Zum Kommentar "Ja zum Recht auf Selbstbestimmung" von Klaus Henning und Max Steininger (Heft 5)
Klaus Henning und Max Steininger fällen in ihrem Artikel zur Unabhängigkeit des Kosovo zu Recht ein vernichtendes Urteil über die Arbeit der UN-Übergangsverwaltung UNMIK. Unter UN-Kontrolle wurde ein koloniales Protektorat eingerichtet, in dem eine Gruppe von Gangstern das Sagen hat. 250.000 Serben, Roma und Juden mussten nach Errichtung des UN-Protektorats bereits fliehen. Die verbliebenen Minderheiten leben hinter Stacheldraht.
Völlig unverständlich ist es daher, dass die beiden Autoren wohl die Unabhängigkeitserklärung kritisieren, zugleich aber in ihrem Kommentar "das Recht auf Selbstbestimmung" hervorheben. Was denn nun?
Wenn authentische nationale Befreiungsbewegungen sich gegen ihre nationale Unterdrückung wehren, dann sollten sie die Solidarität von Sozialisten finden, ganz gleich unter welcher Fahne sie laufen. Doch davon kann heute im Kosovo nicht die Rede sein. Die politische Führung, die 1999 aus dem Kampf der kosovarischen Befreiungsarmee UCK hervorging, hat ein kriminelles Regime errichtet, das mit NATO und EU verbündet ist. Nur diese Gangster haben etwas von der Unabhängigkeit zu erwarten, die einfachen Kosovaren haben nichts davon.
Die Unabhängigkeitserklärung der kosovarisch-nationalistischen Führung richtet sich nicht nur gegen Serbien, sondern zugleich und vor allem gegen die serbische Minderheit im eigenen Land, die jederzeit den Ausbruch neuer rassistischer Pogrome fürchten muss.
Auf dem Balkan leben die Ethnien eng durchmischt. Die mit dem Zerfall Jugoslawiens ausgelöste Gründungswelle immer kleinerer staatlicher Einheiten hat deshalb in eine Spirale des Rassenhasses geführt. Die kosovarische Unabhängigkeitserklärung ist nur der letzte Akt dieses blutigen Dramas, in dem sich die Nationalisten der kleinen Nationen als Handlanger der großen rivalisierenden Mächte verkauft haben.
Die Antwort darauf besteht nicht in dem Herunterbeten abstrakter "Rechte" auf Selbstbestimmung, sondern in dem Kampf um eine sozialistische Balkanföderation, in der alle Ethnien auf der Grundlage der Gleichberechtigung miteinander leben können. Alles andere kettet uns an die Logik des imperialen Teile-und-Herrsche.
Frank Renken, Berlin