Die Weltwirtschaft schwamm während der meisten Zeit dieses Jahrzehnts auf einer Woge von Niedrigzinskrediten. Der scharfe Kursverfall an den Weltbörsen vergangene Woche könnte der Moment gewesen sein, an dem die Finanzmärkte begriffen, dass diese Ära zu Ende geht. Von Alex Callinicos.
Die Möglichkeit, sich günstig Geld zu leihen, hing in erster Linie von dem Vorgehen der Zentralbanken der führenden kapitalistischen Staaten ab. In den Jahren 2000/2001 senkte die US-amerikanische Notenbank angesichts der Rezession in den USA und dann der Angriffe vom 11. September dramatisch die Zinsraten.
Auf diese Weise wurde die US-Wirtschaft angekurbelt. Gleichzeitig wurde der Motor der Finanzspekulation, der den US-Kapitalismus in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre zunehmend angetrieben hatte, auf Touren gebracht. Die Spekulation verschob sich von der Börse zu den Immobilien. Niedrige Zinsraten verbilligten Hypotheken und gaben den Hauspreisen Auftrieb. Hauseigentümer konnten auf Grund der Wertsteigerung ihres Eigentums höhere Kredite aufnehmen und so mehr Geld ausgeben.
Ein großer Teil dieser höheren Ausgaben floss in billige chinesische Importprodukte. Anfang dieses Jahres verfügte China über 1,2 Billionen US-Dollar an Auslandsreserven. Viele dieser Dollars fanden ihren Weg zurück in die USA, indem der chinesische Staat Schuldscheine der US-Regierung aufkaufte. Damit heizte er die US-amerikanische Spekulationsmaschine weiter an. Investmentbanken, Hedgefonds und ähnliche Einrichtungen saugten Profite aus all diesen billigen Krediten. Sie entwickelten den zweitklassigen Subprime-Hypothekenmarkt, wo Geld an Leute mit fragwürdiger Bonität verliehen wird, die dann sehr hohe Zinsraten zu zahlen haben. Sie organisierten auch eine Flut von Leveraged Buyouts, also kreditfinanzierten Firmenübernahmen. Private-Equity-Firmen und andere Finanzhaie setzen diese ein, um Firmen aufs Korn zu nehmen, von denen sie denken, dass sie durch „Restrukturierung“ profitabler gemacht werden könnten. Subprime-Hypotheken und Leveraged Buyouts sind riskant.
Also entwickelten die Spekulanten neue Finanzinstrumente, um das Risiko zu streuen. Die wichtigsten Instrumente sind dabei die Collateralized Debt Obligations (CDOs). Mit diesen Wertpapieren schützt sich der Kreditgeber gegen das Ausfallrisiko, wenn der Kreditnehmer Pleite geht, indem er einen Teil der Schulden an einen anderen Investor im Austausch gegen einen Anteil an den Zinsen verkauft. Zentralbanker haben bereits seit einiger Zeit darauf hingewiesen, dass CDOs nicht nur das Risiko breiter streuen, sondern auch die Instabilität, wenn etwas schief gehen sollte. Ein kluger Investmentanalyst namens Henry Maxey erklärte kürzlich in einem Brief an die Financial Times: „Subprime ist interessant … weil es uns etwas über die neuen Kreditschaffungsmechanismen in den USA im Allgemeinen erzählt, nämlich dass die Zentralbanken und das Kernsystem der Banken diesen Bereich nicht mehr kontrollieren.“ Kredite werden jetzt in riesigen Ausmaßen durch Hedgefonds und ähnliche Einrichtungen geschaffen, die Geld in die Wirtschaft pumpen. Aber, sagt Maxey: „Wenn dieser nicht von Banken gestützte Geldstrom aufgrund einer verminderten Risikobereitschaft austrocknet, dann kommt es zu einem Kreditschock mit schweren Folgen für die Wirtschaft.“
Genau das passiert jetzt. Der „Kreditschock“ setzte ein, als die Zentralbanken ihre Zinsraten zu erhöhen begannen. Sie machten sich über die zunehmende Inflation Sorgen. Das größere Wirtschaftswachstum hat die Nachfrage nach Rohstoffen und Lebensmitteln erhöht. Die englische Nationalbank und etwas zögerlicher die US-Notenbank entschieden deshalb, Kredite zu verteuern, um so die Wirtschaft zu bremsen. Trotz der Vorsicht der US-Notenbank reichte der Anstieg der Zinsraten im Frühjahr, um den Subprime-Markt einbrechen zu lassen. Der US-Immobilienmarkt und die Bauindustrie rutschten in die Rezession.
Ben Bernanke, der Chef der US-Notenbank, behauptete, dies sei ein begrenztes Problem, das nicht die gesamte Wirtschaft mitreißen werde. In den vergangenen Wochen musste er einen Rückzieher machen. Die Wende kam, als die Wall-Street-Investmentbank Bear Stearns zugeben musste, dass zwei ihrer Hedgefonds, die im Subprime-Markt tätig waren, faktisch wertlos seien. Unternehmen stellen plötzlich fest, dass es viel schwieriger und teurer geworden ist, Geld zu leihen. „Angst beherrscht jetzt die Kreditmärkte“, berichtete die Financial Times. Kein Wunder, dass Aktienkurse, die durch den Übernahmeaufschwung aufgeblasen wurden, jetzt fallen. Aber die Hauptfrage ist, ob die plötzlich festgefahrene Spekulationsmaschine auf die reale Wirtschaft übergreift und diese in die Rezession treibt. Wir werden die Antwort bald erfahren.
Aus dem Englischen von Rosemarie Nünning und David Meienreis.