Ex-Transnet-Chef Norbert Hansen wird für seinen geplanten Karrieresprung vom Gewerkschaftsvorsitz ins Top-Management der Bahn scharf kritisiert. Der Seitenwechsel ist aber auch Ausdruck der bisherigen Politik der Transnet-Führung. Von Frank Eßers, Online-Redakteur marx21.de
Mit dem Tarifvertrag, den die Bahngewerkschaften Transnet und GDBA ausgehandelt haben, sollten die Bahnbeschäftigten gegen die Teilprivatisierung des Unternehmens abgesichert werden – eigentlich. Denn von den beiden zentralen Versprechen der Gewerkschaftsführungen ist im neuen Tarifvertrag nichts umgesetzt. Es gibt keine Arbeitsplatzsicherung bis zum Jahr 2023. Eine Beschränkung des Verkaufs an private Investoren auf 24,9 Prozent ist ebenfalls nicht im Tarifvertrag enthalten.
In der Vergangenheit hatten die Führungen von Transnet und GDBA immer wieder verlautbaren lassen, dass es keine Teilprivatisierung geben dürfe, ohne dass diese Forderungen erfüllt werden.
Vom Co-Manager zum Manager
Doch hat sich der Ärger über die gebrochenen Versprechen kaum Luft verschaffen können, als gestern die nächste Bombe platzte: Der Vorsitzende der Gewerkschaft Transnet, Norbert Hansen, soll als Arbeitsdirektor ins Bahnmanagement geholt werden.
Für Hansen hätte es nicht günstiger laufen können: Als Gewerkschaftschef hat er die Lücken in den Tarifvertrag hinein verhandelt, die ihm als künftigem Bahnmanager bei weiterer Privatisierung und Personalabbau helfen werden.
»Hansen hat unsere Gewerkschaft als Karierresprungbrett missbraucht und mit seinem Verhalten der Transnet und allen DGB-Gewerkschaften schweren Schaden zugefügt«, kommentierte Hans-Gerd Öfinger von der Transnet-Basisinitiative »Bahn von unten« den Seitenwechsel Hansens.
Obwohl es von Transnet keinen Beschluss für eine Teilprivatisierung gibt, hat Hansen seine Stellung als Gewerkschaftsvorsitzender genutzt, um für diese Werbung zu machen. In der entscheidenden Parteiratssitzung der SPD hatte er behauptet, die Transnet-Führung verhandele im Sinne der SPD über eine Privatisierungsschranke von 24,9 Prozent. »Diese Behauptung war falsch«, sagte Öfinger.
Gewerkschaftspolitik
Karrierismus mag eine Triebkraft des ehemaligen Gewerkschaftsvorsitzenden sein. Doch hat die gesamte Transnet-Führung Hansens Kurs mitgetragen. Im November 2004 wurde er zudem mit 93,1 Prozent der Stimmen als Gewerkschaftsvorsitzender wiedergewählt.
Hansen hat sich als Co-Manager gesehen, der die Privatisierung des Unternehmen gestaltet, statt zu bekämpfen. Dabei hat er sich dem Bahnvorstand immer mehr angenähert und sich von der Gewerkschaftsbasis entfernt. Diese hat Hansen in den letzten Monaten mit zunehmender Schärfe kritisiert.
Den Eindruck, dass Hansen als Gewerkschafter und Mensch gescheitert ist, mögen viele Kolleginnen und Kollegen gewonnen haben, nachdem Hansens Seitenwechsel bekannt geworden ist. Doch er war nur der prominenteste Vertreter einer Co-Management-Strategie, die von der Transnet-Führung verfolgt wird.
Kritik am Transnet-Vorstand
In einer Stellungnahme vom heutigen Tage kritisiert die Transnet-Gewerkschafterinitiative »Bahn von unten« in deutlichen Worten ihre Führung: »Norbert Hansen konnte nur deshalb so unangefochten die Kapitalprivatisierung propagieren, weil die ihm zur Seite stehenden Mitglieder der TRANSNET-Führungsgremien dies so duldeten und mit förderten. Alle diejenigen, die als Vorstandsmitglied, Aufsichtsratsmitglied oder freigestelles Betriebsratsmitglied diesen Kurs förderten oder duldeten, sind mit schuld am miserablen Zustand und Mitgliederschwund unserer Gewerkschaft. Sie alle haben versagt.«
Die Initiative fordert die Angesprochenen auf, ihren Hut als Gewerkschafter zu nehmen: »Wenn Norbert in das Management wechselt, soll er diese Freundinnen und Freunde am besten gleich mitnehmen.«
Mehr Demokratie
Gleichzeitig fordert »Bahn von unten« eine Demokratisierung der Gewerkschaft: »Es ist nicht damit getan, wenn jetzt irgendein(e) Nachfolger(in) für Norbert Hansen gewählt wird und sonst alles beim Alten bleibt. Wir brauchen eine transparente und demokratische TRANSNET, die sich vehement gegen die weitere Zerschlagung und Privatisierung unserer Bahn wehrt. Noch ist keine einzige Aktie verkauft. (…) Viele Mitglieder fühlen sich jetzt verraten, verkauft und verhöhnt. Wir brauchen daher jetzt Basisdialoge, bei denen der Widerstand gegen den Börsengang organisiert wird. Die Basis muss die volle Wahrheit erfahren.«
Transnet könne keine »Karrieristen an der Spitze« gebrauchen, heißt es in der Stellungnahme. Stattdessen seien Kolleginnen und Kollegen gefragt, »die sich der Basis verpflichtet fühlen und von ihr kontrolliert werden.«
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