Malalai Joya ist mit 32 Jahren die derzeit jüngste Parlamentarierin Afghanistans. Im ihrem Buch »Ich erhebe meine Stimme« erzählt sie sowohl ihre persönliche als auch die Geschichte ihres Landes.
Joya wurde 1978 im westafghanischen Distrikt Farah geboren. Ihr Vater – ein Arzt, Demokrat und Menschenrechtsaktivist – kämpfte während ihrer Kindheit gegen die sowjetischen Invasoren und verlor dabei ein Bein. Aufgrund der politischen Verfolgung des Vaters musste die Familie zunächst in den Iran und anschließend nach Pakistan fliehen. Dort wuchs Joya in verschiedenen Flüchtlingslagern auf.
Malalai Joya versteht sich als politisch unabhängig. Sie war zunächst Sozialarbeiterin bei einer afghanischen NGO, bevor sie Politikerin und parteilose Abgeordnete wurde. 2007 wurde sie aufgrund ihrer kompromisslosen Haltung gegenüber den Kriegsverbrechen der Warlords für drei Jahre aus dem Parlament geworfen.
Wie ein roter Faden zieht sich die Ablehnung des von USA und NATO installierten Warlordregimes unter Präsident Hamid Karzai durch ihr Buch. Viele heutige Provinzgouverneure, Minister und die Mehrzahl der Parlamentsabgeordneten sind ehemalige Kriegsfürsten und Drogenbarone. In der Zeit der sowjetischen Besatzung leisteten sie mit Unterstützung der USA Widerstand gegen das damalige Besatzungsregime. Nachdem die sowjetischen Truppen abgezogen waren, bekämpften sich dann diese verschiedenen Privatarmeen gegenseitig und begangen zahlreiche Massaker und Gräueltaten an der Zivilbevölkerung. Dafür wurden sie nie bestraft. Im Gegenteil: Diese Kräfte, die sich in ihrer politischen Ideologie kaum von den Taliban unterscheiden, konnten im Parlament – zu ihrem eigenen Schutz – ein Amnestiegesetz für die vergangenen drei Jahrzehnten Bürgerkrieg durchsetzen.
Als einzige Abgeordnete protestierte Malalai Joya dagegen. In ihrem Buch zeigt sie, dass es durchaus Afghanen gibt, die für wirkliche Demokratie kämpfen. So berichtet sie etwa von Demonstrationen gegen Menschenrechtsverletzungen. Anhand zahlreicher Beispiele weist sie jedoch nach, wie gegen diese demokratischen Kräfte mit Einschüchterung, Verleumdung, willkürlichen Anklagen und sogar Mord vorgegangen wird.
Dies alles findet unter dem Schutz der NATO-Soldaten statt. Insofern verwundert es dann nicht, dass Joya genau anders herum argumentiert, wie im Westen üblich. Während hierzulande die Besatzung damit begründet wird, man wolle den Einfluss der Taliban eindämmen, fordert Joya den Abzug der NATO-Truppen, um dadurch die regionalen Warlords zu schwächen. Diese hätten nämlich keinen Rückhalt in der Bevölkerung. Erst durch einen Truppenabzug bestünde jedoch die Chance, sie für ihre Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Alles in allem ein sehr empfehlenswertes Buch.
Das Buch:
- Malalai Joya: »Ich erhebe meine Stimme. Eine Frau kämpft gegen den Krieg in Afghanistan« , Piper Verlag, München/Zürich 2009, 302 Seiten, 19,95 Euro
Foto: World Can’t Wait
Schlagwörter: Bücher, Kultur