Mit einer fulminanten und hoffnungsvollen Rede gegen die neoliberale Globalisierung eröffnete Jean Ziegler am 5. Juni den Alternativengipfel im Rahmen der Proteste gegen den G8-Gipfel. Der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung sprach in der völlig überfüllten Rostocker Nikolaikirche vor hunderten von Zuhörern
Ziegler prangerte die alltägliche Gewalt an, die auf der Welt herrscht. „Ein Kind, das am Hunger stirbt, wird ermordet,“ sagte er. Nach dem jüngsten Welternährungsbericht könne die Welt 12 Milliarden Menschen ernähren, fast doppelt so viele, wie derzeit darauf leben. Nur wegen der herrschenden absurden Weltwirtschaftsordnung sei das Massaker möglich, das jeden Tag 100.000 Menschen am Hunger oder seinen direkten Folgen stürben.
Ziegler klagte an, dass die G8 nach der vorgeschlagenen Tagesordnung zwar über Investitionssicherheit in Afrika, aber nicht über den Hunger dort reden werden. Er sprach den G8 jede Legitimität ab. Sie repräsentierten nur etwas mehr als jeden zehnten Bewohner der Welt.
Noch wichtiger sei, dass die Macht bei den transnationalen Konzernen liege. „Diese kalten Monster funktionieren nach dem Profitmaximierungssystem,“ meinte Ziegler. Diese strukturelle Gewalt müsse bekämpft werden.
Ziegler wandte sich gegen Vorstellungen, man müsse sich den Kräften des Marktes unterwerfen. Er nannte diese Idee einen Rückfall in die Irrationalität, gegen den der Papst fortschrittlich sei. „Alle Missstände sind von Menschen gemacht und können von Menschen radikal umgestoßen werden.“
In der weltweiten globalisierungskritischen Bewegung erkannte Ziegler das neue historische Subjekt, das die Welt verändern könne: „Der gewaltige Zug der Aufständischen ist in Bewegung“. Er sagte: „Das wird der letzte G8-Gipfel sein, aber uns wird es immer noch geben.“
Ziegler schloss seine Rede mit einem Zitat des chilenischen Dichters und Sozialisten Pablo Neruda, der über die Herrschenden schrieb: „Sie können alle Blumen abschneiden, aber nie werden sie den Frühling beherrschen.“ Die Veranstaltung endete mit einer Podiumsdiskussion mit Ziegler, Thuli Makama (Friends of the Earth, Swaziland), Madjiguene Cissé (Sans Papiers, Senegal) und Annelie Buntenbach (DGB Bundesvorstand).