Jan Maas über eine Ausstellung in Berlin, die sich mit der Geburt der neuzeitlichen Malerei beschäftigt
Auf dem Altarbild (Foto) kündigt der Erzengel Gabriel Maria an, dass sie Jesus zur Welt bringen wird. Dargestellt ist diese biblische Szene mitten in einer bürgerlichen Küche. Das Flügelbild rechts davon täuscht den Blick auf einen spätmittelalterlichen Marktplatz vor. Auch nach fast 600 Jahren leuchten die Farben noch und die Figuren scheinen beinahe zu leben.
Die Gemälde, die derzeit in der Ausstellung »Der Meister von Flémalle und Rogier van der Weyden« in der Berliner Gemäldegalerie zu sehen sind, zeigen einen doppelten Neuanfang in der Malerei. Obwohl biblische Themen neben Porträts weltlicher und geistlicher Fürsten weiterhin vorherrschen, halten Alltagsszenen und Bürgerportraits Einzug. Die Künstler verwenden zum ersten Mal ein neues Material, das die auf Ei basierenden Temperafarben ablöst: Ölfarben.
Mit Ölfarben konnten die niederländischen Maler leichter Farbübergänge mischen und dünne Lasuren herstellen. Feinere Hauttöne oder Bartschatten machten die Gemälde plötzlich lebensechter. Die Wirkung der so angefertigten Altarbilder auf die Gläubigen ist heute kaum nachzuvollziehen. Die wohlhabenden Stifter, die meist als Randfiguren in den Gemälden verewigt wurden, begannen jedenfalls, auch privat Porträts in Auftrag zu geben.
Das Zentrum der neuen Ölmalerei lag im heute belgischen Tournai, in der Werkstatt des »Meisters von Flémalle«. Viele mutmaßlich dort entstandene Werke fasste man im 19. Jahrhundert unter diesem Namen zusammen. Wahrscheinlich wurden die meisten Werke aber im Stil eines Handwerksbetriebs von mehreren Malern gemeinsam angefertigt.
Lehrlinge grundierten und füllten Flächen, Gesellen malten die Figuren und die Meister kamen nach dem Entwurf erst wieder dazu, wenn es um die Hauptfiguren oder die Stifterporträts ging. Offenbar war die Arbeit in der von Robert Campin geführten Werkstatt so interessant, dass auch der bereits erfolgreiche junge Maler Rogier van der Weyden dort noch einmal in die Lehre ging, bevor die Stadt Brüssel ihn später als Stadtmaler engagierte.
Die Ausstellung ist nicht zu umfangreich und ein Besuch in zwei Stunden gut zu schaffen. Es bleibt genug Zeit, einzelne Gemälde eingehend zu betrachten und die Hintergrundtexte zu lesen. Wie leider oft kommt darin die Darstellung des historischen Zusammenhangs zu kurz. Wie sich das niederländische Bürgertum im 15. Jahrhundert entwickelte, müssen sich die Besucher selbst anlesen.
Außerdem hätte es der Ausstellung gut getan, ein paar ältere Temperagemälde und Altarbilder dazu zu stellen, um den Unterschied zu den neuen Werken deutlicher zu machen. Trotz dieser Schwächen lohnt sich ein Besuch unbedingt. Die empfindlichen Gemälde werden zum ersten Mal zusammen gezeigt und es ist gut möglich, dass es sie so nie wieder zu sehen gibt.
Ausstellung:
»Der Meister von Flémalle und Rogier van der Weyden«, Gemäldegalerie, Kulturforum Potsdamer Platz, Berlin. Noch bis zum 21. Juni 2009, Di.-So. von 10-19 Uhr, Do. von 10-22 Uhr, Eintritt: 8 Euro, ermäßigt 4 Euro
Schlagwörter: Bücher, Kultur