Am vergangenen Wochenende kamen Studierende aus dem ganzen Bundesgebiet zusammen, um die aktuellen Kürzungen an den Hochschulen zu diskutieren. Nach zwei Tagen Debatte stand fest: Es wird 2014 einen neuen bundesweiten Bildungsstreik geben. Der Höhepunkt des Protests ist für den Herbst geplant. Der erste dezentrale Aktionstag für den 20. Mai.
Ein Teilnehmer aus Schwerin brachte die Stimmung bei dem bundesweiten »Vernetzungstreffen gegen Hochschulkürzungen« gut auf den Punkt: »Wir müssen jetzt den nächsten Schritt machen und die Proteste auf die Bundesebene holen. Ich will nicht länger warten!«
Bei dem Treffen versammelten sich Studierende aus verschiedenen Bundesländern – manche von ihnen kämpfen schon seit einem Jahr und länger gegen die geplanten Kürzungsmaßnahmen an ihren Universitäten und Hochschulen.
Woher kommen die Kürzungen?
In den letzten Jahren sind die Studierendenzahlen stark gestiegen. Heute studieren im Vergleich zum letzten Bildungsstreikjahr 2009 eine halbe Million Menschen mehr an den deutschen Universitäten. Was auf der einen Seite zu begrüßen ist (es studieren heute so viele Menschen eines Jahrgangs, wie noch nie), hat eine Kehrseite: Die Bundesregierung und die Länder haben die Ausgaben für die Bildung nicht ausreichend angepasst. Das Ziel ist scheinbar, mit möglichst geringen Ausgaben, möglichst viele Menschen durchs Studium zu schleusen, um so die Ausbildungskosten gering zu halten.
Immer öfter wird dabei auf private Geldgeber gesetzt (z.B. beim Deutschlandstipendium) und versetzt die Hochschule somit in die Abhängigkeit privater Wirtschaftsinteressen. Die größeren Geldtöpfe sind einigen wenigen Exzellenz-Universitäten vorbehalten, die jedoch spätestens nach dem Auslaufen der Gelder vor einem großen Finanzierungsproblem für die neu geschaffenen Strukturen stehen. Das Bild, das sich an den Unis bietet, ist entsprechend düster: Volle Hörsäle, kaum Wahlmöglichkeiten für die Studierenden, prekäre Beschäftigung des wissenschaftlichen und verwaltungstechnischen Mittelbaus, überfüllte Mensen und seit neuestem: massive Stellenentlassungen.
In einigen Bundesländern werden aktuell die Haushaltspläne neu aufgestellt. Dabei wird insbesondere im Sozialen und in der Bildung gekürzt. Die sowieso schon unterfinanzierten Hochschulen droht nun die Schließung ganzer Institute. Betroffen sind insbesondere Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Saarland, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern. Aber auch in den anderen Bundesländern ist absehbar, dass die Hochschulen im Blickpunkt des Kürzungsdiktats stehen.
Grund dafür ist das Kooperationsverbot und die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse. Während letztere den Ländern die Aufnahme von Schulden verbietet, verhindert das Kooperationsverbot, dass der Bund den Ländern finanziell stärker als bisher unter die Arme greift. Eine Kombination, die den Ländern und Kommunen eine Daumenschraube anlegt und von SPD, Grünen und CDU/CSU politisch gewollt ist. Der Staatshaushalt soll so auf Kosten der Sozial- und Bildungsausgaben entschuldet werden, während die privaten Vermögen auch in der Krise immer weiter steigen.
Es regt sich Widerstand
In einigen Bundesländern gab es gegen die Kürzungen starke Protestbewegungen. Insbesondere in Sachsen-Anhalt gingen viele tausend Studierende und Kulturschaffende über mehrere Monate auf die Straße und konnten so vorerst einen großen Teil der Kürzungen verhindern.
In Thüringen gab es Demonstrationen mit bis zu 3000 TeilnehmerInnen in Jena und in Bremen wurden Hörsäle besetzt. Der geplante Kürzungsbeschluss im Landesparlament in Mecklenburg-Vorpommern löste in Schwerin eine Großdemonstration aus. Die nächsten lokalen Proteste stehen in Leipzig bereits auf der Tagesordnung.
Vor diesem Hintergrund rief das Hallenser Anti-Kürzungsbündnis für das vergangene Wochenende zu einem bundesweiten Treffen zur Vernetzung der Proteste auf. Und das mit Erfolg. Dem Aufruf folgten Studierende aus 13 Bundesländern. Die politische Stoßrichtung war klar: Die Unterfinanzierung ist nicht nur Ländersache, sondern ist durch das Kooperationsverbot, fehlende Besteuerung von Vermögen und die Schuldenbremse auch ein bundesweites Problem.
Die logische Schlussfolgerung daraus ist, dass auch bundesweit koordinierte Proteste notwendig sind. Auf diese Linie konnten sich die Anwesenden in Halle schnell einigen. Dabei war ein relativ breites politisches Spektrum abgebildet: Die Linke.SDS, linksjugend.solid, Jusos, Campus Grün, Asta und StuRa-VertreterInnen und der fzs. Insgesamt kamen überdurchschnittlich viele TeilnehmerInnen aus den lokalen Protestbündnissen.
Am Ende einigten sich die Studierenden auf einen gemeinsamen Protestaufruf: auf einen »Bildungsstreik 2014« (s. unten). Dieser sieht ein »Eskalationskonzept« vor, bei dem Proteste auf der lokalen Ebene beginnen und in einer bundesweiten Bildungsstreik-Demonstration (wahrscheinlich in Berlin) im Herbst enden. Am 20 Mai sollen an möglichst vielen Hochschulen kreative Aktionen stattfinden und am 25. Juni wird es in verschiedenen Landeshauptstädten zu überregionalen Demonstrationen aufgerufen. Die Forderungen des Aufrufs sind sehr konkret: Abschaffung des Kooperationsverbots, Reichtumsbesteuerung für Bildungsfinanzierung, gegen die Schuldenbremse, Demokratisierung der Hochschulen, gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse und für ein BAföG für alle.
Eine Bewegung mit großem Potenzial
Wenn die StudierendenvertreterInnen ihre KommilitonInnen davon überzeugen können, für diese Forderungen auf die Straße zu gehen, wird die Bundesregierung zum ersten Mal durch die Auswirkungen der Schuldenbremse unter Handlungsdruck kommen. Dafür wäre es auch notwendig den Schulterschluss mit den Beschäftigten an den Hochschulen bzw. den Gewerkschaften ver.di und GEW zu suchen.
Bei dem Vernetzungstreffen waren leider so gut wie keine Hochschul-Beschäftigten anwesend. Das ließe sich jedoch bei dem nächsten bundesweiten Treffen vom 9. bis 11. Mai in Frankfurt korrigieren. Der erste Schritt wurde von den Studierenden gemacht – nun kann es ein heißer Sommer für Bildungsministerin Wanka werden.
Von Max Manzey. Er ist Mitglied des Bundesvorstands von Die Linke.SDS
Foto: Marcus Sümnick