Bei der Abwälzung der Krisenkosten auf die Unterschichten spielt die EU eine wichtige Rolle. Um nach linken Antworten auf das kapitalistische Krisenmanagement zu suchen, kamen am Wochenende die Delegierten der Europäischen Linken (EL) in Paris zusammen. Ein Diskussionsbeitrag von Carsten Albrecht
Pünktlich zu Kongressbeginn machte der scheidende EL-Vorsitzende Lothar Bisky in einem Interview im »Neuen Deutschland« deutlich, dass er keine Neugründung der EU befürwortet. Man müsse »nicht alles neu erfinden«. Diese Position teilten nicht alle Kongress-Teilnehmer. So sprach sich Alexis Tsipras, Vorsitzender der griechischen Partei SYNASPISMOS, für eine »Neugründung der EU ohne Marktwirtschaft« aus. Im Aktionsplan der Partei, den die Delegierten mit großer Mehrheit beschlossen, wird die Forderung nach Neugründing bestätigt.
Während Bisky in seiner Rede das Europäische Parlament beschwor und dort »Verbündete aus anderen Parteien« vermutete, warnte der französische Europaabgeordnete Jean-Luc Mélenchon davor, »auf die Sozialdemokraten zu zählen.« Diese hätten Europa gemeinsam mit den Konservativen in die neoliberale Katastrophe geführt. Oskar Lafontaine stellte fest: »Die parlamentarischen Systeme sind mehr oder weniger aufgelöst«, da die EU-Kommission und nicht nie Parlamente die Hoheit über die Haushalte besäßen. Daraus schlussfolgerte Mélenchon: »Die EU ist schlimmer als das Ancien régime.« Dort hätte das Parlament mehr Rechte besessen.
Der Chef der französischen Linkspartei rief außerdem dazu auf, die »Wut der Leute zu politisieren"«. Die Europäische Linke dürfe dies nicht den Faschisten überlassen, so Mélenchon, der möglicher Weise für ein linkes Parteienbündnis bei den französischen Präsidentschaftswahlen 2012 antritt. Bisky hingegen befand, dass man »den Feinden Europas nicht durch radikale Kritik in die Hände spielen darf.«
Die Kongressteilnehmer forderten die Beendigung des Krieges in Afghanistan und die Auflösung der NATO. »Die soziale Frage und der Einsatz gegen Kriege gehören zusammen. Die politische Linke darf sich nicht spalten oder durch Nationalismus instrumentalisieren lassen«, so Claudia Haydt (Die Linke) in ihrer Rede. Die Teilnehmer bestärkten ihre Verbundenheit mit dem Widerstand in der Westsahara und ihre »bedingungslose Solidarität mit dem palästinensischen Volk und seinem Kampf für Freiheit, Unabhängigkeit und Würde.« Der beschlossene Aktionsplan fordert u.a. einen europäischen Mindestlohn von mindestens 60 Prozent des jeweiligen nationalen Durchschnittslohnes.
Der EL-Kongress wählte Pierre Laurent, den Chef der Französischen Kommunistischen Partei, zum Nachfolger von Bisky. Der neue Vorsitzende kündigte eine europaweite Kampagne gegen Sozialabbau an. Als Vertreter der deutschen Partei Die Linke wählten die Delegierten die Soziologin Claudia Haydt, sowie den Bundestagsabgeordneten Diether Dehm in den Vorstand. Dehm wird künftig auch EL-Schatzmeister sein. Der europapolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag hatte sich im September in einer Kampfabstimmung im Bundesausschuss gegen EL-Vorstandsmitglied Helmut Scholz durchgesetzt. Durch eine Hau-Ruck-Aktion hat die deutsche Delegation kurz vor der Abstimmung den abgewählten Scholz »nachnominiert«. Wie üblich folgte der Kongress den Vorschlägen der nationalen Delegationen.
Neben der deutschen Linken zählt die EL weitere 37 Mitglieds- und Beobachterparteien. Die mit ihr verbundene Fraktion »Vereinte Europäische Linke / Nordisch-Grüne Linke« (GUE/NGL) im Europäischen Parlament steht zurzeit vor Schwierigkeiten. Bei wichtigen Abstimmungen, wie z.B. zur EU-Finanzmarktregulierung oder zum Europäischen Auswärtigen Dienst, haben die Abgeordneten der Fraktion ein eher gespaltenes Bild abgegeben. Die Kongress-Teilnehmer hofften darauf, dass der beschlossene Aktionsplan zur politischen Klärung beiträgt.
Zum Autor:
Carsten Albrecht ist aktives Mitglied der Partei DIE LINKE und Unterstützer des Netzwerkes »Antikapitalistische Linke«.