Film: »Der Baader-Meinhof-Komplex«, Regie: Uli Edel, Deutschland 2008, 143 Minuten DVD-Start: 12. März 2009
Von Hans Krause
Die ersten Szenen haben eine Kraft und Dynamik, die man im Kino selten sieht: Im Juni 1967 demonstriert die Studentenbewegung in West-Berlin gegen den iranischen Schah Mohammed Riza Pahlewi. Etwa 100 vom Schah eingeflogene »Jubelperser« lassen ihn hochleben und schlagen dann mit den Latten ihrer Schilder auf die Demonstranten ein, bis einige blutend zusammenbrechen. Erst sehen die Polizisten zu, dann prügeln sie selbst jeden nieder, den sie erwischen.
Die Wasserwerfer scheinen ins Kinopublikum zu spritzen. Plötzlich reiten Polizisten auf Pferden in die Menge. Alte Menschen und Kinder rennen um ihr Leben. Dutzende Knüppel sausen auf Köpfe nieder. In einer Seitenstraße zieht ein Polizist grundlos seine Pistole und erschießt den Demonstranten Benno Ohnesorg.
Ulrike Meinhof (Martina Gedeck), Journalistin des linken Magazins konkret, liest währenddessen bei einem Gartenfest ihr Flugblatt gegen die mörderische Diktatur des Schah vor. Doch bald arbeitet sie wieder in West-Berlin, berichtet 1968 vom Vietnam-Kongress mit Rudi Dutschke und den Protesten gegen Springer, bei denen Lieferwagen angezündet werden.
Als Meinhof Gudrun Ensslin (Johanna Wokalek) interviewt, ist sie von deren Kompromisslosigkeit fasziniert. 1970 gründen die beiden mit Andreas Baader (Moritz Bleibtreu) und anderen die RAF – die Rote Armee Fraktion. Ab diesem Moment wird die Geschichtsstunde von Regisseur Uli Edel buchstäblich oberflächlich.
Denn der »Baader Meinhof Komplex« ist eine extrem genaue Wiedergabe der wichtigsten Ereignisse rund um die RAF bis 1977, aber nicht viel mehr. Trotz der Länge von zweieinhalb Stunden findet der Film keine Zeit, zu erklären, was die RAF gemacht hat und warum das viele linke Menschen interessierte.
Während Meinhof, Ensslin und Baader ansatzweise als Figuren eingeführt werden, erfährt man von den meisten RAF-Mitgliedern der zweiten und dritten Generation nicht mal die Namen, geschweige denn, was sie dachten oder warum sie kämpften. Stattdessen hetzt der Film atemlos von einer Action-Einlage zur nächsten: Best of RAF im Schnelldurchlauf. Zentrale Figuren wie Brigitte Mohnhaupt (Nadja Uhl) und Christian Klar (Daniel Lommatzsch) platzen in die Handlung und definieren sich allein durch ihre Attentate.
Drehbuchautor und Produzent Bernd Eichinger (»Das Parfum«) nennt das »Fetzendramaturgie«: »Der Film besteht aus Puzzleteilen, die der Zuschauer selbst zu einem Gesamtbild zusammensetzen muss.« Doch weil der »Baader Meinhof Komplex« fast nichts kommentiert oder erklärt, kann dieses Gesamtbild kaum entstehen.
Nur wenige Szenen lassen erahnen, welche Chance die 68er-Bewegung geboten hat und welche Tragödie die RAF für sie war. Das sind Original-Ausschnitte vom Generalstreik in Frankreich und vom Prager Frühling 1968. Später sieht man kurz ein echtes Interview, in dem eine junge Frau sagt, dass die RAF versucht, etwas zu verändern, während die anderen linken Gruppen nur reden würden.
Der Regisseur und die Schauspieler hatten vielleicht das Ziel, mit dem Film die Frage zu stellen, was die linke Bewegung damals erreichen konnte und was heute möglich ist. Bleibtreu sagte dazu: »Unser Film erinnert daran, dass es einmal Menschen gab, die an die Möglichkeit einer Veränderung der Welt glaubten. Sie wählten die völlig falschen Mittel, aber sie glaubten wenigstens daran. Wenn einige junge Leute nach dem Film anfangen, sich darüber Gedanken zu machen, wäre schon vieles gewonnen.«
Doch um Menschen zum Denken anzuregen, muss ein politischer Film über die sechziger und siebziger Jahre mehr zeigen als nur die RAF. Leider macht der »Baader Meinhof Komplex« das kaum und beschränkt sich auf die Feststellung, dass Terrorismus der falsche Weg ist.
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