marx21-Leser Ulf Teichmann kritisiert Stefan Bornosts Artikel »Bombardierung von Dresden: Von Opfern und Tätern« (marx21, Heft13)
In seinem Artikel geht Stefan Bornost der Frage auf den Grund, wie sich die Linke bezüglich des Anlasses des Dresdner »Gedenkens« zur Erinnerung an die Bombardierung der Elbstadt positionieren sollte. Den Aufhänger für seine Argumentation bildet eine ausführlich dargelegte Ablehnung der Kollektivschuldthese, welcher zufolge alle Deutschen für die Verbrechen Deutschlands zwischen 1933 und 1945 verantwortlich seien. Doch die Konsequenzen, die er daraus für die Gestaltung linker Erinnerung zieht, implizieren eine erschreckende Gleichsetzung.
Linke Kritik am Gedenken an deutsche Opfer ist notwendig, unabhängig von einer Positionierung zur Kollektivschuldthese. Denn gefährlich ist dieses Gedenken schon, weil es die Kompatibilität rechtsradikaler und bürgerlicher Geschichtspolitik offenlegt. Im herrschaftlichen Erinnerungsdiskurs hat sich – nicht zuletzt in Folge der spätestens 2006 einsetzenden offensiven Renationalisierung Deutschlands – durchgesetzt, dass man nun auch der deutschen Leidtragenden erinnern »darf«.
Dies dient nicht nur der Konstruktion einer von der Kollektivschuld befreiten Kollektiverinnerung, sondern auch der Darstellung der BRD als Hort der Freiheit, der es sich aufgrund der Lehren, die er aus der Vergangenheit gezogen hat, leisten kann, allen »Opfern« vermeintlich »totalitärer« Systeme, sowie allen Opfern von Krieg und Verfolgung gleichermaßen zu gedenken. Die Dresdener Opfer stehen hierbei am Beginn einer Linie, die sich über die weiblichen Opfer sexueller Gewalt seitens der Roten Armee und die Vertriebenen bis zur Frau vom Checkpoint Charlie, die als Opfer der Kriegsgewinner auch als spätes Opfer der Heimkehr des Krieges gesehen wird, ziehen lässt.
Dass auch diesen Opfern gedacht wird ist richtig (auch, wenn sich über die Art und Weise sicherlich streiten lässt.) Problematisch wird dieses Gedenken allerdings durch die oben beschriebene politische Instrumentalisierung, zu deren Zweck diese Geschehnisse immer weiter historisch entkontextualisiert werden. Die Opfergeschichten stehen für sich und erhalten damit eine qualitative Gleichsetzung zu den Geschichten jeglicher anderer Opfer. Ein Unterschied zwischen z.B. den Taten der Wehrmacht und der teilweisen Wiederholung dieser durch die Rote Armee nach Erreichen des »Altreichs« wird, sofern es der Common Sense zulässt, negiert.
Und hiermit sind wir wieder bei Stefan Bornost. Denn die gleiche qualitative Gleichsetzung betreibt auch er, wenn auch unter anderen theoretischen Vorzeichen. Bezüglich eines möglichen linken Beitrages zum Gedenken an Dresden fordert er »Anklage (…) gegen ein mörderisches System, in dem Menschen nichts zählen« zu erheben.
Wer glaubt, Bornost beziehe sich hier auf den Nationalsozialismus, der irrt. Es geht stattdessen um den Kapitalismus, zu dessen immanenter Kriegsführungsmethode die »Bombardierung dicht besiedelter Städte« gehöre. Der Krieg wird nicht als Krieg zwischen den faschistischen »Achsenmächten« und einer Koalition aus Sowjetunion (die ja bekanntlich nicht unbedingt kapitalistisch war) und Demokratien, sondern allein als »moderner Krieg zwischen Industriestaaten« analysiert. Damit gehören natürlich auch die Opfer beider Seiten – egal, ob ihr Tod im deutschen Vernichtungskrieg oder einer bombardierten Ruhrgebietsstadt erfolgte – zu ein und derselben Kategorie: Sie sind Opfer des Kapitalismus. Nach der Ideologie der Täter oder einer Abfolge von Aktion (Angriff) und Reaktion (Verteidigung) muss damit gar nicht erst gefragt werden. Gerade dies »öffnet (…) dem Geschichtsrevisionismus Tür und Tor«, was Bornost durch seinen Beitrag eigentlich verhindern wollte.
Erschreckend ist hierbei nicht nur die (wie gesagt unter anderen Vorzeichen stehende) Nähe zur Geschichtspolitik der Berliner Republik, die zwecks Anerkennung deutscher Opfer Kontexte immer weiter ausklammert, sondern vor allem die Nähe zur Argumentation der Autonomen Nationalisten, denen es sich am 13. Februar in den Weg zu stellen gilt. Diese sehen Kriege nämlich auch als barbarische Konsequenz des Kapitalismus an. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass aus deren Sicht der Nationalsozialismus kein kapitalistisches System war, sondern eben ein nationaler Sozialismus.