Das System der Dualen Berufsausbildung ist in der Krise. Es gibt zu wenige Ausbildungsplätze, und es gibt noch weniger qualifizierte Ausbildungsplätze. Ein Kommentar von Horst Haenisch
Die Bundesregierung hat ein Programm aufgelegt, wonach bis zum Jahr 2010 350 Millionen Euro an Betriebe überwiesen werden, die solche Schulabgänger einstellen, welche bisher ohne betriebliche oder schulische Berufsausbildung im sogenannten Übergangssystem geparkt werden.
Je Lehrling aus dem Übergangssystem sollen, abhängig von der Höhe des Ausbildungsentgeltes, einmalig zwischen vier- bis sechstausend Euro an den Ausbildungsbetrieb gezahlt werden. Die SPD hält sich zugute, dies gegen den Widerstand der Unionsparteien in der Koalition durchgesetzt zu haben.
Jedes Jahr enden etwa eine halbe Million Schulabgänger im Übergangssystem. Gemessen daran, sind die 23.000 Ausbildungsplätze, die theoretisch jährlich durch den Ausbildungsbonus geschaffen werden könnten, weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber nicht einmal dazu wird es kommen. Denn im Übergangssystem befinden sich genügend Jugendliche mit guten Hauptschul- oder Realschulabschlüssen, die leicht eine Lehrstelle fänden, wenn es denn genügend Lehrstellen gäbe. Der Ausbildungsbonus wird dazu führen, dass sich die Ausbildungsbetriebe aus diesem Reservoir bedienen und die Bonuszahlung von vier- bis sechstausend Euro mitnehmen, ohne dass ein einziger neuer Ausbildungsplatz entsteht. Mit dem zunehmendem Mangel an Ausbildungsplätzen ist in den letzten Jahren ein Bereich neben dem Dualen System entstanden und ständig gewachsen, das sog. Übergangssystem, in dem Jugendliche ohne betriebliche oder schulische Berufsausbildung zeitweise untergebracht werden.
Das Übergangssystem setzt sich aus mehreren Programmen und Maßnahmen zusammen. Aus (Die Anzahl der Teilnehmer steht in Klammern / Zahlen von 2004):
- dem 2004 ausgelaufenen Jugendsofortprogramm und den berufsvorbereitenden Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit (116.000)
- den Schülern ohne Ausbildungsvertrag an Berufsschulen (33.000)
- dem schulischen Berufsvorbereitungsjahr, sofern es nicht als erstes Jahr einer dualen Ausbildung anerkannt wird (63.000)
- den Schüler an Berufsfachschulen, denen kein Abschluss vermittelt wird (182.000)
- dem Berufsgrundbildungsjahr (43.000)
- und sonstigen schulischen Bildungsgängen (50.000).
Die Zahl der hier "geparkten" Jugendlichen ist etwa so groß, wie die Zahl der Jugendlichen im Dualen System, eine halbe Million jährlich. Und sie wächst.
Bezeichnenderweise gibt es keine Statistik über die Ausgaben für das Übergangssystem. Einzig die Ausgaben der Bundesanstalt für Arbeit für das Übergangssystem sind bekannt und eindeutig zuzuordnen. Sie beliefen sich auf jährlich zwischen 4,5 Mrd. € (2005) bis 5,5 Mrd. € (2003) aus Steuergeldern.
Aber auch in Schulen und Berufsschulen sowie in Berufsfachschulen werden Maßnahmen für Jugendliche ohne duale oder schulische Berufsausbildung durchgeführt. Hinzuzurechnen sind ferner die Kosten für das Berufsgrundbildungsjahr, sofern dieses nicht in einer späteren Berufsausbildung angerechnet wird. Diese Kosten für das Übergangssystem gehen in den Kosten für die jeweiligen Bildungsträger unter. Die jährlichen Kosten für das Übergangssystem dürften sich daher auf deutlich über 6 Mrd. € belaufen. Gemessen daran sind die 117 Millionen € jährlicher Ausbildungsbonus lächerlich. Da werden erst 6 Mrd. jährlich ausgegeben, um Schulabgänger im Übergangssystem abzuladen, und dann sollen noch einmal 117 Mio. nachgelegt werden, um sie da wieder rauszuholen. Was für eine Schildbürgerpolitik! Wäre es nicht besser, diese Milliarden für den Aufbau von überbetrieblichen staatlichen Lehrwerkstätten einzusetzen, die eine qualifizierte Berufsausbildung vermitteln?
Das System der Dualen Berufsausbildung ist in der Krise. Es gibt zu wenige Ausbildungsplätze, und es gibt noch weniger qualifizierte Ausbildungsplätze. Sozialisten fordern, anstatt die Unternehmer zu subventionieren, anstatt Milliarden für das Übergangssystem zu verschleudern: eine qualifizierte Berufsausbildung in überbetrieblichen staatlichen Lehrwerkstätten für jeden Jugendlichen, der im Dualen System keine qualifizierte Ausbildung findet.