliche Politik der Hisbollah im Libanon. Ihre karitative Arbeit im Süden Libanons sichere der Partei die Unterstützung ärmerer schiitischer Bevölkerungsteile, aber »die Partei etablierte sich nicht als Oppositionskraft gegen den neoliberalen Kurs von Rafik Hariri, als dieser libanesischer Regierungschef war (…). Dennoch geht von der sozialen Basis, die mehrheitlich aus den armen Bevölkerungsschichten stammt, ein Druck auf die Hisbollah aus, bei den unpopulärsten Wirtschafts- und Sozialreformen auf Oppositionskurs zu gehen.«
Als sich die militärische Niederlage Israels im Libanon abzeichnete, legten die USA im UN- Sicherheitsrat die Resolution 1701 vor, die die Stationierung von bis zu 15.000 UN-Soldaten im Libanon vorsieht. Achcar kritisiert, dass diese Resolution dem israelischen Angriff durch die einseitige Verurteilung der Hisbollah eine nachträgliche Legitimation gab. Er warnt, dass gerade die israelische Niederlage ein Grund für einen erneuten Feldzug gegen den Libanon werden könnte.
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