Von Yaak Pabst und Frank Eßers
Nach den Warnstreiks musste Bahnboss Mehdorn nachgeben.Doch der vorschnelle Abschluss von TRANSNET und GDBA fällt den Lokführern der GDL in den Rücken. Diese müssen jetzt alleine weiter kämpfen. Außerdem sind der Börsengang und die weitere Privatisierung des Unternehmens noch nicht vom Tisch.
Laut einer Forsa-Umfrage meinen 59 Prozent der Bundesbürger, dass Lokomotivführer künftig »deutlich mehr Geld« verdienen sollten. Bisher sind es durchschnittlich 1500 Euro netto. Im Bild: Manfred Schell (links), Bundesvorsitzender der Gewerkschaft GDL, im Gespräch mit Lokomotivführer Chris Wiegand. (Foto: GDL)
Heute haben sich die Gewerkschaften TRANSNET und GDBA mit den Bahnbossen auf einen neuen Tarifvertrag für 134.000 Beschäftigte des Unternehmens geeinigt. Danach werden die Einkommen ab 1. Januar 2008 um 4,5 Prozent angehoben. Zusätzlich wird ein Einmalbetrag in Höhe von 600 Euro bezahlt. Die Laufzeit beträgt 19 Monate, damit gilt der neue Tarifvertrag bis zum 31. Januar 2009.
Dennoch wird bei der Bahn weiter gestreikt werden, da die Lokführergewerkschaft GDL einen eigenen Tarifvertrag fordert. Den lehnt der Bahnvorstand bisher ab.
Hintergrund der Streiks
Laut Bahnchef Mehdorn hat die Bahn von Januar bis Mai ihren Gewinn im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdoppelt. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres erzielte das Unternehmen einen Gewinn von 668 Millionen Euro nach Zinsen und Steuern. Reallohnverluste und erhöhte Arbeitshetze haben bei vielen Kolleginnen und Kollegen die Unzufriedenheit gesteigert. Die Erwartungen der Gewerkschaftsbasis an ihre Führung waren entsprechend hoch.
Außerdem hat allgemein die Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse in Deutschland zugenommen. Im ersten Halbjahr 2007 sind eineinhalb Mal so viele Arbeitstage durch Streiks ausgefallen wie in den letzten zehn Jahren im Jahresdurchschnitt. Dieses steigende Selbstbewußtsein resultiert aus der konjunkturellen Erholung, steigenden Unternehmensgewinnen und unverschämt hohen Managergehältern.
Die Tarifgemeinschaft der Gewerkschaft TRANSNET und der Gewerkschaft Deutscher Bundesbahnbeamten und Anwärter (GDBA) hat ursprünglich bei zwölf Monaten Laufzeit eine Einkommensanhebung um 7 Prozent gefordert, mindestens aber 150 Euro monatlich als »soziale Komponente« für untere Einkommensgruppen.
Zunächst waren die Gespräche zwischen den Bahnbossen und den beiden Gewerkschaften ohne Ergebnis vertagt worden, nachdem die Arbeitgeberseite lediglich 2 Prozent Einkommenserhöhung plus 300 Euro einmalige Sonderzahlung für das zweite Halbjahr 2007 angeboten hatte.
Im Gegenzug hatte Bahn-Personalchefin Margret Suckale dafür Kompensationen verlangt: unter anderem die Rückkehr zur 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich. Suckale wollte auch eine Laufzeit des Tarifvertrages von 30 Monaten. Offenbar hat sie die Niederlage der Gewerkschaft ver.di bei der Telekom beflügelt, in die Offensive zu gehen. Damit ist sie gescheitert.
Die anfängliche Sturheit der Bahnbosse in Kombination mit der hohen Unzufriedenheit der Belegschaften hat dazu geführt, dass TRANSNET und GDBA – anders als in früheren Tarifkonflikten – nicht von vornherein als Zeichen »guten Willens« gegenüber dem Bahnvorstand die Streiks gleich aussetzen konnten, als der Vorstand sein Angebot nachbesserte.
Es wäre mehr nötig und möglich gewesen
Das Verhandlungsergebnis bei der Bahn liegt, was die Höhe betrifft, über vergangenen Abschlüssen. Es ist keine Niederlage wie der Abschluss bei der Telekom. Laut TRANSNET ist sichergestellt, dass »jeder Arbeitnehmer bis zum Ende der Laufzeit des Tarifvertrages mindestens 1.600 Euro erhalten wird.« Es sei auch positiv, dass die von den Arbeitgebern geplante Erhöhung der Arbeitszeit verhindert werden konnte, so TRANSNET.
Es wäre allerdings mehr nötig und auch möglich gewesen. Denn das Lohnplus macht die Reallohnverluste durch die niedrigen Abschlüsse der letzten Jahre nicht wett. Nach nur einem Tag Warnstreik musste die Bahnbosse ihr Angebot verdoppeln. Durch Fortsetzung des Arbeitskampfes in Zusammenarbeit mit den GDL-Lokführern hätten TRANSNET und GDBA ihre aufgestellte Forderung nach 7 Prozent mehr Lohn und kürzerer Laufzeit voll durchsetzen können.
Das größte Problem ist jedoch, dass mit dem vorschnellen Abschluss der TRANSNET-Vorstand den Lokführern in den Rücken fällt.
Weil die TRANSNET-Führung die Interessen von Lokführern nicht angemessen vertritt, ist die Lokführergewerkschaft GDL vor fünf Jahren aus der Tarifgemeinschaft der drei Bahngewerkschaften ausgetreten. Seitdem kämpft sie für einen Spartentarifvertrag – bisher ohne Erfolg.
Dabei ist die in der Presse und vom Bahnvorstand verbreitete angebliche Forderung der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) nach Lohnsteigerungen von 31 Prozent in dieser Darstellung irreführend Sie soll dazu dienen, die Öffentlichkeit gegen die GDL aufzubringen und die Belegschaft zu spalten.
In Wahrheit fordert die GDL ein Anfangsentgelt von 2500 Euro für Lokführer, 2180 Euro für Zugbegleiter und 1820 Euro für Gastromitarbeiter, sowie die Verkürzung der Arbeitszeit von 41 auf 40 Wochenstunden. Außerdem will sie eine stufenweise Erhöhung des Entgelts je nach Konzernzugehörigkeit und Berufserfahrung durchsetzen.
Bisher bekommt ein Lokführer rund 1500 Euro netto im Monat: »Das ist völlig unangemessen. Das Fahrpersonal trägt schließlich eine große Verantwortung für Mensch und Material«, sagte der GDL-Bundesvorsitzende Manfred Schell. Lokführer und Zugbegleiter hätten im ständigen Schicht- und Wechseldienst ihren Beitrag zur Sanierung der Bahn schon mehr als erfüllt. Seit der schrittweisen Privatisierung der Bahn ab 1994 haben sie einen Reallohnverlust von 9,5 Prozent in Kauf nehmen müssen.
Die Mehrheit der Bundesbürger findet die Forderung der Lokomotivführer nach einer deutlichen Lohnerhöhung richtig. Bei einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Bild am Sonntag erklärten 59 Prozent der Befragten, Lokomotivführer sollten künftig »deutlich mehr Geld« verdienen. Nur 25 Prozent waren nicht dieser Meinung.
Gewerkschaften und der Börsengang
Die drei Bahngewerkschaften werden ihrer Aufgabe, die Kolleginnen und Kollegen zu vertreten, nicht gerecht. Denn in der einen oder anderen Form unterstützen die Spitzen aller drei Gewerkschaften die weitere Privatisierung der Deutschen Bahn AG und den geplanten Gang der Bahn an die Börse. Das verursacht Unzufriedenheit bei den Belegschaften. So bezieht laut der Initiative »Bahn von unten« der Betriebsrat der Bahn-Güterverkehrssparte Railion im Wahlbetrieb Frankfurt Position gegen einen Börsengang der Bahn und fordert den vollständigen Erhalt des Konzerns in öffentlichem Eigentum unter demokratischer Kontrolle.
TRANSNET, GDL und GDBA müssten das ebenfalls fordern. Denn die weitere Privatisierung bedeutet Vernichtung von Arbeitsplätzen, mehr Arbeitshetze, weniger Sicherheit bei der Bahn, weitere Stillegungen »unrentabler« Strecken, steigende Preise für die Kunden und sie bringt auch der Umwelt Nachteile. Es ist zum Beispiel unmöglich, denn enorm viel CO2 produzierenden Gütertransport per LKW von der Straße auf die Schiene zu bringen, wenn die Bahn unter dem Druck privater Aktionärer steht. Denn für diese zählt vor allem der Profit und hohe Dividenden. Und nur ein gut ausgebauter und billiger öffentlicher Nah- und Fernverkehr ermöglicht es, vom Auto auf die Bahn umzusteigen.
Es hat den Anschein, als sehe Transnet-Chef Norbert Hansen den Abschluss als eine Beruhigungspille für die Belegschaften und als Gegenleistung dafür, dass die Führungen von TRANSNET und GDBA die Privatisierung mit gestalten. Hansen sagte, das Verhandlungsergebnis werde dazu beitragen, das Vertrauen der Belegschaft in die Unternehmensführung und ihre Strategie zu stärken. Die Strategie der Bahnbosse ist die weitere Privatisierung. Sie wollen eine Bahn für Börsianer, nicht für die Bürger.
DIE LINKE und die Bahn
DIE LINKE kann dazu beitragen, den Widerstand gegen die weitere Privatisierung der Bahn aufzubauen. Besonders die Lokführer brauchen in ihrer Tarifauseinandersetzung Unterstützung. Solidaritätserklärungen und Flugblattverteilungen an Streikorten helfen, zu zeigen, dass DIE LINKE gegen niedrige Löhne, steigende Arbeitshetze und den Börsengang an der Seite der Kolleginnen und Kollegen kämpft.
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Mehr im Internet:
>> marx21-Analyse zur GDL: »Die Lokführer sind im Recht«
>> Bündnis Bahn für Alle
>> Film: »Bahn unterm Hammer«