Zur Buchbesprechung von Helmut Schmidts "Außer Dienst" von Hans Krause (Heft 8)
Hans Krause beginnt seine Rezension mit einem Verweis auf Oskar Lafontaine, der den Eindruck vermitteln würde, die SPD sei früher anders, sozialer gewesen. Leider verbringt der Autor den Rest der Rezension damit, Schmidt als unsozial und Freund von Mördern und Diktatoren zu beschreiben – was für die meisten Linken heute keine Neuigkeit ist. Interessanter wäre doch, dass Schmidt damit den Weg für Kohl bereitet und dessen Politik schon vorgegriffen hat.
Die entscheidende Frage, die Hans Krause nicht stellt, lautet aber: Welche Ursachen hatte der Politikwechsel von Willy Brandt zu Helmut Schmidt? Unter Willy Brandt gab es – sicher nicht ohne Druck von Gewerkschaften und APO – einen gesellschaftlichen Aufbruch, den Ausbau von Schulen, Universitäten und anderen öffentlichen Einrichtungen.
Linke müssen sich fragen, wie dieser Aufbruch unter Schmidt so schnell und abrupt zu Ende kommen konnte. Das hauptsächlich an der Person Schmidts festzumachen, wäre ein Fehler. Die Öl- und Wirtschaftskrisen spielen hier wohl die zentrale Rolle.
Hans Krause sollte sich vielleicht intensiver mit Oskar Lafontaine beschäftigen, bevor er sich mit Schmidt und den 1970ern auseinandersetzt. Auch Lafontaine sieht die sozialdemokratischen Regierungen der siebziger und achtziger Jahre kritisch.
In seiner Rede beim Gründungsparteitag der Parti de Gauche Ende November in Paris sagte er: "1971 gründete sich unter Mitterand eine neue sozialdemokratische Partei. Das Programm unterscheidet sich deutlich von jenem der deutschen Sozialdemokraten: es ist antikapitalistisch, kritisch zur NATO und offen für Bündnisse mit kommunistischen Parteien – alles, was das Programm der SPD nicht ist. (…) Aber trotz des theoretisch antikapitalistischen Programms war die praktische Politik der Mitterand-Regierung nicht antikapitalistischer als die der sozialdemokratischen Regierung in Deutschland. Sei es in England, Deutschland, Spanien oder anderswo: die Differenz zwischen Theorie und praktischer Politik ist symptomatisch für die Geschichte der westeuropäischen Sozialdemokratie."
Dirk Spöri, Freiburg