Der AfD ist etwas gelungen, was allen anderen Parteien, die nach 1945 in die Fußstapfen des Nationalsozialismus getreten sind, verwehrt blieb. Die Versuche der NPD in den 1960er und noch einmal in den 1990er Jahren, der Deutschen Volksunion (DVU) sowie den Republikanern ab den 1980er Jahren, sich in den Parlamenten festzusetzen, um von dort aus Propaganda zu betreiben und mit Steuergeldern den eigenen Parteiapparat aufzubauen, sind immer nach wenigen Jahren gescheitert.
Es war die Studierendenbewegung am Ende der 1960er Jahre, die in Westdeutschland im Kampf gegen die erstarkende NPD eine Tradition begründete, durch vielfältigen öffentlichen Protest den harten Kern der Nationalsozialisten in diesen Parteien von seinem weichen Umfeld, der potentiellen Wählerschaft, erfolgreich zu isolieren. Diese Tradition lebt bis heute in dem Bündnis »Widersetzen« fort. Trotzdem hat sich mit der AfD in den letzten zehn Jahren eine im Kern faschistische Organisation etabliert, die in der Lage ist, bei den Wahlen mit großem Erfolg nicht nur ihr engeres Umfeld zu mobilisieren, sondern sich auch ein großes Protestwahlpotential erschließen kann.
Diese Entwicklung verlangt nach einer Erklärung, um sicherzustellen, dass die ersten Erfolge von »Widersetzen« eine Fortsetzung finden und das Bündnis seine Chancen nutzen kann, um weiter auszugreifen und letztlich als Siegerin vom Platz zu gehen. Dafür ist eine Analyse der politischen und ökonomischen Entwicklungen der kapitalistischen Verhältnisse in Deutschland notwendig, die den Aufstieg der AfD entscheidend begünstigt haben.
Dabei geht es auch darum, sich mit konkurrierenden Erklärungsansätzen zum Aufstieg der AfD auseinanderzusetzen, weil sie zu falschen Schlussfolgerungen führen können. Vorherrschend sind ökonomistische und psychologisierende Sichtweisen, denen zufolge der Aufstieg der AfD und anderer nationalkonservativer oder faschistischer Parteien weltweit eine zwangsläufige Folge der krisenhaften Entwicklung des Kapitalismus ist. Wenn aber die Feststellung von Karl Marx und Friedrich Engels im Kommunistischen Manifest1 heute noch richtig ist, dass die Klassenkämpfe der Motor der Geschichte sind, dann stellt sich die Frage, warum der Klassenkampf von oben in den letzten Jahrzehnten nicht in gleichem Maß mit einem Klassenkampf von unten beantwortet worden ist.
Im Folgenden gehe ich dieser Frage nach und argumentiere, dass die politischen Schwächen der Sozialdemokratie, der Gewerkschaften und von Teilen der Linkspartei der AfD das Feld überlassen haben, verbreitete Ohnmachtsgefühle und Abstiegsängste in rassistische und autoritäre Deutungsmuster zu kanalisieren.
Großes Gefahrenpotential
Schaut man sich das Verhältnis der 52.000 Parteimitglieder der AfD zu ihren 10,2 Millionen Wählerstimmen bei der letzten Bundestagswahl 2025 an, dann wird eine große Auffälligkeit deutlich. Auf ein Parteimitglied kommen bei der AfD 195 Wähler:innen. Die SPD hat fast genau so viele Stimmen wie die AfD erhalten, aber fünfmal so viele Mitglieder. Bei der SPD und den anderen Parteien kommen auf ein Mitglied zwischen knapp 30 und knapp 50 Wählerstimmen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass das mehr oder weniger weiche Umfeld der AfD überdurchschnittlich groß ist. Wie viele Menschen darunter sind, die die Partei trotz oder wegen ihres faschistischen Charakters gewählt haben, lässt sich daraus aber noch nicht ableiten.
Einen Hinweis darauf, dass bei weitem nicht alle Wähler:innen der AfD über ein »geschlossen rechtsextremes Weltbild« verfügen – so der immer wieder verwendete Terminus in den vorliegenden Untersuchungen – liefert Sebastian Friedrich in seinem Beitrag Kritik der Rechtsruck-These.2 Friedrich vergleicht drei aktuelle Umfragen aus den Jahren 2022/23, aus denen sich schließen lässt, dass rund 8 Prozent der Befragten dem Faschismus positiv gegenüber stehen. Das ist eine Größenordnung, die sich seit vielen Jahren kaum verändert hat. Auch wenn die Kategorie »geschlossen rechtsextremes Weltbild« unterschiedlich definiert wurde und die Anzahl der Befragten schwankt, so lässt sich daraus kein Trend ablesen, der auf eine wachsende Akzeptanz des Faschismus in Deutschland hindeutet. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass die erste Studie zu Einstellungen in der Bevölkerung in Westdeutschland gegenüber dem Faschismus aus dem Jahr 1980 zu dem erschreckenden Befund führte, dass damals 13 Prozent der Befragten, das entsprach zu der Zeit fünf Millionen Menschen, der Forderung zustimmten: »Wir sollten wieder einen Führer haben …«3
Gemessen daran sind die gut zwei Millionen Wähler:innen der AfD, denen in Untersuchungen der Uni Leipzig ein »geschlossen rechtsextremes Weltbild« bescheinigt worden ist, vergleichsweise wenig.4 Das ist kein Grund zur Entwarnung, zeigt aber, dass das Rennen um die politische Zukunft in Deutschland noch längst nicht verloren ist.
Politische Zäsur
Bei den Landtagswahl 2019 in Sachsen wurde eine alarmierende Entwicklung sichtbar, die sich schon lange vorher auch im Westen abzuzeichnen begonnen hatte. In Sachsen stimmten damals 41 Prozent der Arbeiter:innen und genauso viele unter den Arbeitslosen für die AfD. Eine Autor:innengruppe um Wilhelm Heitmeyer, dem ehemaligen Direktor des Instituts für interdisziplänere Konflikt- und Gewaltforschung und Leiter einer umfangreichen Studie zum Aufstieg der AfD, lieferte die folgende wichtige Erklärung dazu, die bis heute in der Strategiediskussion im Kampf gegen die erstarkende Nazi-Partei zu wenig Beachtung findet:
Betrachtet man die beruflichen Tätigkeiten […] gehören vor allem Arbeiter sowie Arbeitslose zur Wählerschaft, also jene Gruppen, die besonders von Kontrollverlusten über die eigene Biografie betroffen sind oder dies befürchten. […] Die Partei hat mit ihren emotionalisierten Themen in erheblichem Ausmaß bisherige Nichtwählerinnen und Nichtwähler aus ihrer wutgetränkten Apathie an die Wahlurnen geholt. […] Der AfD ist es offensichtlich gelungen, Personen aus ihrer individuellen Ohnmacht herauszuholen und mit kollektiven Machtfantasien auszustatten.5
Genau um diese individuelle Ohnmacht, die hier von Heitmeyer erwähnt wird, geht es. Die AfD füllt ein Vakuum aus, das die traditionelle sozialdemokratische Partei- und Gewerkschaftspolitik nicht erst in den letzten 35 Jahren – aber in diesem Zeitraum mit besonders großer Wirkung – zu verantworten hat. Auf diesen Befund und die damit verbundenen Gefahren ist bereits Mitte der 1990er Jahre vergeblich hingewiesen worden, schlimmer noch: »Diese Kritik wurde damals aggressiv zurückgewiesen«6, so Heitmeyer. Die notwendige offene Auseinandersetzung mit diesem Befund hätte das Eingeständnis von sozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftsfunktionär:innen vorausgesetzt, dass ihr mit dem Stellvertretertum verbundene Anspruch, die sozialen Belange aller abhängig Beschäftigten erfolgreich zu vertreten, schon seit langem nicht mehr von ihnen eingelöst worden ist.
Eine von Jürgen W. Falter, Politikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Verhaltens- und Wahlforschung, veröffentlichte Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung aus dem Jahr 1993, schien auf den ersten Blick entgegen dem Befund von Heitmeyer die These zu bestätigen, dass »[…] die Gewerkschaften auf ihre Mitglieder – übrigens in Ost- und Westdeutschland in ungefähr dem gleichen Ausmaße – nach wie vor eine gegenüber den Rechtsparteien immunisierende Wirkung [ausüben].«7. Danach neigten die Befragten, die eine Bindung zu Gewerkschaften hatten, nur zu 2-6 Prozent im Westen und nur zu 2-4 Prozent im Osten zur Wahl einer »Rechtspartei«.
Diese gegensätzliche Einschätzung zur »immunisierenden Wirkung« einer Gewerkschaftsmitgliedschaft gegenüber der Nazipropaganda erklärt sich daraus, dass eine Mitgliedschaft allein noch nichts über den Entwicklungsstand des individuellen Klassenbewusstseins aussagt. Der Industrie- und Wirtschaftssoziologe Klaus Dörre kommt deswegen, unter Berufung auf Wahlanalysen aus den 1990er Jahren und unter Hinweisen auf weitere Untersuchungen, zu dem Schluss, der sich als richtig erwiesen hat: »Die Gewerkschaftsmitgliedschaft erwies sich lediglich als niedrige Hürde für eine Rechts-Wahlentscheidung.«8 Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass seit langem in den Betrieben, und dort auch an der Gewerkschaftsbasis, eine wachsende Unzufriedenheit mit den Ergebnissen des gewerkschaftlichen und politischen Stellvertretertums zu erkennen gewesen ist, wenn man es denn wahrhaben wollte.
Der Historiker Lutz Raphael beschreibt in seinem Buch Jenseits von Kohle und Stahl, das sich mit der gesellschaftlichen Entwicklung seit dem Ende des Nachkriegsbooms beschäftigt, die Folgen, die das »Bündnis für Arbeit«, das im Zusammenhang mit der Rezession 1992/93 zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften entstanden war, gehabt hat. Dieses Bündnis hatte zum Ziel »[…] Beschäftigung zu sichern, [enthielt] dafür aber im Gegenzug Konzessionen der Belegschaften […]«.9
In Reportagen über westdeutsche Betriebsräte und ihre Arbeit aus den 1990er Jahren, werden solche Situationen anschaulich geschildert. Sie zeigen Betriebsräte, die in ihren Betrieben jene Aufgaben übernahmen die sonst der Unternehmensleitung oder Beratungsfirmen zukam: Sie erstellten Pläne zur Steigerung der Produktivität, waren an der Produktionsentwicklung beteiligt und an der Umstrukturierung der Arbeitsorganisation. Das Ziel war in allen Fällen, den Betrieb zu erhalten, Arbeitsplätze zu sichern oder notwendige Entlassungen zumindest sozialverträglich zu gestalten. Dabei waren Lohnverzicht, das unterschreiten der tariflichen Grenzen in der flexiblen Gestaltung von Arbeitszeiten sowie Weiterqualifikation und Umschulung häufig Teil des Programms.10
In den meisten Fällen blieb es aber nicht bei einmaligen Zugeständnissen. Im »Säurebad der Konkurrenz« – ein sehr treffendes von Karl Marx verwendetes Bild, um eines der grundlegenden Elemente des Kapitalismus zu charakterisieren – sind die sozialen Anliegen der Beschäftigten tendenziell ständig bedroht. Ein besonders perfides Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit ist die erfolgreiche Erpressung der Belegschaft durch das Management im VW-Konzern, mit Unterstützung des Betriebsrates und der IG Metall. Da ist einmal mehr das Gefühl von Ohnmacht entstanden, das von Heitmeyer so eindringlich als Nährboden für das Sympathisieren mit der AfD angeführt worden ist.
Die vom Krisenkorporatismus geprägte Politik der sozialdemokratischen Gewerkschaftsführungen hat eine Entwicklung von Klassenbewusstsein, das einen wirksamen Schutz vor Nazi-Parolen dargestellt hätte, verhindert. Die in Teilen starken Ansätze dazu, die sich während des Nachkriegsbooms bis zum Ende der 1970er Jahre entwickelt hatten, sind durch Repressionen bis hin zu Ausschlüssen unterdrückt worden.11
Die Kanzlerschaft von Helmut Kohl (CDU) stand ab 1982 für das Scheitern des sozialdemokratischen Keynesianismus. Dieser war mit dem Versprechen verbunden, den Kapitalismus zum Wohle aller zähmen zu können. Kohl stand für eine Hinwendung zum Neoliberalismus, der in anderen kapitalistischen Ländern bereits Einzug gehalten hatte und dort die Profitraten beflügelte. Damit verbunden war das Schleifen von sozialen Errungenschaften, die Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen und der Verkauf von öffentlichem Eigentum. An der Krisenanfälligkeit des Kapitalismus änderte sich dadurch nichts. Bei der Bundestagswahl 1998 wurde der »Kanzler der Einheit«, wegen des Ausbleibens der von ihm versprochenen »blühenden Landschaften« im Osten, der wachsenden Arbeitslosigkeit auch im Westen und eines breit diskutierten »Reformstaus«, abgewählt.
Die neuen Hoffnungsträger waren für kurze Zeit SPD und Grüne, die von 1998 bis 2005 die Regierung stellten. Doch es folgte kein zweites »sozialdemokratisches Jahrzehnt«12 mit dem Anspruch, Reformen zugunsten der sprichwörtlichen »kleinen Leute« umzusetzen. Die von Gerhard Schröder verfolgte Politik ist von Anfang an durch den von Nancy Fraser so genannten »progressiven Neoliberalismus«13 geprägt gewesen. Es ging nicht mehr darum, den Anspruch zu vertreten, den Kapitalismus einzuhegen, sondern die Profitraten zu steigern und das mit dem Versprechen zu verbinden, dass dabei für alle etwas abfällt. Schmackhaft gemacht werden sollte die Fortführung des Neoliberalismus der Konservativen beispielsweise mit der Reform zum Staatsbürgerrecht und dem ersten Zugeständnis an gleichgeschlechtliche Paare, sich als eingetragene Lebenspartnerschaft registrieren zu können, um dann rechtlich einer Ehe fast gleichgestellt zu sein.
Tiefpunkt der fortgesetzten neoliberalen Wirtschaftspolitik, unter Einbindung der sozialdemokratischen Gewerkschaftsführungen, waren die sogenannten Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010, die ab 2003 umgesetzt worden sind. Das führte vor allem zum größten Niedriglohnsektor in Europa und damit verbunden einer sich vertiefenden Spaltung in der Arbeiter:innenklasse zwischen Stamm- und Randbelegschaften. Das führte aber auch ab 2004 zur Abspaltung der Wahlalternative soziale Gerechtigkeit (WASG) von der SPD. Motor dieser Parteigründung waren sozialdemokratische Gewerkschaftssekretär:innen, die ihre stellvertreterische Vorstellung von politischer Arbeit mit in die neue Partei übernommen haben und ihr damit ein Handicap mit auf den Weg gaben.
Gefährlicher Trend
Wie eng der Zusammenhang zwischen dem Niedergang der SPD und dem Aufstieg der AfD ist, wurde bei der letzten Bundestagswahl 2025 besonders deutlich. Die hohe Wahlbeteiligung von 82,5 Prozent, seit 1972 immer ein Zeichen für die Mobilisierung von Nichtwähler:innen zugunsten der SPD – liebevoll als »Genosse Trend« verklärt –, ging diesmal mit dem historisch schlechtesten Wahlergebnis der Partei einher. Während es die SPD auf nur 16,4 Prozent der Stimmen brachte, konnte die AfD mit 20,8 Prozent ihren bisher größten Erfolg bei einer Bundestagswahl feiern. Die AfD profitierte besonders von der hohen Wahlbeteiligung. Von ihren 10,5 Millionen Stimmen kamen 2 Millionen aus dem Lager der Nichtwähler:innen und 38 Prozent gaben an, Arbeiter:innen zu sein. Das waren mehr als SPD und CDU zusammen für sich gewinnen konnten.14 Das spiegelt eine dramatische Entwicklung wieder, im Zuge derer die AfD von einigen bereits voreilig zur neuen Arbeiter:innenpartei erklärt wurde.
Die Forschungsgruppe Wahlen lieferte mit ihrer Nachwahlbefragung 2025 klare Hinweise darauf, dass es auch unter Gewerkschaftsmitgliedern erschreckend häufig die AfD gewählt wird. Deren Anteil liegt sogar um ein Prozent über der durchschnittlichen Stimmverteilung für die AfD.
Erstmals fällt die SPD mit 20,6 Prozent in der Gunst der Gewerkschaftsmitglieder hinter CDU (23,2 Prozent) und AfD (21,8 Prozent) zurück. […] Befragt wurden knapp 45.500 Wähler*innen. Die Grünen erhielten von den Gewerkschaftsmitgliedern demnach 10,7 Prozent, Die Linke 10,0 und das BSW 6,3 Prozent. Im Vergleich zum Gesamtwahlergebnis zeigt sich, dass die SPD (plus 4,2 Prozent), die AfD (plus 1) und Die Linke (plus 1,2) unter Gewerkschaftsmitgliedern besser abschnitten. Bei der Bundestagswahl 2021 wählten noch 32,1 Prozent der Gewerkschafter*innen die SPD, die CDU kam auf 18,6 und die AfD auf 12,2 Prozent. Während die Sozialdemokrat*innen also um 11,5 Prozentpunkte einbrachen, konnten die Christdemokrat*innen (plus 4,6 Prozent) und die AfD (plus 9,6) zulegen.15
Das ist besonders alarmierend und zugleich auf den ersten Blick irritierend, weil das Programm der AfD darauf abzielt, die Gewerkschaften als Interessenvertretung aller abhängig Beschäftigten über Tarifverträge in einer Branche auszuhebeln. Diese sollen dann ausschließlich durch eine betriebliche Interessenvertretung ersetzt werden, um den Interessenskonflikt zwischen Kapital und Arbeit völlig einzuebnen. Das käme einer auf die Spitze getriebenen Sozialpartnerschaft gleich.
Klaus Dörre, der seit vielen Jahren zu dem Einfluss der AfD unter den abhängig Beschäftigten und darunter auch den Gewerkschaftsmitgliedern forscht, hat in einem Interview kurz nach der letzten Bundestagswahl versucht, das Paradoxon so aufzulösen:
Viele fragen sich: Sind die verrückt, diese Arbeiter? Aber die sehen das völlig anders. Sie identifizieren ihre Interessen mit dem Wohl des Unternehmens. Es handelt sich hier um einen Wirtschaftsliberalismus, den die AfD immer betont hat. In der VW Krise etwa hat die AfD den Arbeitern bei VW in Zwickau gesagt: Das war die Planwirtschaft von VW, die in die Krise geführt hat! Wir haben es euch doch gleich gesagt. Das mit der E-Mobilität wird nichts, das ist die Ausgeburt von globalistischen Eliten, die die deutsche Industrie kaputt machen wollen. Und dann tritt Letzteres ein; die Nachfrage nach E-PKW geht in den Keller. Dazu kommt, das ist wieder typisch bei diesem VW-Kompromiss: Als erstes wird wieder im Osten abgebaut. Diesem Werk in Zwickau werden zwei Produktionslinien genommen und man weiß noch nicht, was kommt.16
Die Identifikation mit dem Unternehmen und die Kritik an den vermeintlichen Fehlern des Managements, in einem Bestseller als Nieten in Nadelstreifen17 verspottet, sind noch nichts Besonderes. Das entspricht dem Selbstverständnis nicht nur aller Spitzenfunktionär:innen der Gewerkschaften, sondern auch der meisten Mitglieder und war die Grundlage für das Bündnis für Arbeit. Entscheidend ist hier der Hinweis, dass die Folgen der kapitalistischen Profitwirtschaft zuerst im Osten spürbar werden und es kein solidarisches Zusammenrücken aller Belegschaften der verschiedenen Standorte gibt – darunter eben auch der im Westen –, um sich gemeinsam gegen das Abwälzen von Krisenfolgen auf ihren Rücken zu wehren.
Das hat seit der Deindustrialisierung Ostdeutschlands durch die Treuhand eine böse Tradition. Das bereits vorher in Westdeutschland verinnerlichte Standortdenken der Industriegewerkschaften fand hier seine Fortsetzung. Dramatischer Höhepunkt war 1993 der Hungerstreik von Bergleuten in Bischofferode. Die Kali + Salz AG aus Westdeutschland hatte die benachbarten Gruben in Ostdeutschland übernommen, um sie dann zum eigenen Vorteil zu schließen. Es folgten Demonstrationen und Kundgebungen, die bundesweit für Aufsehen sorgten. Trauriger Höhepunkt war ein Hungerstreik von einem Teil der Belegschaft, während sich die zuständige Industriegewerkschaft – die IG BCE – während des erbitterten Kampfes passiv verhielt.
Die damals den Kumpeln versprochenen Ersatzarbeitsplätze, die dem Protest die Spitze nehmen sollten, sind bis heute nicht entstanden. Auch diese Erfahrungen wirken bis heute nach: »[…] im Zeitraum von 1994 bis 2009 [verschwanden] sage und schreibe 850.000 Arbeitsplätze in der Industrie, was einen Rückgang um 83 Prozent bedeutete. Die Arbeitslosenquoten lagen bis 2005 zwischen 15 und 19 Prozent.«18
In unguter Erinnerung wird vielen auch noch der viel jüngere Konflikt in der IG Metall sein, der 2003 infolge der Niederlage im Kampf um die 35-Stundenwoche in der ostdeutschen Metallindustrie ausbrach. Dabei spielten die befürchteten Auswirkungen auf die westdeutsche Automobilindustrie eine große Rolle. Die Arbeitgeberseite schürte diese Ängste und drohte beispielsweise bei BMW im Westen, infolge von ausbleibenden Zulieferungen aus dem Osten, mit Kurzarbeit. Das führte zu einer Entsolidarisierung im Westen mit dem Streik und führte zu einer bitteren Niederlage, der sich zahlreiche Austritte anschlossen.19
Nicht nur, aber vor allem die ostdeutschen Industriestandorte sind nach der Wiedervereinigung zu einem Labor geworden, in dem die verschiedenen Möglichkeiten zur Steigerung der Profitrate ausgetestet und anschließend umgesetzt worden sind. Tarifverträge sind hier seltener als im Westen und wenn es doch einen gibt, dann ist die Entlohnung im Osten trotzdem niedriger. Die Spaltung der Arbeiter:innenklasse in Stammbelegschaften, Leiharbeitende und Beschäftigte mit Werkverträgen ist noch weiter fortgeschritten als im Westen. Das alles ist nicht ohne politische Folgen geblieben.
Die AfD hat deswegen unter den Arbeiter:innen in der Region Ostdeutschlands, in der Automobilwerke und deren Zulieferindustrie konzentriert ist, bei der letzten Bundestagswahl eine besonders hohe Zustimmung erfahren. Die Gewerkschaften sind im Bewusstsein vieler AfD-Wählenden ein Teil des Establishments, das in Verhandlungen hinter verschlossenen Türen ein Co-Management auf ihre Kosten betreibt und seine Privilegien verteidigt. Das gilt aber nicht nur für den Osten, sondern grundsätzlich auch für den Westen. Die AfD konnte vor allem dort dazu gewinnen, wo Arbeitsplätze in der Industrie entweder verloren gegangen oder bedroht sind.
Der westdeutsche Wahlkreis, in dem die AfD bei der Bundestagswahl ihr bestes Ergebnis erzielte, liegt in einer der wohlhabendsten Gegenden der Republik. Tuttlingen-Rottweil hat beste Perspektiven, viele Jobs und überdurchschnittlichen Wohlstand. Mehr als 27 Prozent der Erststimmen holte der AfD-Kandidat hier. […] Bei vielen Autozulieferern, die dort sitzen, prägen seit fast drei Jahren Kurzarbeit, Entlassungen oder drohende Entlassungen den Alltag. Das macht etwas mit den Menschen, auch wenn sie objektiv wohlhabend sind. Dieses Beispiel ist relevant, weil sich das Phänomen auf den gesamten Südwesten der Bundesrepublik auszuweiten droht. Ende vergangener Woche waren es 13.000 zusätzliche Stellen, die zu den 9.000 ohnehin schon angekündigten bei Bosch wegfallen sollen. Über den Sommer waren es 14.000 beim am Bodensee ansässigen Zulieferer-Konzern ZF, die in Gefahr sind, 1.200 bei der Porsche-Batteriezellen-Tochter Cellforce, die schon entfallen sind, und weitere mindestens 1.900, die bis 2029 im Gesamtkonzern entfallen sollen. Im Südwesten verschwinden gerade Industriearbeitsplätze im Rekordtempo.20
Systemkritik von rechts
Dem Krisenkorporatismus der Industriegewerkschaften liegt das Versprechen zugrunde, dass sich Zugeständnisse irgendwann auszahlen oder sich die Folgen von Krisen wenigstens spürbar für alle abfedern lassen. Die damit verbundenen Erwartungen sind immer wieder enttäuscht worden. Die gleiche Erfahrung ist auch mit der sozialdemokratischen Regierungspolitik verbunden, die mit einer Sozial-, Wirtschafts- und Steuerpolitik zulasten der abhängig Beschäftigten der kapitalistischen Profitwirtschaft immer wieder auf die Beine helfen will.
Beides zusammen ermöglicht es der AfD mit der Erzählung, dass die DGB-Gewerkschaften zusammen mit den »Altparteien«21 Teil des politischen Establishments seien, einen Nährboden für ihre Ideologie zu schaffen, nach der es keine Klassengegensätze, sondern nur eine Volksgemeinschaft gäbe. Eine Volksgemeinschaft, die sich vom Establishment und den von ihm ins Land geholten Migrant:innen befreien muss, um über einen »solidarischen Patriotismus«22 von der AfD in eine bessere Zukunft geführt zu werden.
Und auch Björn Höcke bringt seine Grundgedanken zu einer exkludierenden Sozialstaatlichkeit zum Ausdruck, wenn er schreibt: »Die soziale Frage der Gegenwart ist nicht primär die Verteilung des Volksvermögens von oben nach unten, unten nach oben, jung nach alt oder alt nach jung. Die neue deutsche Soziale Frage des 21. Jahrhunderts ist die Frage nach der Verteilung des Volksvermögens von innen nach außen.«23
Das Versprechen von einem »Kapitalismus für alle«, für den die Sozialdemokratie und der katholische Arbeitnehmerflügel in der CDU bis Ende der 1970er Jahre mit ihren sozialpolitischen Reformen standen, ist ab den 1980er Jahren nach Ende des Nachkriegsboom von dem Versprechen des Neoliberalismus abgelöst worden, dass wenn die Profite kräftig steigen, irgendwann für alle etwas abfällt. Viele schmerzhafte Erfahrungen haben den von leeren Versprechen enttäuschten Menschen gezeigt, dass sich das Streben nach möglichst hohen Profiten mit dem Versprechen eines »Kapitalismus für alle« nicht in Einklang bringen lässt. Das hat zu einer wachsenden Entfremdung gegenüber unserem kapitalistischen Gesellschaftssystem geführt.
Die schwindende Zustimmung zum aktuellen System seitens der Bevölkerung ist ein weiterer Ausdruck von Ansätzen einer Hegemoniekrise. 1992 wurde mit Kapitalismus weitaus mehr Positives assoziiert als im Jahr 2012. Verbanden mit ihm Anfang der 1990er Jahre noch 48 Prozent der Befragten »Freiheit«, waren es 2012 nur noch 27 Prozent, an »Fortschritt« dachten 1992 immerhin 69 Prozent, 2012 lediglich noch 38 Prozent. Dagegen stieg die gedankliche Verbindung zu »Ausbeutung« von 66 auf 77 Prozent.24
Die schwindende Zustimmung bleibt nicht beim Wirtschaftssystem als Basis unserer Gesellschaft stehen, sondern erfasst auch deren politischen Überbau, der als Demokratie verstanden werden will und in dem Parteien eine zentrale Rolle spielen.
Das Vertrauen in Parteien wächst mit dem Einkommen: Insbesondere Bürger mit niedrigem sozioökonomischen Status vertrauen politischen Parteien weniger. So haben beispielsweise über 40 Prozent der Befragten mit einem Haushaltsnettoeinkommen von unter 3.000 Euro kein Vertrauen in politische Parteien, während dies bei Menschen mit einem Einkommen über 3.000 Euro deutlich weniger als 30 Prozent sind.25
Der Soziologe Andreas Reckwitz, Autor einer Untersuchung mit dem Titel Verlust. Ein Grundproblem der Moderne zieht daraus den folgerichtigen Schluss:
Dieser Widerspruch [zwischen Fortschrittsversprechen und Verlusterfahrungen] birgt Potenzial für ein Legitimationsproblem des politischen Systems. Von der liberalen Demokratie erwarten viele Bürger, dass die Politik ihnen Berechenbarkeit und Fortschritt bringt. Die Demokratie ist für sie also gar nicht unbedingt Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck.26
Diskreditierter Sozialismus
An der schwindenden Zustimmung zum kapitalistischen Gesellschaftssystem kann die AfD mit ihrer Systemkritik von rechts um so leichter anknüpfen, weil mit dem Untergang des »real existierenden Sozialismus« in den Köpfen der Mehrheit der Menschen auch die Alternative zum Kapitalismus untergegangen ist. Die dringend notwendige tiefere Auseinandersetzung mit dem Charakter der DDR und der Sowjetunion findet in unserer Gesellschaft gar nicht oder nur oberflächlich statt.
Die Vorstellung von einem »Sozialismus von unten« liegt tief unter ideologischen Trümmern begraben. Die Analyse zum Entstehen und den Grundlagen der Klassengesellschaft in Russland nach 1917 – die Staatskapitalismustheorie27 von Tony Cliff, die in Teilen der revolutionären Linken eine wichtige Rolle spielt und zu heftigen Kontroversen geführt hat – findet keine Erwähnung, geschweige denn eine Würdigung. Stattdessen folgt die Debatte um das Scheitern des real existierenden Sozialismus dem Postulat, dass Lenin zu Stalin führen musste.
Bini Adamczak, eine in der Linken viel gelesene Autorin, steht mit ihrer Sicht auf Lenin beispielhaft für viele. In Beziehungsweise Revolution schreibt sie:
Das Bemühen, die Polyphonie [Vielstimmigkeit] der Revolution auf Linie zu bringen – auf die Parteilinie der ZK-Diktatur oder auf die des kommunistischen Fabrikdirektors –, hatte Lenin bereits im April 1918 ohne jeden Versuch der Tarnung preisgegeben. Seine taktisch-programmatische Schrift Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht, die Gehorsam gegenüber den »Diktatoren«, Einsatz »bürgerlicher Spezialistinnen«, Leistungslöhne, sozialistischen Wettbewerb und Ähnliches vorsah und dies offen als »Staatskapitalismus« nach deutschem Vorbild bezeichnete, muss als zentrales Dokument der Lenin’schen Konterrevolution angesehen werden.28
Adamczaks Kritik basiert auf Schlagworten, die völlig aus dem Zusammenhang gerissen sind. Sie vertraut darauf, dass sich niemand die Mühe macht, die von ihr angeführte Schrift selbst zu lesen, da sie ein heute sehr verbreitetes Vorurteil bedient. Die Schrift Lenins Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht, auf die sich hier bezieht, beginnt mit einer ausführlichen Analyse der sozialen und politischen Lage der Russischen Sowjetrepublik. Die Lage war kurz nach dem Friedensschluss von Brest-Litowsk verheerend. Die Versorgungslage der Bevölkerung war katastrophal und die gestürzte Bourgeoisie versuchte zusammen mit den Anhänger:innen des Zarismus die Macht zurückzuerobern. Dazu gehören die Sabotage von Produktions- und Verwaltungsprozessen, die Demontage von Industrieanlagen und der florierende Schwarzmarkt, auf dem auch Werkzeug aus den Fabriken verkauft worden ist.
Um dem Notstand Herr zu werden war das Ziel der Bolschewiki »die Organisierung einer strengen und vom gesamten Volk ausgeübten Rechnungsführung und Kontrolle über die Produktion und Verteilung der Produkte.«29 Um dieses Ziel zu erreichen, wurde auch auf Spezialist:innen zurückgegriffen, die mit der Revolution sympathisierten. Das Ziel war zunächst das politische Überleben der Revolution zu sichern. Die von Lenin entwickelten weitergehenden Vorstellungen für die Zeit nach dem Bürgerkrieg – beispielsweise der Vorschlag den Taylorismus zu studieren, um nach Möglichkeiten zu suchen die Arbeitsproduktivität zu erhöhen oder den wirtschaftlichen Wettbewerb als Möglichkeit der Leistungssteigerung zu berücksichtigen – sind von ihm immer mit der nicht verhandelbaren Einschränkung verbunden gewesen, dass die Arbeiter:innenklasse das vorher diskutieren und auch verwerfen können müsse. In jedem Fall müsse eine denkbare Durchführung immer unter ihrer Kontrolle stattfinden.
Nur vier Tage vor der Veröffentlichung seiner Vorstellungen hatte Lenin in einer Rede vor dem Moskauer Sowjet indirekt auf die ökonomische Rückständigkeit des Landes und die damit verbundene Gefahr hingewiesen, dass die Revolution in Russland scheitern könnte, wenn sie isoliert bliebe:
Wir werden beim endgültigen Sieg erst dann anlangen, wenn es uns schließlich gelingt, den internationalen Imperialismus, der sich auf die grandiose Kraft der Technik und der Disziplin stützt, endgültig zu überwältigen. Aber wir werden den Sieg nur zusammen mit den Arbeitern der anderen Länder, der ganzen Welt erlangen.30
Die Revolution blieb isoliert und es folgte eine blutige Konterrevolution unter Führung von Stalin, der den Aufbau des »Sozialismus in einem Land« propagierte. Das politische Erbe der letztlich gescheiterten russischen Revolution ist bis heute eine schwere Bürde für die revolutionäre Linke.
So mangelt es heute nicht an Analysen, die die Krisenanfälligkeit des Kapitalismus zeigen, die sozialen Verwerfung für die er verantwortlich ist zu brandmarken oder die seine Unfähigkeit, einen wirksamen Klimaschutz umzusetzen, belegen. Es mangelt an einer überzeugenden und damit mehrheitsfähigen Vorstellung in der Arbeiter:innenklasse, wie die Alternative zum Kapitalismus aussehen kann. Erschwerend kommt hinzu, dass die Arbeiter:innenklasse infolge der sozialdemokratischen Stellvertreterpolitik als selbstständig handelndes revolutionäres Subjekt nur für kurze Momente in den zurückliegenden Jahrzehnten sichtbar gewesen ist. Damit hat sich ein Einfallstor für grundlegende Zweifel am Marxismus geöffnet.
Für Axel Honneth, ein prominenter Vertreter der Frankfurter Schule, sind die zentrale Stellung der Arbeiter:innenklasse als revolutionärem Subjekt und die Vorstellung, dass nach einer proletarischen Revolution eine sozialistische Planwirtschaft die Profitwirtschaft ablösen könnte, ein im »traditionellen« Marxismus angelegter Fehler, der ihn für die Entwicklung von einer besseren Welt jenseits des Kapitalismus untauglich macht. Damit trifft er bei Vielen, auch auf der Linken, einen Nerv.
Der »traditionelle« Marxismus ist nach seiner Meinung im Grundsatz daran gescheitert, dass er von der Annahme ausgehe, historische Prozesse würden festen Gesetzmäßigkeiten folgen, die vom Klassenkampf bestimmt werden. »Aufgrund des Glaubens an einen gesetzmäßigen Verlauf der Geschichte [von Marx] bestand von vornherein Klarheit darüber, worin der nächste Schritt zur sozialen Veränderung zu bestehen hatte […]«31
Doch weder Marx noch Engels sind jemals von einem gesetzmäßigen Verlauf der Geschichte ausgegangen. Beiden war bewusst, dass die Entwicklung zu revolutionärem Klassenbewusstsein kein Selbstläufer ist, sondern hart erarbeitet werden muss und auch misslingen kann. Der folgende aktuelle Debattenbeitrag, der sich mit dem Aufstieg der AfD und dem mangelnden Klassenbewusstsein als einer Ursache auseinandersetzt, fasst das sehr anschaulich zusammen:
Entgegen einer Verballhornung der Marxschen politischen Analysen, der zufolge sich das politische Klassenbewusstsein von Proletariat und Bourgeoisie gleichsam »automatisch« aus ihren sozialen Positionen ergebe, analysierte Marx – und nach ihm viele marxistische Untersuchungen – auch die Prozesse scheiternder Bewusstseinsformierung, als misslingender Übersetzung von objektivem Klasseninteresse in politisches Klassenhandeln, oder die Überlagerung von Klassen- durch andere Identitäten, etwa religiöser, ethnischer oder nationaler Art.32
Die misslungene »Übersetzung von objektiven Klasseninteressen in politisches Klassenhandeln«, die hier angesprochen wird, ist ein Charakteristikum des sozialdemokratischen Krisenkorporatismus und der damit verbundenen defensiven Grundeinstellung der Gewerkschaftsbewegung parallel zum Erstarken des Neoliberalismus.
Diese Politik und die ausgebliebene Abrechnung mit dem Stalinismus durch weite Teile der Linken hat dazu geführt, dass die Arbeiter:innenklasse als potentielles revolutionäres Subjekt, und damit verbunden der Marxismus als »idealistische Geschichtsphilosophie«, abgetan werden kann:
Während die idealistische Geschichtsphilosophie hinsichtlich der Auswirkungen der gesellschaftlichen Entwicklung auf das individuelle Glück einigermaßen zurückhaltend war, wird diese Grenze in der Spätmoderne also gesprengt. […] Die Kultivierung der individuellen Entfaltungshoffnungen kompensiert in der Spätmoderne den Legitimationsverlust der gesellschaftlich-politischen Utopien. […] An die Stelle der einen für alle geltenden, kollektiven Zukunft tritt eine Vielzahl völlig unterschiedlicher Zukünfte.33
Der Soziologe Andreas Reckwitz konstruiert hier einen Gegensatz zwischen dem Wunsch nach individuellen Entfaltungsmöglichkeiten und kollektiven Lösungen und verbindet das mit einer Kritik am Marxismus. Dabei sind die kollektiven Lösungen für die Befriedigung aller zum Leben gehörenden Bedürfnisse die Voraussetzung für die individuelle Entfaltung jedes Einzelnen. Viele identitätspolitischen Ansätze folgen dem von Reckwitz konstruierten Gegensatz. Deren Vertreter:innen finden deswegen nur in Ausnahmefällen zueinander, um gemeinsam gegen Diskriminierung, Unterdrückung oder für soziale Anliegen zu kämpfen. Das zeigt wie groß die Leerstelle ist, die der diskreditierte Sozialismus hinterlassen hat.
Politische Giftmischer
Diese Schwäche ist unter anderem von Sarah Wagenknecht34 aufgegriffen worden, um die berechtigten Anliegen im Kampf gegen Diskriminierungen aller Art als »woke« Themen zu diffamieren und beiseitezuschieben. Das wird mit der Behauptung verbunden, dass damit Wähler:innen aus der Arbeiter:innenklasse in die Arme der AfD getrieben werden, weil diese in allen Fragen der Diskriminierung tendenziell eher konservativ bis reaktionär eingestellt seien. Marc Saxer, Mitglied der SPD Grundwertekommission, schreibt in diesem Zusammenhang von einer »intersektionale[n] Minderheitenallianz«, die die »sozial-konservative Arbeiterschaft an die Rechtspopulisten« verlieren würde.35
Das ist aber so pauschal wie falsch und schlimmer noch, es werden mit dieser Behauptung Vorurteile gegenüber der Arbeiter:innenklasse bedient, die eine solidarische Diskussion zum Umgang mit »woken« Themen außerhalb der linken Szene oder der eigenen Community erheblich erschweren. Ein Blick über den eigenen Tellerand kann da sehr hilfreich sein:
Das populäre […] Narrativ eines mehrheitlich homophoben und chauvinistischen Arbeitermilieus muss korrigiert werden. Die Einstellung zur Homosexualität und zu Transpersonen sind weniger sozial strukturiert, als man vermuten würde. Auch wenn Unterschiede bleiben: Die gesellschaftspolitische Liberalisierung ist ein Massenphänomen in Stadt, und Land, in den oberen und unteren Schichten, in den verschiedenen Generationen. […] In unserer Studie zeigt sich, dass Vorbehalte gegenüber Diversität vor allem dann artikuliert werden, wenn Anerkennung über ein reines Hinnehmen (»Jeder nach seiner Fasson«) hinausgehen soll.36
Zu den Mängeln in der kritischen und gründlichen Auseinandersetzung mit dem Sozialismus von oben, für den die SPD und auch der Stalinismus immer noch stehen, kommt die Politik der Linkspartei, die ihre Kapitalismuskritik bisher nur in Ausnahmefällen mit einer überzeugenden politischen Praxis verbunden hat. Die Regierungsbeteiligungen der Linkspartei, ohne vorher »rote Haltelinien« zu definieren und diese auch einzuhalten, haben in der Vergangenheit immer wieder dazu geführt, dass sich die Partei als konsequente Interessenvertretung der Arbeiter:innenklasse unglaubwürdig gemacht hat.
Zunächst die PDS und nach dem Zusammenschluss mit der WASG 2007 die Linkspartei ist viele Jahre nach der Wiedervereinigung zunächst erfolgreich als Regionalpartei in Ostdeutschland aufgetreten und wahrgenommen worden. Die Rolle als Regionalpartei hat im Osten inzwischen die AfD inne.37 Im Westen ist die Linkspartei dagegen vergleichsweise schwach aufgestellt gewesen, was sich erst mit dem Zulauf der vielen neuen Mitglieder zu Beginn 2025 veränderte.
Damit ist die Orientierung auf den Parlamentarismus nicht obsolet, das Ringen um die politischen Perspektiven jenseits der Wahlurnen ist aber offener geworden. Die ersten guten Erfahrungen mit den Haustürgesprächen und den Versuchen, die Menschen darin zu bestärken ihre Interessenvertretung selbst in die Hand zu nehmen, haben gezeigt, dass der Kampf um die Köpfe derer, die von ohnmächtiger Wut erfüllt sind, erst richtig begonnen hat und erfolgreich sein kann.
Rassifizierung des Sozialen
Es gibt also keinen automatischen Zusammenhang zwischen einer als ungerecht wahrgenommenen, sich tendenziell immer weiter verschlechternden Lebens- und Arbeitssituation von immer mehr Menschen und dem Erstarken der AfD. Deswegen darf die These: »Weil es aussichtslos erscheint, als ungerecht empfundene Verteilungsverhältnisse grundlegend zu korrigieren, neigen Lohnabhängige spontan dazu, Auseinandersetzungen zwischen oben und unten in Konflikte zwischen innen und außen umzudefinieren.«38, nicht so missverstanden werden, dass es einen direkten Weg vom Gefühl der Ohnmacht zu einem wachsenden Rassismus gäbe, an dem dann die AfD nahtlos anschließen kann.
Eine Welle der Hilfsbereitschaft begleitete 2015 anfänglich die vielen nach Deutschland vor dem Bürgerkrieg in Syrien flüchtenden Menschen. Die massiven Übergriffe vor allem gegenüber Frauen in der Kölner Silvesternacht 2015/16 durch meist junge Männer mit Migrationsgeschichte heizte die kontroverse Diskussion um die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel kräftig an. Das verunsicherte viele, die bis dahin den Geflüchteten helfen wollten. Im Vordergrund stand nach den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht die pauschale Stigmatisierung von jungen muslimischen Männern, denen eine höhere Gewaltbereitschaft und ein chauvinistisches Frauenbild unterstellt wurde. Die Ereignisse in Köln lassen sich nicht beschönigen, haben aber eben auch deutlich gemacht, dass die deutsche Mehrheitsgesellschaft große Defizite in der Integration von geflüchteten oder zugewanderten Menschen zu verzeichnen hat.
Der Kriminologe und Psychologe Rudolf Egg hat im Auftrag der nordrhein- westfälischen Landesregierung ein Gutachten zu den Straftaten in der Silvesternacht verfasst, in dem das Versagen der Polizei beim Schutz der betroffenen Frauen eine zentrale Rolle spielt. Darin wird auch die Dynamik angesprochen, die dadurch ausgelöst worden ist und die sich unabhängig von der Herkunft der daran Beteiligten auch bei anderer Gelegenheit durchsetzen kann:
Den größten Fehler sieht Egg bereits früh am Abend. Zu Beginn habe die Menge wohl das Gefühl gehabt, »Teil einer großen und weitgehend anonymen Masse von Menschen zu sein, die keiner oder jedenfalls keiner sehr großen sozialen Kontrolle unterliegt». Dass erste Straftaten ohne nennenswerte Konsequenzen blieben, habe andere ermuntert, Ähnliches zu tun.39
Die Ereignisse in Köln und die rassistisch geprägte Debatte, die dadurch ausgelöst worden ist, hat der AfD 2016 ihre ersten großen Wahlerfolge beschert. Es sind die politisch Verantwortlichen, die die Migration, so wie Horst Seehofer 2018, zur »Mutter aller Probleme« erklären, um vom eigenen politischen Versagen in der Integrationspolitik abzulenken. Alle Versuche, die AfD durch das Kopieren ihrer rassistischen Parolen zu schwächen, sind immer wieder gescheitert und werden trotzdem ständig wiederholt. So wie Friedrich Merz, der sich mit der jüngst von ihm losgetretenen Diskussion um das Stadtbild erneut als Brandstifter betätigt.
Auch Thilo Sarrazin40 ist so ein Brandstifter. Sein Bestseller Deutschland schafft sich ab, der 2010 erschienen ist und – trotz harter wissenschaftlicher Kritik an seinen menschenverachtenden Entgleisungen gegenüber Migrant:innen – innerhalb kürzester Zeit millionenfach verkauft wurde, hat gezeigt, dass eine große Zahl an Menschen in unserer Gesellschaft rassistische Polemiken begierig aufgreifen. Dabei handelt es sich nicht nur um Industriearbeiter, die um ihren Arbeitsplatz fürchten und sich dieser Gefahr hilflos ausgeliefert fühlen. Die Süddeutsche Zeitung41 ist, nachdem das Buch reißenden Absatz fand und für heftige Kontroversen sorgte, der Frage nachgegangen, wer eigentlich die vielen Menschen waren, die dieses Machwerk kauften. Es zeigte sich, dass vor allem leistungsorientierte, gut ausgebildete Besserverdiener und Aufsteiger – mehrheitlich Männer mit einem konservativen Weltbild – die Leser:innenschaft bildeten.
Die drei Jahre später 2013 gegründete AfD dürfte für viele genau dieser Leser:innen ein interessantes politisches Angebot gewesen sein. Sarrazin hat vorgemacht, wie man die Kritik an den Defiziten in der Sozial-, Bildungs- und der damit verbundenen Integrationspolitik so umlenkt, dass der von ihm unterstellte biologisch und kulturell bedingte Unwillen der Migrant:innen und nicht der Mangel an zur Verfügung gestellten finanziellen Ressourcen zur Ursache erhoben wurde. Eine Steilvorlage für die AfD, die so wie Alice Weidel im Bundestag von »Kopftuchmädchen« und »Messerstechern« als gesellschaftliches Problem giftet, dem nur mit einer Remigration beizukommen wäre.
Die vielgelesene Studie Triggerpunkte42 kommt mit Blick auf die Migrationspolitik dagegen zu dem Ergebnis, dass die politische Interpretation von gesellschaftlichen Problemen entscheidend dafür ist, in welche Richtung nach Lösungsansätzen gesucht wird.
Die politische Grammatik von Arbeiterinnen und Arbeitern lässt sich aber trotz größter Migrationsskepsis nicht auf einen Rechtsdrift reduzieren: Vielmehr zeigt sich ein ausgeprägtes Unrechtsbewusstsein aufgrund verletzter Leistungs- und Anerkennungsvorstellungen, welches sich vielfach in Form einer exkludierenden Konkurrenz zu vermeintlich Trittbrettfahrenden Migranten äußert. Allerdings kann sich daraus ein kohärentes, ideologisches Weltbild der Xenophobie und des Chauvinismus formen.43
Ob der Rassismus weiter an Boden gewinnt und sich auf dieser Grundlage gar ein faschistisches Weltbild entwickelt, ist ein Kampf um die Köpfe der Menschen, der nicht allein mit antirassistischer Aufklärungsarbeit gewonnen werden kann. Es muss dazu vorher durch erfahrbare Solidarität im Betrieb und der Nachbarschaft die Bereitschaft zum Umdenken geweckt werden. Die Autoren einer sehr umfangreichen Studie zu der Bedeutung von betrieblicher Mitbestimmung für die Immunisierung gegenüber der AfD kommen zu folgendem Fazit, das Mut machen kann:
Trotzdem und gerade deswegen gilt es, hiergegen eine beteiligungs-, konflikt- und mobilisierungsorientierte Mitbestimmungskultur zu setzen. Durch die Erfahrungen von Solidarität, (kollektiver) Wirksamkeit und politischer Gestaltung kann dem arbeitsweltlichen Ohnmachtserleben und seinen regressiven Bearbeitungsformen entgegengewirkt werden […]44
Fazit
Die AfD kann mit ihrer Systemkritik von rechts deswegen so erfolgreich punkten, weil der sozialdemokratische Reformismus in den Parlamenten und Gewerkschaften mit seinem Versprechen eines »Kapitalismus für alle« stark an Boden verloren hat und immer weiter verliert. Damit ist ein großer Teil der Arbeiter:innenklasse politisch heimatlos geworden. Anders als 1929 haben wir es gegenwärtig noch nicht mit einer Wirtschaftskrise zu tun, die sehr viele Menschen in den sozialen Abgrund reißt. Wir sind mit einem schleichenden Krisenprozess des Kapitalismus konfrontiert, der mal ganz offen – so wie in der Krise 2007-08 – oder eher verdeckt – weil es ein konjunkturelles Zwischenhoch gibt – abläuft. Das bietet der Linkspartei eine zweite Chance, um aus den eigenen Fehlern in der Vergangenheit zu lernen und so die Voraussetzung zu schaffen, einen wichtigen Beitrag zum Zurückdrängen der AfD zu leisten.
Die Diskussion um Alternativen von links ist notwendiger denn je. Dem sozialdemokratischen Reformismus – der in seiner linken Variante auch in der Linkspartei zuhause ist – seinen Verrat und Scheitern vorzuhalten, ist das Eine. Aber damit ist noch keine überzeugende gesellschaftliche Alternative verbunden. Diese kann nur entstehen, wenn deutlich geworden ist, dass weder die Planwirtschaft in der DDR noch die Arbeitslager in der ehemaligen UdSSR etwas mit Sozialismus zu tun hatten. Es geht um einen Sozialismus von unten, der nur als eine Folge der Selbstbefreiung der Arbeiter:innenklasse durch Selbstermächtigung verstanden werden kann.
Es stimmt nicht, wie immer wieder behauptet wird45, dass es heute grundsätzlich keine Bereitschaft mehr gäbe, sich zusammen mit anderen Menschen zu organisieren, um sich für die eigenen Interessen einzusetzen. Es gibt für gesellschaftliche Entwicklungen keinen Automatismus, den Oliver Nachtwey erkannt haben will: »Die Ausdifferenzierung der Sozialstruktur sowie die Individualisierung der Lebensführung haben die Gletscher der alten kollektiven Großorganisationen wie Parteien und Gewerkschaften abschmelzen lassen.«46 Politische und gewerkschaftliche Organisierung sind in der Arbeiter:innenbewegung nie einem Automatismus gefolgt, sie waren immer die Folge einer mühsamen Überzeugungsarbeit des klassenbewusstesten Teils der Klasse gegenüber dem Rest. Die Bedingungen, unter denen sie geschieht, sind nie gleich, mal sind sie günstig, mal nicht.47
Diese Überzeugungsarbeit wird aber nur auf sich genommen, wenn es eine glaubhafte und damit nachvollziehbare Perspektive im alltäglichen Handeln gibt, verbunden mit der Hoffnung, so dem Ziel der Beseitigung des Kapitalismus näher zu kommen. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad erhöht sich heute immer dort, wo das Stellvertretertum an Bedeutung verliert und die Beschäftigten die Chance bekommen, sich selbst zu ermächtigen und die Bedeutung von Solidarität untereinander zu erfahren. Nur mit dieser erfahrbaren Klassensolidarität wird der AfD-Propaganda der Nährboden entzogen.
Es hat auf der Linken viele Jahre lang keine überzeugende Kraft gegeben, die die Bereitschaft zum Widerstand gegen die Folgen der kapitalistischen Profitwirtschaft aufgreift und unterstützt, anstatt sie im Rahmen einer Regierungsbeteiligung, ohne das vorherige Definieren und Einhalten von Haltelinien, zu verraten. Es sind erste Anzeichen sichtbar, dass sich das zu ändern beginnt. Das ist letztlich die alles entscheidende Voraussetzung, dass der Kampf um die Köpfe der Menschen auf der Straße, in den Betrieben und in der Nachbarschaft erfolgreich geführt werden kann.
Jürgen Ehlers, November 2025
Quellen:
1Karl Marx und Friedrich Engels, Das Manifest der kommunistischen Partei [1848], MEW Bd. 4, Berlin 1972, S. 459-493.
2Sebastian Friedrich, Kritik der Rechtsruck-These, in: Hrsg.: Lia Becker und Mario Candeias, Vom Horror zur Hoffnung, luxemburg beiträge Nr. 24, Berlin 2024, S. 55-56.
3SINUS-Studie 1980 im Auftrag der Bundesregierung unter Helmut Schmidt (SPD), veröffentlicht von [Hrsg.] Freimut Duve, Hamburg 1981
4https://www.rnd.de/politik/afd-waehler-maennlich-wenig-gebildet-und-haeufig-arbeitslos-https://www.rnd.de/politik/afd-waehler-maennlich-wenig-gebildet-und-haeufig-arbeitslos-SZOFU4HNDJN2ZLIMAPVITYF3M4.html (Untersuchungsergebnis: 22 Prozent der Befragten verfügen über ein »geschlossen rechtsextremes Weltbild«, Wählerstimmen der AfD absolut 10,8 Millionen)
5Wilhelm Heitmeyer, Manuela Freiheit, Peter Sitzer, Rechte Bedrohungsallianzen, Berlin 2020, S. 115-116.
6Heitmeyer, S. 129.
7Jürgen W. Falter, Wer wählt rechts?, München 1994, S. 89.
8Klaus Dörre, In der Warteschlange, Münster 2020, S. 44.
9Lutz Raphael, Jenseits von Kohle und Stahl, Berlin 2019, S. 404.
10Raphael, S. 405.
11So löste beispielsweise 1973 der sogenannte wilde Streik bei Ford eine regelrechte Säuberung unter den Hauptamtlichen der IGM in Köln um den Ersten Bevollmächtigten Gnter Tolusch aus. Diese hatten Verständnis für die große Unzufriedenheit unter den türkischen Beschäftigten geäußert, deren Bezahlung und Arbeitsbedingungen besonders schlecht waren. Der Spiegel berichtete am 17.3.1974:
»Die Verhandlung im Bundesvorstand der IG Metall war kurz, das Urteil über die Kollegen klar: Die Funktionäre der Ortsverwaltung Köln, so erkannten die Gewerkschaftsbosse in Frankfurt, »erfüllen« ihre »satzungsgemäße Pflicht. — nicht mehr«. Dem Votum aus der Gewerkschaftszentrale vom Dienstag vergangener Woche folgte sofortiger Vollzug. Noch am selben Tag wurden Günter Tolusch, Heinz Wientgen und Erich Wengenroth, die Spitzenfunktionäre der Kölner Metaller-Organisation, in Urlaub geschickt und alle fünfzehn Mitglieder der Ortsverwaltung ihrer Funktionen enthoben.«
12So der Titel eines Buches, von Bernd Faulenbach, Das sozialdemokratische Jahrzehnt, Bonn 2011, in dem die Regierungsjahre von 1969-1982 aus Sicht der SPD resümiert werden.
13Nancy Fraser, Der Allesfresser, Berlin 2023
14https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2025-02-23-BT-DE/umfrage-job.shtml
15https://www.forschungsgruppe.de/Wahlen/Wahlanalysen/
16Interview: der Freitag, 25.2.2025
17Günter Ogger, Nieten in Nadelstreifen, München 1995
18Lutz Raphael, Jenseits von Kohle und Stahl, Berlin 2019, S 425.
19Ausführlich dazu: Heiner Dribbusch, STREIK – Arbeitskämpfe und Streikende in Deutschland seit 2000, Hamburg 2023, S. 230-234.
20https://www.handelsblatt.com/meinung/kommentare/kommentar-die-krise-bei-bosch-und-co-wird-konjunkturprogramm-fuer-die-afd-01/100158104.html
21Ein auf Joseph Goebbels zurückgehender Kampfbegriff, der heute von AfD-Funktionären wieder verwendet wird.
22Maximilian Krah, zitiert nach: Martin Hauff, Identitäre Solidarität und exkludierende Sozialstaatlichkeit, [Hrsg.] Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung, 6.6.2024, https://www.diss-duisburg.de/2024/06/sozialstaat-von-rechts/
23Hauff
24Sebastian Friedrich, Das rechte Projekt und die Krise des Kapitalismus – Eine materialistische Analyse des Aufstiegs der Rechten in Deutschland, in: Die Diversität der Ausbeutung: zur Kritik des herrschenden Antirassismus, [Hrsg.] Eleonora Roldán Mendívil/Bafta Sarbo, Berlin 2022, S. 175.
25[Hrsg.] Bertelsmann Stiftung, Rainer Faus, Tom Mannewitz, Simon Storcks, Kai Unzicker, Erik Vollmann, Schwindendes Vertrauen in Politik und Parteien, Gütersloh 2019
26Der Soziologe Andreas Reckwitz (Verlust. Ein Grundproblem der Moderne, Berlin 2024) in einem Interview mit der Zeitschrift der Freitag am 17.12.2024
27Tony Cliff, Staatskapitalismus in Russland [London 1974], Berlin 2019
28Bini Adamczak, Beziehungsweise Revolution, Berlin 2017, S. 68-69.
29W.I. Lenin, Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht, [28.4.1918] LW Bd. 27, Berlin-Ost 1978, S. 235.
30W.I. Lenin, Rede im Moskauer Sowjet der Arbeiter-, Bauern- und Rotarmistendeputierten 23. April 1918, LW Bd. 27, Berlin-Ost 1978, S. 221.
31Axel Honneth, Die Idee des Sozialismus, Berlin 2015, S. 79.
32Thomas Lux und Linus Westerheuser, Klassenbewusstsein und Wahlentscheidung, (Hrsg. Friedrich-Ebert-Stiftung), Berlin 2024, S. 6.
33Andreas Reckwitz, Verlust, Berlin 2024, S. 326.
34Sarah Wagenknecht, Die Selbstgerechten, Frankfurt/New York 2021
35Marc Saxer, Transformativer Realismus, Bonn 2021, S. 104-105.
36Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westerheuser, Triggerpunkte – Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft, Berlin 2023, S.399
37Steffen Mau, Ungleich vereint – warum der Osten anders bleibt, Berlin 2024, S.89f.
38Klaus Dörre, Sophie Bose, John Lütten, Jakob Köster, Arbeiterbewegung von rechts? Motive und Grenzen einer imaginären Revolte, Berlin Jahrbuch für Soziologie (2018), S. 55.
39https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/silvester-koeln-gutachten-100.html
40Thilo Sarrazin war langjähriges SPD-Mitglied und hat hohe politische Ämter bekleidet
41Süddeutsche Zeitung, 8.1.2011, Auftragnehmer der Studie war die Gesellschaft für Konsumforschung
42Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westerheuser, Triggerpunkte – Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft, Berlin 2023
43Mau, S. 398-399.
44[Hrsg.: Otto Brenner Stiftung] Johannes Kiess, Andre Schmidt, OBS-Arbeitspapier 64, Frankfurt 2023, S. 48.
45So beispielsweise jüngst: Andreas Reckwitz, Verlust – Ein Grundproblem der Moderne, Berlin 2024
46Oliver Nachtwey, Die Abstiegsgesellschaft, Berlin 2016, S. 188.
47Sehr lesenswert dazu: Colin Barker, Klassenkampf, Bewegung, Partei – einige Probleme und mögliche Lösungen, Werkstattausgabe, Berlin 2025, S. 7-68. Der Text ist 2007 zuerst veröffentlicht worden, das englische Original kann unter folgender Adresse heruntergeladen werden: https://tempestmag.org/2022/01/social-movements-are-how-classes-struggle/.



