Annelies Laschitza: »Die Liebknechts. Karl und Sophie – Politik und Familie«, Aufbau-Verlag 2007, 511 Seiten mit 53 Abbildungen, 24,95 Euro
Von Tobias Paul
Durch die Edition der Gesammelten Briefe und die Mitherausgabe der Werke Rosa Luxemburgs wurde die marxistische Historikerin Annelies Laschitza bekannt. Luxemburg, der sie bereits eine Biographie gewidmet hat, wirkte menschlich und politisch in einer Zeit, die wohl als eine der dunkelsten Epochen des internationalen Sozialismus und der europäischen Geschichte insgesamt bezeichnet werden kann. Während im Ersten Weltkrieg ganze Armeen in Schützengräben und Granattrichtern verbluteten, sammelte sich um Luxemburg die deutsche sozialdemokratische Opposition gegen den Krieg. Ein Oppositioneller, der durch sein Wirken hervor stach, war Karl Liebknecht.
Er ist in Erinnerung geblieben als der erste Reichtagsabgeordnete, der gegen die Bewilligung der Kriegskredite stimmte. Eine weitere kurze Episode seines Lebens, die Wochen zwischen der Novemberrevolution 1918 und seinem Tode nach den Januarunruhen Januar 1919 in Berlin, findet noch heute Eingang in den Geschichtsunterricht an unseren Schulen.
Darüber hinaus ist uns über den Politiker und Mensch Karl Liebknecht nur wenig bekannt. Anders als Rosa Luxemburg hinterließ er kaum theoretische Schriften. Er war vielmehr ein Mann der praktischen Tat. Dies hatte mit den unterschiedlichen Betätigungsfeldern beider zu tun: Während Rosa Luxemburg an der Parteischule arbeitete und den theoretischen Kampf um die Ausrichtung der Partei focht, bewegte sich Karl Liebknecht an der Front in der Auseinandersetzung mit dem bürgerlichen Staat. Das Parlament und das Gericht waren in seiner Tätigkeit als Abgeordneter und Rechtsanwalt die Schauplätze seiner politischen Tätigkeit. So führt uns die Autorin entlang an Schlüsselmomenten im Reichstag und in den verschiedenen Prozessen, in denen Liebknecht andere, aber auch oft genug sich selbst, verteidigte. Die Darstellung seines Einsatzes gegen die Unterdrückung von in Deutschland lebender russischer Sozialisten und für die organisierte Verbreitung des Antimilitarismus unter der Arbeiterjugend, seiner Enthüllungen über die internationale Rüstungsindustrie im Vorfeld des Krieges, sowie der Mitarbeit im revolutionären Flügel der SPD sind lesenswert und lassen den Revolutionär in einem deutlicherem Lichte erscheinen.
Wir erfahren viel über den Vater und Ehemann, der seinen Kindern Begeisterung für die Natur beibringt, und dem es Leid tut, dass er mit Sophie so wenig Zeit verbringen kann. Einer der rührendsten Momente in diesem Buch ist die Darstellung der Zeit, in der Karl Liebknecht als Armierungssoldat an die Front gezogen wird. Die Familie litt unter großen Entbehrungen. Finanzielle Not, Todesängste und die Trennung von seiner Frau und den Kindern stellten die Beziehungen auf eine harte Probe.
»Keine Sorge um mich«, forderte er von all seinen Lieben und Freunden, doch ihn ergriff manchmal »wahnsinnige Angst«, und er flehte Sophie an, nicht vom Tode zu reden: »Sei wie du warst. Hab mich lieb. Hilf mir. Ich kann nicht ohne Dich. Dein Karl. In mir zerbricht alles.«
Das wichtigste was uns heute von Karl Liebknecht übrig geblieben ist, ist seine Geschichte – seine illusionslose Ansicht, dass die Arbeit im Parlament die Unterdrückung der Menschen nicht beendet. Er hat es als Abgeordneter meisterhaft verstanden, seine parlamentarische Arbeit zum Aufbau von Massenbewegungen zu verwenden. In einer Zeit, in der immer mehr Abgeordnete DER LINKEN Sitze in den unterschiedlichen Parlamenten erobern, ist Annelies Laschitzas Biographie mehr als nur ein interessantes Geschichtsbuch. Es ist ebenso eine Aufforderung an uns zu verhindern, dass sich die Tragödien der Jahre Karl Liebknechts in der Gegenwart wiederholen.