Die folgende Aussage des Genossen Gysi empfinde ich als sehr befremdlich: "Es gibt für uns keinen Weg zur Verstaatlichung der Produktionsmittel. Und wenn einer eine andere Meinung hat und in der Fraktion ist, dann muss er eben überstimmt werden. Punkt um."
Nun ja, eine Verstaatlichung der Produktionsmittel lehne ich ebenfalls ab, wie viele andere auch, denn dann ist – salopp formuliert – der abstrakte Staat, der "ideelle Gesamtkapitalist", reich, und im schlimmsten Fall die Bevölkerung arm. Staatskapitalismus ist sicherlich ebenso wenig erstrebenswert wie der Stalinismus mit all seinen "Spielarten".
Aber: Wir sollten entschieden eine demokratische, Basis zentrierte und kontrollierte Vergesellschaftung der Produktionsmittel anstreben. Eine solche Forderung kann auch durch etliche Landesverfassungen, insbesondere durch die von Hessen und NRW, sogar juristisch "legalisiert" werden – obwohl keiner von uns so naiv sein und ernsthaft glauben wird, dass die Kapitalisten uns freiwillig Platz machen.
Lafontaine und viele andere Mitglieder unserer Partei fordern statt eines Politikwechsels einen Systemwechsel – letzteres ist in der Tat konsequenter. Wie soll ein Systemwechsel funktionieren, wenn wir die Produktionsmittel in den Händen der Kapitalisten belassen, statt sie zu demokratisieren, zu vergesellschaften? Das wäre wie Hochseilakrobatik ohne Seil! Hier liegt ein eklatanter Widerspruch vor. Es ist ganz offensichtlich, dass sich einige unserer FunktionärInnen mit Sieben-Meilen-Stiefeln in Richtung "linke Sozialdemokratie" (fort)bewegen, damit wir "koalitionsfähig" werden.
Dieser Kurs der Anbiederung an die bürgerlichen Parteien, insbesondere an die nicht gute, alte SPD, empfinde ich als empörend, um nicht zu sagen: als widerlich! Ich bin nicht in diese Partei eingetreten, um eines Tages, der womöglich gar nicht so weit in der Zukunft liegt, ein Bestandteil des linken Wurmfortsatzes der SPD zu werden. Wehret den Anfängen, protestiert gegen solche Tendenzen lautstark und öffentlich! Oder ist das Ende nah – und ich hab's nur noch nicht bemerkt?
Wolfgang Huste, Bad Honnef