{nomultithumb}Udo Achten / Bernt Kamin-Seggewies: »Kraftproben. Die Kämpfe der Beschäftigten gegen die Liberalisierung der Hafenarbeit«, VSA-Verlag, Hamburg 2008, 192 Seiten, 22,80 Euro
Von Olaf Klenke
Zweimal, 2003 und 2006, versuchte die Brüsseler EU-Kommission das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Sie wollte die Hafenarbeit liberalisieren, Tagelöhnerei wieder salonfähig machen. Beide Male gelang es den Hafenarbeitern Europas, dies durch landesübergreifende Aktionen zu verhindern. Den Höhepunkt stellte der 11. Januar 2006 dar. In allen Häfen Deutschlands standen die Kräne still. Auch in Rotterdam, Marseille, Liverpool oder Kopenhagen wurde kein Handschlag getan.
Damit standen sie in einer langen Traditionslinie: Die Kämpfe ihrer Zunft reichen bis zum Hamburger Hafenarbeiterstreik 1896 zurück. Diese Tradition greift das Buch »Kraftproben« auf. Tagelöhnerarbeit prägte bis ins 20. Jahrhundert die Hafenarbeit in Europa. Arbeiter und ihre Familien kämpften um das tägliche Überleben. Feste Arbeitsverträge mit ordentlichen Löhnen und bessere Arbeitsbedingungen mussten über Jahrzehnte erkämpft werden.
Zentraler Streitpunkt der Kämpfe 2003 und 2006 war die so genannte »Selbstabfertigung« der Schiffe. Dieser »Vorschlag« der EU-Kommission war ein Anschlag auf die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen der Hafenarbeiter. Danach hätten die Reedereien ihre Fracht mit eigenem Personal be- und entladen dürfen. Die Gewerkschaften bestanden jedoch darauf, dass dies nur die in den Häfen registrierten Arbeiter tun dürfen. Denn andernfalls drohe Lohndumping und die Wiederkehr unsicherer Arbeitsbedingungen.
Der Kampf der Hafenarbeiter war nicht allein deshalb erfolgreich, weil sie an einem Nadelöhr der Handelströme arbeiten und so den kapitalistischen Produktionsprozess empfindlich stören konnten. Noch 1996 ging ein Streit um den Einsatz billiger Seeleute im Hamburger Hafen bitter verloren. Wie Bernd Kamin, Betriebsratsvorsitzender der Gesamthafenarbeiter in Hamburg, zeigt, prägte diese Erfahrung die darauf folgenden Kämpfe der europäischen Hafenarbeitergewerkschaften. Sie vereinbarten, sich nicht mehr von dem Standortargument in die Knie zwingen lassen. Gemeinsame Aktivitäten und internationale Solidarität waren der Schlüssel zum Erfolg.
In dem Buch ist auch eine Broschüre aus dem Jahr 1897 dokumentiert, die der Gewerkschafter Carl Legien damals über einen 11-wöchigen Streik der Hamburger Hafenarbeiter geschrieben hatte. Der Arbeitskampf begann gegen die Empfehlung der Gewerkschaften und wurde schließlich ohne Erfolg abgebrochen. Legien schildert die unerträglichen Lebensbedingungen der Hafenarbeiter und ihren heroischen Kampf. Aus der Niederlage zog er den Schluss: Wir brauchen eine stärkere gewerkschaftliche Organisierung und bessere Vernetzung zwischen den Häfen.
Diese Frage ist auch noch heute aktuell. Wie Kamin schreibt, haben die Hafenarbeiter 2006 einen großen Sieg errungen. Aber es wurde »nur eine Schlacht gewonnen.« Wenn die EU-Kommission wieder die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Hafenarbeiter bedroht, müssen diese »erneut alle Erfahrungen aus der Vergangenheit nutzen und an die künftigen Herausforderungen anpassen. Dann wird es wieder heißen müssen: ›Proud to be a Docker‹.«
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