Ein wirklich außergewöhnlicher Science-Fiction-Film: »District 9« liefert nicht nur Action und tricktechnisch ziemlich gut animierte, aber unheimlich hässliche Außerirdische, sondern er hat auch eine politische Botschaft: Es gibt keinen Grund für Rassismus. Von Paul Grasse
Seit 20 Jahren schwebt über der südafrikanischen Metropole Johannesburg ein havariertes Raumschiff. Niemand weiß, wer oder was sich darin befindet. Eines Tages beschließt die MNU – eine Mischung aus UN, Sicherheitsfirma und Rüstungskonzern -, das Raumschiff zu entern und entdeckt dort hunderttausende, vor sich hin vegetierende außerirdische Arbeiter, deren technische Elite sich aus dem Staub gemacht hat. Die echsenartigen, von den Menschen abfällig »Schrimps« genannten Wesen werden in ein riesiges Ghetto im Herzen Johannesburgs, den »District 9«, gebracht. Dort hausen sie unter katastrophalen Bedingungen, ernähren sich von Müll und Katzenfutter, das für sie zu einer Armutsdroge wird. Sich selbst überlassen, wächst die Gesellschaft auf 1,5 Millionen Wesen an – bis die MNU den Plan fasst, die Außerirdischen in ein Zeltlager mitten in der Wüste abzuschieben.
Im Film werden zwar nur Aliens ausgegrenzt. Und doch sind die Analogien zum Rassismus in der menschlichen Gesellschaft nicht zu übersehen – vor allem zum südafrikanischen Apartheidsregime. So sind der Titel und die Handlung an Ereignisse angelehnt, die im so genannten »District Six« im Kapstadt der 1960er Jahre stattfanden. Damals ließ die südafrikanische Regierung die zumeist schwarzen Bewohner des Viertels zwangsweise umsiedeln.
Aber auch auf andere Orte und Formen der Unterdrückung spielt »District 9« an. So wird der Eingang zum Ghetto von einer Figur geschmückt, die einen Schrimp Hand in Hand mit einem Menschen zeigt. Das ist ähnlich zynisch, wie die Tatsache, dass über den Grenzübergängen zwischen Israel und Gaza groß das Wort »Schalom« (»Frieden«) geschrieben steht.
Auf das Bevölkerungswachstum der Schrimps reagiert die MNU mit bürokratischer Kälte. Sie beauftragt ihre Söldner, die Eier der Außerirdischen mittels Flammenwerfer zu zerstören. Die Soldaten haben noch Spaß dabei und freuen sich über die Platzgeräusche, die sie »an Popcorn erinnern«.
Fast alles in dem Film lässt sich ohne Mühe auf unsere Gesellschaft übertragen. Nur die Entmenschlichung, ein wesentliches Kennzeichen von Rassismus, scheint von vorn herein durch die biologische Andersartigkeit der Außerirdischen vollzogen zu sein. Diese Trennung wird jedoch durchbrochen, als der Leiter der Abschiebeaktion durch einen Unfall langsam zu einem Außerirdischen mutiert. Das macht ihn zum Versuchskaninchen für die MNU, die nun die bei den Außerirdischen gefundenen, äußerst effektiven Waffen austesten kann. Denn diese lassen sich durch Menschenhand nicht auslösen.
Trotz großer logischer Lücken – Warum sind die außerirdischen Arbeiter ohne ihre »Führer« ohnmächtig? Warum benutzen sie ihre Waffen nicht selbst, um sich zu befreien? – ist dieser Film der politischste Science-Fiction-Film seit Jahren. Spannend bis zum Schluss, und vor allem: Die Außerirdischen sind nicht wie gewöhnlich die »Bösen«, sondern eindeutig Opfer skrupelloser Diskriminierung. »District 9« ist ein hervorragender Film für Klassenkämpfer, Action-Fans und Science-Fiction-Freaks gleichermaßen.
Daten zum Film:
- District 9, Regie: Neill Blomkamp, Südafrika/Neuseeland 2009, 108 Minuten, DVD-Start: 8. April 2010