Film: »Der Informant«, Regie: Steven Soderbergh, USA 2009, 108 Minuten, Kinostart: 5. November 2009
Von Hans Krause
Mark Whitacre geht es prächtig. Er hat einen gut bezahlten Job, eine attraktive Frau und ein riesiges Anwesen samt Stallungen und Pferden.
Er könnte rundum zufrieden sein. Aber der leitende Mitarbeiter eines globalen Agrarkonzerns will mehr: Er will ganz nach oben und Vorstandsvorsitzender werden. Außerdem will er, scheinbar, die illegalen Machenschaften und verbotenen Preisabsprachen seines Arbeitgebers nicht mehr mitmachen.
Um in der Welt des Finanzkapitals zu überleben, musst du lügen und betrügen. Und wenn es auffliegt, musst du neue Lügen erfinden, um die alten zu vertuschen. »Ocean's«-Regisseur Steven Soderbergh packt seine Kapitalismuskritik in eine schrille Farce über den seelischen Zustand von Top-Managern und die ganz normalen Verbrechen im Big Business. In der Hauptrolle glänzt Matt Damon (»Das Bourne-Ultimatum«), der für den Film extra 15 Kilo zugenommen hat. Er spielt Mark Whitacre, den Manager des Lebensmittelkonzerns ADM, dessen Geschichte größtenteils wirklich passiert ist.
Der graumausige Biomechaniker setzt ab 1992 eine Kette verwirrender Ereignisse in Gang, als er der US-amerikanischen Bundespolizei FBI steckt, seine Firma sei in illegale Machenschaften mit japanischen Konkurrenten verstrickt. Das FBI wittert fette Beute und heuert den geltungssüchtigen Spießbürger als verkabelten Maulwurf im Big Business an.
Doch die Kommissare sollen an Whitacre keine Freude haben. Er verspricht zwar viel und verkabelt eine Menge Büros, aber handfeste Beweise liefert er nie. Stattdessen verstrickt sich der moderne Münchhausen in Widersprüche und Lügengespinste, weil er mit den Beschuldigungen gegen andere Manager nur seine eigenen Verbrechen verdecken will. Bald wissen weder Informant noch Polizei und schon gar nicht die Zuschauer, was Wahrheit ist und was Lüge.
Man begleitet Whitacre, wie er japanischen Managern haufenweise Märchen auftischt, den Polizisten danach eine komplett andere Geschichte erzählt und für seine Frau wiederum eine dritte Variante bereithält. Das ist überwiegend amüsant, macht den Film aber teilweise ein wenig geschwätzig und hätte langweilig werden können, wenn Matt Damon nicht in fast jeder Szene im Mittelpunkt stände. Er spielt überzeugend den Biedermann als Brandstifter, der durch seine zeitlos lächerliche Brille zwinkert und als sympathischer Psychopath endet: unsicher, durchtrieben und nach außen stets überzeugt, dass er am Schluss der strahlende Sieger sein wird.
Obwohl die Figur des zwanghaften Lügners, der hoch fliegt und umso tiefer fällt, nicht wirklich neu ist, gelingt es Soderbergh, daraus eine Geschichte über die Funktionsweise der heutigen Marktwirtschaft zu machen. In seiner Wirtschaftsklamotte wirkt die Welt der Vorstände wie eine späte Folge der Kapitalisten-Soap »Dallas« mit rustikalem Rancher-Chic und pastellfarbenen Hotellobbys.
Der Raubtierkapitalismus erscheint äußerlich wie ein Streichel-Zoo, wenn die speckige Hauptfigur als windiger Quasselkopf immer neue Sportwagen vor ihrem Kleinfamilienheim auffährt. (»Wir hatten acht Autos. Drei davon wurden niemals benutzt.«) Der Mann ist kein Bösewicht, kein Hai im Nadelstreifenanzug.
Der Film handelt von einem Wirtschaftsverbrechen, bei dem Menschen auf der ganzen Welt um hunderte Millionen Euro betrogen werden. Doch für die Schuldigen ist es ihre tägliche Arbeit, die eben aus legalen und illegalen Geschäften besteht. Bis zum Schluss begreifen sie nicht, wie etwas falsch sein kann, dass ihnen mehrere Millionen aufs Konto gespült hat.
Als einer der Polizisten das Ausmaß der Verbrechen der Lebensmittelkonzerne begreift, sagt er zu seinem Kollegen: »Jeder wird Opfer eines Wirtschaftsverbrechens, sobald er mit dem Frühstück fertig ist.« Selten hat einen diese bittere Wahrheit so zum Lachen gebracht.
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