Die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise fordert die Ökonomen des Mainstreams heraus und zwingt sie zu taktischen ideologischen Zugeständnissen, die für Linke hilfreich sein können. Ein Beispiel dafür ist das Buch »Kasino-Kapitalismus«, das der Chef des Münchener ifo-Institutes Professor Hans-Werner Sinn veröffentlicht hat. Von Thomas Walter
Wie konnte es zu dieser Krise kommen? Eigentlich gar nicht, denn ökonomische Modelle unterstellen in der Regel die Allwissenheit der Marktteilnehmer. Lässt man aber diese weltfremde Annahme fallen, dann zeigt sich, wie Sinn ausführt, dass Märkte keineswegs »effizient« sind. Es setzen sich vielmehr Anbieter durch, die nur deshalb billiger produzieren, weil sie minderwertige Produkte verkaufen, ohne dass die Käufer dies gleich erkennen können. Deshalb waren auch auf den Finanzmärkten Banken Gewinner, die Ramschpapiere zu hohen Preisen verkauften. Zwar merkten die Käufer schließlich, wie riskant diese sogenannten Wertpapiere waren. Doch bis dahin waren die vorsichtigen Banken, die nur geringere Profite erzielen konnten, pleite oder aufgekauft.
Als weitere Krisenursache stellt Sinn heraus, dass die Banken nur mit ihrem Eigenkapital für Verluste aufkommen mussten. Den Rest übernahm der Staat. Das bedeutet: Gewinne wurden voll privat angeeignet, Verluste dagegen nur zum Teil selber getragen. Der Rest wurde »sozialisiert«, also den Sparern oder dem Staat aufgebürdet. Für Sinn ist es nicht verwunderlich, dass dieses einseitige Geschäftsmodell bei Banken gut ankam.
Sinn scheint sich der Tragweite seiner Argumente jedoch nicht bewusst zu sein. Er erkennt nicht, dass damit die ganze Ideologie der Marktwirtschaft – Märkte sind effizient – in Frage gestellt ist. Vielmehr ruft er nach dem Staat, der die Finanzmärkte regulieren soll. Aber wie seine weiteren Ausführungen zeigen, ist auch das problematisch: Denn auf dem Weltmarkt konkurrieren die Staaten untereinander. Der Staat mit der, wie es Sinn nennt, »laschesten« Regulierung kann die meisten Geschäfte auf sich ziehen und hat so gegenüber seiner Konkurrenz einen Vorteil. Die Einzelstaaten werden deshalb die internationale Regulierung brechen. Aus marxistischer Sicht kann keine Planung der Weltwirtschaft durchgesetzt werden, solange Unternehmen und Staaten gegeneinander konkurrieren. Sinn fordert unrealistischerweise die Staaten auf, gemeinsam die Finanzmärkte zu regulieren, obwohl der Weltmarkt eben diese Staaten in einen gegenseitigen Konkurrenzkampf treibt.
Deutschland soll nach Sinns Ansicht außerdem den Arbeitsmarkt deregulieren. So entstünden Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich. Ausgerechnet diese schlecht bezahlten und prekär Beschäftigten sollen zukünftig die Waren kaufen, welche Deutschland wegen der Krise nicht mehr exportieren kann. Auch das kann keine Lösung sein.
Insgesamt liefert Sinn aber eine lesenswerte Schilderung der Krise und bringt eine Reihe von Argumenten gegen den Markt, freilich ohne diese zu Ende zu denken. Der Leser muss selbst seine Schlüsse ziehen.
Das Buch:
- Hans-Werner Sinn: »Kasinokapitalismus. Wie es zur Finanzkrise kam und was jetzt zu tun ist«, Econ-Verlag, Berlin 2009, 272 Seiten, 22,90 Euro
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