Michael Klein über Cem Gülays autobiagraphisches Buch »Türken Sam: Eine deutsche Gangsterkarriere«
Ein Buch über die kriminelle Karriere eines jungen Deutschtürken – das kann eigentlich nur Ressentiments und Klischees bedienen, könnte man meinen. Doch der in Hamburg geborene Autor Cem Gülay liefert in seiner Autobiographie nicht nur eine Gangstersaga, sondern auch eine schonungslose Abrechnung mit dem alltäglichen Rassismus und der staatlichen Ausgrenzungspolitik, die junge Muslime in Deutschland erfahren müssen.
Im Grunde hatte Cem Gülay nie vorgehabt, kriminell zu werden. Während seiner Jugend in den 1980er Jahren spielte er in verschiedenen Hamburger Fußballclubs, machte mit Erfolg sein Abitur und wurde sogar Schülersprecher. Doch stets war er mit Ausländerfeindlichkeit konfrontiert. So wurde er beispielsweise im letzten Moment von einem Sichtungsturnier für die Fußball-Jugendnationalmannschaft ausgeladen – der Trainer wollte keine türkischen Spieler. Als er im Gymnasium zum Schulsprecher gewählt wurde, legte ihm der Direktor nahe, die Wahl nicht anzunehmen: »Ich kann mir keinen türkischen Schulsprecher erlauben, weil viele deutsche Eltern dann ihre Kinder nicht mehr anmelden!« Er musste miterleben, wie sein jüngerer Bruder von Neonazis bedroht und durch die Straßen gehetzt wurde. Schließlich dachte er sich: »Wenn ihr es schon nicht geschafft habt mich zu integrieren, wer dann? Ich wollte dazugehören, aber ihr habt mir ständig das Gefühl gegeben: Du gehörst nicht zu uns!«
Schließlich entschied sich Cem Gülay für das Leben eines Gangsters – nicht eines Kriminellen. Dies sei ein Unterschied. Ein Krimineller ist jemand, der Tankstellen überfällt, Autos knackt und alten Damen die Handtasche klaut. »Gangster sein war ein Lifestyle. Ein Beruf, in dem es um Macht, Anerkennung, Loyalität und Ehre ging.« Cem zog Anleger mit Warentermingeschäften über den Tisch und verdiente so mit 21 schon knapp 70.000 Mark im Monat, später regelmäßig das Doppelte. Zudem lernte er, dass es wichtig war, körperlich fit zu sein. Es gäbe nichts Schlimmeres, als einen Fight Mann gegen Mann zu verlieren: Wer stärker ist als andere, wird respektiert. Die Kapitel über diesen Lebensabschnitt gehen unter die Haut. Zum Schluss war Cem sogar bereit zu töten. Erst als ihm ein legendärer Hamburger Pate nahe legte auszusteigen, fand er die Kraft dazu.
Cem Gülays Buch endet mit den Worten »Ich wollte dazugehören, ich habe es niemals aufgegeben! Und wisst ihr was? Ob es Euch nun gefällt oder nicht: Ich gehöre jetzt zu euch!« Heute lebt er in Berlin und engagiert sich für Jugendliche mit Migrationshintergrund.
Das Buch:
- Cem Gülay, Helmut Kuhn: »Türken Sam: Eine deutsche Gangsterkarriere«, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2009
Schlagwörter: Bücher, Kultur