Gegen den Flutlotsenstreik in Spanien hat Regierungschef Zapatero den Ausnahmezustand verhängt. Fluglotsen wurden mit Waffengewalt zur Arbeit gezwungen. Über die Hintergründe berichtet Lucia Schnell.
Die sozialdemokratische Regierung Zapatero hat zum ersten Mal seit dem Ende der Franco-Diktatur den militärischen Alarmzustand verhängt: Sie zwang die streikenden Fluglotsen mit Militärgerichtsbarkeit, Haftstrafen bis zu fünfzehn Jahren und Waffengewalt an ihre Arbeitsplätze zurück. Über 400 Fluglotsen drohen nun Verfahren. Ein weiblicher Fluglotse beschrieb weinend vor laufender Kamera, wie sie Flugzeuge lotsen musste, während ein Gewehr auf sie gerichtet war. Fluglotsen berichteten, die Hälfte der Kollegen hätten durch den militärischen Alarmzustand Angstattacken auf der Arbeit erlitten.
Die internationale Presse beschuldigt die Fluglotsen ausgerechnet an einem langen Wochenende ihre Privilegien auf Kosten von hunderttausenden von Flugreisenden zu verteidigen.
Das Gegenteil ist richtig: Die Regierung hat die Reisenden bewusst in Geiselhaft genommen. So hat sie den Luftraum komplett gesperrt, statt den Betrieb mit den anwesenden Fluglotsen zu verlangsamen. Mallorca, der drittgrößte Flughafen des Landes, wurde geschlossen, weil drei Fluglotsen fehlten.
Privatisierung der Flughäfen
Der wilde Streik der Fluglotsen war eine Reaktion auf die Ankündigung der Regierung am Freitag, die staatlichen Flughäfen Madrid, Barcelona und Mallorca zu privatisieren und die Arbeitszeiten der Fluglotsen zu verlängern. So sollen die Fluglotsen im Krankheitsfall und bei Pflichtweiterbildungen nacharbeiten, längere Arbeitszeiten, weniger Überstundenbezahlung, schlechterer Mutterschutz in Kauf nehmen. Offensichtlich sollen die Arbeitsbedingungen der Fluglotsen vor der Privatisierung verschlechtert werden um die Profitabilität für die Unternehmen zu erhöhen, die die Flughäfen kaufen wollen.
Privilegiert?
Die Fluglotsen sind im Vergleich zu anderen Lohnabhängigen überdurchschnittlich gut bezahlt, gut ausgebildet und gewerkschaftlich organisiert. 97 Prozent der 2.400 Fluglotsen in Spanien sind in der Gewerkschaft USCA organisiert. Die Regierung behauptet, die Fluglotsen verdienten bis zu 360.000 Euro jährlich. Laut Fluglotsen liegen die Löhne zwischen 50.000 und 90.000 Euro. Durch die Zunahme des Flugverkehrs in den letzten Jahren müssen sie hunderte von Überstunden machen. USCA betont, die langen Arbeitszeiten gefährdeten die Flugsicherheit. Cristina Anton, eine Streikende berichtet, sie mache in vier Wochen eine Woche Überstunden und das im Schichtbetrieb bei einer 40-Stunde-Woche: »Wären wir privilegiert und Millionäre, die sich den ganzen Tag im Müßiggang üben, würden wir dann unsere Arbeitsplätze im Streik riskieren?«
Bereits Anfang des Jahres hatte die Regierung die Löhne der Fluglotsen um 40 Prozent gekürzt. Die Gewerkschaft der Fluglotsen USCA hatte die Gehaltskürzung im Gegenzug zu einem Versprechen über verbesserten Arbeitszeiten akzeptiert und in der Ferienzeit im Sommer auf einen angekündigten Streik verzichtet. Nun hat die Regierung ihr Versprechen vom Sommer gebrochen und die Dienstzeiten verschlechtert.
Krise
Die sozialistische Regierung Zapatero hatte versprochen niemals, die »Arbeiter für die Krise zahlen zu lassen« und hatte im Jahr 2004 die Soldaten aus dem Irak abgezogen. Nun ist sie in der Krise unpopulär geworden. Die Sozialisten liegen mit 24 Prozent in den Umfragen bei ihrem schlechtesten Ergebnis seit dem Sturz der Diktatur. Die Regierung Zapatero hat den Staatsapparat in Stellung gegen Streikende gebracht. Dieses Jahr erleichterte sie Kündigungen für die Unternehmer gegen einen Generalstreik der Gewerkschaften. am 29. September. Sie will die Rente mit 67 verabschieden und 700.000 Arbeitslosen die staatliche Hilfe streichen. Spanien steckt tief in der Wirtschaftskrise. Paul Krugman, ein amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler schreibt in der Berliner Zeitung: »Spanien muss Löhne und Preise senken, bis sie auf dem Niveau ihrer Nachbarn sind. Das aber ist ein grausamer Prozess. Er dauert Jahre.« Der Militäreinsatz gegen den Streik der Fluglotsen ist ein Teil dieses Klassenkampfes von oben.
Solidarität
Die linke Partei »Izquierda Unida« protestierte gegen die Militarisierung von Zapatero, distanzierte sich aber von den Forderungen der Streikenden. Wie auch in Deutschland beim Streik der Gewerkschaft der Lokführer, solidarisieren sich die Gewerkschaften in Spanien nicht mit den Fluglotsen. Die mächtige Gewerkschaft CCOO, die unter anderem das Bodenpersonal der Flughäfen organisiert, verurteilte den Streik scharf. Er sei »nicht zu rechtfertigen« und »eine Erpressung einer einzelnen Interessengruppe«. So hat die Presse ein Einfallstor, Menschen mit geringeren Einkommen gegen die Fluglotsen aufzuhetzen, statt sich ein Beispiel an ihrem Kampf gegen Privatisierung und Krisenfolgen nehmen.
Gleichzeitig haben CCOO heftigen Widerstand gegen die Privatisierung der staatlichen Flughafengesellschaft »in den nächsten Tagen« angekündigt. Die Fluglotsen hoffen auf einen gemeinsamen Kampf. Denn das Bodenpersonal ist ebenso von der Privatisierung betroffen. Treten die Angestellten der Flughäfen in Streik, drohen auch ihnen militärischer Alarmzustand und Medienhetze. Vorsorglich hat die Regierung den Alarmzustand um 15 Tage verlängert. Die Entsolidarisierung unter der Belegschaft führt in die Niederlage. Nur ein gemeinsamer Streik von Bodenpersonal und Fluglotsen kann Regierung und Militär zum Rückzug zwingen. Ein erfolgreicher Streik allerdings könnte ein Wendepunkt für die spanische Arbeiterbewegung im Kampf gegen die Rentenreform und die Abwälzung der Krisenlasten sein.
Zur Autorin:
Lucia Schnell ist Mitarbeiterin der LINKEN-Bundestagsfraktion und Mitglied des SprecherInnen-Kreises der Sozialistischen Linken.