Nach einem Spiegel-Gespräch zwischen Familienministerin von der Leyen (CDU) und Christa Müller, familienpolitische Sprecherin der LINKEN im Saarland, ist es zu einer erneuten Kontroverse um die Familienpolitik gekommen. Anlässlich der Debatte weisen wir auf einen Artikel zum Thema hin, der bei marx21 bereits Anfang Juni erschienen ist:
Krippen schaden
unseren Kindern nicht
Außer-Haus-Betreuung sei schlecht, behaupten nicht nur rechte Politker, sondern auch linke. Diplompsychologin Maya Cohen-Mosler kritisiert die Argumente der Krippengegner
Christa Müller, Landesvorsitzende der Linkspartei im Saarland, meint, dass Kinder unter drei Jahren am besten von ihren Müttern erzogen werden. Sie verweist auf das „schlechte Beispiel“ Schweden, wo 71 Prozent der Frauen berufstätig sind und fast jedes Kind in einer Krippe betreut wird. Mit ihrer Kritik steht sie nicht alleine. Unions-Politiker vertreten ähnliche Positionen. Und das „Familiennetzwerk“ führt zur Zeit unter dem Slogan „Familie sind WIR“ eine bundesweite Kampagne gegen die Erziehung von Kleinkindern in Krippen durch.
Die Gegner der Krippenerziehung berufen sich zum einen auf die Bindungstheorie, eine psychologische Sichtweise der Kindesentwicklung, zum anderen auf empirische Studien von US-amerikanischen und schwedischen Forschern. Sie haben angeblich herausgefunden, dass die Unterbringung in Krippen den Kleinkindern seelisch schade.
Es fällt dabei auf, dass die Krippengegner aus der Sicht einer Minderheit der Haushalte argumentieren, die nicht unbedingt auf ein doppeltes Einkommen angewiesen sind. Sehr viele junge Frauen können jedoch ihre Berufstätigkeit nicht über längere Zeit unterbrechen, bis die Kinder groß sind. Der gesetzliche Kündigungsschutz ist nicht ausreichend, um berufliche Nachteile wegen wiederholter und längerer Unterbrechungen zu verhindern. Gesunkene Reallöhne und steigendes Arbeitslosigkeitsrisiko schränken zusätzlich die „Wahlfreiheit“ für Eltern und Mütter ein. Die Doppelverdienerehe ist kein verzichtbarer Luxus mehr, sondern eine Notwendigkeit. Viele Migranten der zweiten Generation leiden unter sprachlichen Defiziten. Fast zehn Prozent von ihnen haben keinen Schulabschluss und 51 Prozent keinen Berufsabschluss. Für ihre Kinder sind Krippen und Kindergärten oft die einzige Chance, sprachliche Defizite auszugleichen.
Die Bindungstheorie
Trotzdem sollten die Argumente der Gegner eines Krippenausbaus ernst genommen werden, da sie sehr viele Eltern verunsichern. Daher möchte ich zunächst die Bindungstheorie kurz vorstellen und anschließend einige in diesem Zusammenhang relevante Ergebnisse der Säuglingsforschung diskutieren.
Die Bindungstheorie wurde Ende der 50er Jahre von John Bowlby, einem britischen Kinderpsychiater und Psychoanalytiker, entwickelt. Er untersuchte, wie sich frühe Kindheitserfahrungen mit engen Bezugspersonen auf die spätere Persönlichkeit eines Menschen auswirken. Eine zentrale Aussage seiner Theorie ist, dass der menschliche Säugling die angeborene Neigung hat, die Nähe einer vertrauten Person zu suchen. Fühlt sich das Kind hungrig, müde, krank, unsicher oder allein, so nutzt es Bindungsverhaltensweisen wie Schreien, Lächeln, Anklammern und Nachfolgen, um die Nähe zur vertrauten Bindungsperson – meist zunächst die Mutter – herzustellen.
Die Nähe zu ausgewählten Bezugspersonen entspricht also dem angeborenen Bedürfnis nach einer sicheren Basis, oder – wie Bowlby sagt – einem „Haven of Safety“, („Hafen der Sicherheit“, die Red.). Der Wunsch nach Nähe zur vertrauten Person ist für das Kleinkind überlebensnotwendig, geht aber einher mit dem entgegen gesetzten Bedürfnis nach Autonomie und dem Bedürfnis, sich von der Mutter zu entfernen und die Umwelt zu erforschen. Sind die vertrauten Bindungspersonen verfügbar und aufmerksam, überwiegen das Bedürfnis nach Autonomie und die Zuwendung zur Umwelt. Treten hingegen äußere oder innere Verunsicherungen auf, schaltet der Säugling um. Er sucht die Nähe zu seiner Bindungsperson. Das Kind kann sich nicht der Außenwelt zuwenden und hat somit auch weniger Möglichkeiten, Neues zu lernen.
Ende der 70er Jahre wurde diese Theorie von einem Forscherteam um die amerikanische Entwicklungspsychologin Mary Ainsworth weiter entwickelt. Dieses beschrieb vier verschiedene Bindungstypen: Typ 1 zeichne sich durch sichere und autonome Bindung aus, Typ 2 durch unsichere vermeidende Bindung, Typ 3 kennzeichne eine unsichere ambivalente Bindung und Typ 4 eine desorientierte und desorganisierte Bindung. Die Typenbildung bestätigte im Positiven und im Negativen die These, dass Offenheit und Entdeckungsverhalten umso geringer ausgeprägt sind, je weniger das Kleinkind sich einer einfühlsamen und verständnisvollen Unterstützung durch die engsten Bindungspersonen sicher sein kann.
Die ersten drei Bindungstypen sind keineswegs starre Kategorien. Im Leben beobachtet man viele Mischformen, die durchaus einer normalen Entwicklung entsprechen. Lediglich der vierte Typ – der desorientierte und desorganisierte Bindungstyp – birgt in sich die Gefahr einer krankhaften Entwicklung. Die Bindungstheoretiker gehen von einem psychoanalytischen Ansatz der Kindesentwicklung aus. Danach steht der Säugling anfänglich in einer symbiotischen Beziehung zur Mutter, er erlebt sich also als Teil der Mutter, als eins mit der Mutter. Erst allmählich beginnt er sich ganz langsam als selbständiges Wesen mit eigenem Willen wahrzunehmen, um sich dann auch schrittweise von der Mutter zu lösen. Dieser Prozess dauere etwa drei Jahre. Die Rolle der Mutter in dieser Phase bestehe darin, die triebhaften Bedürfnisse ihres Säuglings zu erkennen und zu befriedigen.
Je nachdem wie einfühlsam die Mutter handle, entwickele sich einer der oben angeführten Bindungstypen. Das Kind sei von seinem Entwicklungsstand noch nicht gruppenfähig und deshalb in den ersten drei Jahren in einer Zweier-, bzw. Dreierbeziehung (mit Vater) am besten aufgehoben. Erst wenn die Sprachentwicklung beendet und die Reinlichkeitsentwicklung vollzogen ist, sei das Kind auch reif für die Gruppe.
Säuglingsforschung
In den letzten Jahren hat die Säuglingsforschung jedoch ein differenzierteres Bild über die Frühphase der Kindesentwicklung aufgetan. Demnach erleben sich Neugeborene von Anfang an als von der Mutter getrennte Wesen und sind in der Lage, sehr differenziert äußere Reize wahrzunehmen. Sie sind nicht nur passive Wesen, sie werden selbst aktiv und möchten sogar Einfluss auf das Geschehen ausüben. Säuglinge haben ein Bedürfnis nach Kommunikation und ziehen alle Register, um auf sich aufmerksam zu machen.
Säuglinge entwickeln sich relativ schnell zu sozialen Wesen, und es geht ihnen nicht nur darum, Bedürfnisse nach Essen, Trinken, Körperkontakt und Wärme zu befriedigen, sondern auch ihren Willen durchzusetzen, zu erfahren, ob ausreichend Raum besteht, selbst aktiv zu werden und mit anderen in Beziehungen zu treten.
Zusammenfassend könnte man sagen, dass nicht nur das Verhalten der Bindungspersonen, meist der Mutter, bei der Interaktion eine Rolle spielt, sondern für die Entwicklung eines Bindungstyps auch das Temperament und das Wesen des Säuglings bedeutsam sind. Das gleiche Verhalten Erwachsener kann unterschiedliche Reaktionen bei den Kindern hervorrufen, und somit entstehen auch unterschiedliche Bindungstypen. Nur so kann man verstehen, weshalb es durchaus normal entwickelte Erwachsene gibt, die unter frühkindlichen Traumatisierungen wie Misshandlungen, Verlust der Eltern oder Krieg zu leiden hatten.
Keine „sicheren Häfen“
Besonders wesentlich für die Debatte um mehr Krippenplätze ist die Tatsache, dass die ersten zwölf Monate – und nicht die ersten drei Jahre – für die Entstehung eines der vier Bindungstypen prägend sind. In dieser Phase bestimmt die Interaktion des Säuglings mit seinen ersten Bezugspersonen, in der Regel den Eltern, seine weitere emotionale, soziale wie kognitive Entwicklung.
Wissenschaftlich ist zwar erwiesen, dass die Beziehung und Bindung zu Mutter und Vater eine besondere Qualität hat und in der Hierarchie der Bindungsintensität meist ganz oben steht. Babys und Kleinkinder können aber auch zu anderen Personen als Mutter oder Vater, wie beispielsweise zu einer Pädagogin oder zur Großmutter, Bindungen aufbauen. Sie können also durchaus von mehreren Personen erzogen werden. Voraussetzung hierfür ist, dass das Kind regelmäßigen, verlässlichen, intensiven und zeitlich ausreichenden Kontakt zu der anderen Erziehungsperson hat.
Die Bindungstheoretiker haben alle vier Bindungstypen bei Kindern beobachtet, die nur mit ihren Müttern aufwuchsen – auch die desorientierte und desorganisierte Bindung. Schon das zeigt, dass das häusliche Milieu nicht notwendig die ideale Form der Erziehung ist.
Viele Mütter leben unter Bedingungen, die durch gescheiterte Beziehungen, beengte Wohnverhältnisse, Armut, Krankheit, Arbeitslosigkeit der Partner oder Zukunftsängste gekennzeichnet sind. Sie stellen alles andere als „sichere Häfen“ für die Kinder dar.
Empirische Untersuchungen
Die Gegner der Krippenerziehung führen einige Untersuchungen ins Feld, die angeblich die schädlichen Folgen der Krippenerziehung auf das Kind nachweisen.
Wenn Christa Müller vom „schlechten Beispiel Schweden“ spricht, bezieht sie sich auf Forschungsergebnisse des Instituts für Stressforschung, nach denen jedes dritte Kind in Schweden unter psychischen Störungen leidet, jedes Jahr 100 Kinder zwischen vier und sechs Jahren sich das Leben nehmen und schließlich eine steigende Zahl von Kindern die Schule ohne Lese- und Schreibkenntnisse verlässt.
Jedoch ist es nicht erwiesen, dass die Krippenerziehung die Ursache ist. Das Robert-Koch-Institut hat im Mai eine neue Studie vorgestellt. Diese Untersuchung von 17.600 Kindern im Alter zwischen ein bis 17 Jahren hat ergeben, dass in Deutschland Kinder aus sozial schwachen Schichten häufig an Übergewicht, motorischen Problemen und psychischen Auffälligkeiten leiden. Laut der jüngsten Shell-Jugendstudie beeinflusst der Mangel an Ausbildungsplätzen und Jobs das Lebensgefühl Jugendlicher. Zwei Drittel von ihnen haben Angst vor Armut und sozialem Abstieg. Der Kinderpsychiater Fritz Poutska nennt als weitere Risikofaktoren einen Migrationshintergrund, geringes Bildungsniveau und Scheidungen der Eltern.
Auch in Deutschland ist die Quote der Kinder sehr hoch, die ohne Lese- und Schreibkenntnisse die Schule verlassen. Es bringen sich hierzulande jährlich etwa eintausend Kinder und Jugendliche selbst um, und weitere 2.660 versuchen sich das Leben zu nehmen – obwohl die Krippenversorgung unter 10 Prozent liegt. Die Ursachen sind Vernachlässigung, Misstrauen, ständige Kritik durch Eltern, eine die Angst fördernde Erziehung, zu hohe Leistungsanforderungen oder gestörte Familienverhältnisse. Auslösen kann den Selbstmordversuch der Verlust eines Elternteils, Probleme in der Schule, Drogenmissbrauch oder Verkehrsunfälle.
Eine weitere Quelle, auf die sich das „Netzwerk Familie“ gerne beruft, ist eine Längsschnittuntersuchung des US-amerikanischen National Institute for Child Health and Human Development (Nationalinstitut für Kindesgesundheit und menschliche Entwicklung, die Red.), die zwischen 1991 und heute durchgeführt wurde. Bedingt durch fehlenden Mutterschutz in den USA müssen 60 Prozent der Mütter ihre Berufstätigkeit kurz nach der Geburt wieder aufnehmen. So werden ungefähr 7,5 Millionen Kinder in Krippen betreut.
Die Studie untersuchte eintausend Kinder. Das Ergebnis war, dass – entgegen den Behauptungen des „Netzwerks Familie“ – außerfamiliäre Betreuung keinen Einfluss auf die Mutter-Kind-Bindung hat. Alle Bindungstypen wurden in der Studie beobachtet.
Je schlechter die Mutter-Kind-Bindung ausgeprägt war, desto höher war das Risiko, dass dem Kind auch eine schlechte Krippe schadete. Die Qualität der Betreuung in der Krippe stellte also die Weichen für das spätere Verhalten des Kindes. Mit steigender Qualität der Krippe waren die Kinder kooperativer und hatten weniger Verhaltensprobleme. Am wohlsten fühlten sich die Kleinstkinder in Gruppen bis zu fünf Kindern. In großen Gruppen fühlten sich die Kinder hingegen gestresst.
Zur kognitiven und sprachlichen Entwicklung der Kinder stellten die Forscher fest, dass diejenigen Kinder, die in Krippen mit hoher Qualität aufwuchsen, bei den Sprachtests deutlich besser abschnitten als diejenigen, die nur zu Hause aufwuchsen. Zudem wurde festgestellt, dass es für Kinder sogar besser ist in Krippen mit niedriger Qualität aufzuwachsen, als unter ungünstigen Familienverhältnissen, wo die Eltern kaum mit ihren Kindern kommunizieren.
Eine andere Studie kam zu dem Ergebnis, dass Krippenkinder „bockiger“ seien als Kinder, die zu Hause aufwachsen. Jedoch zeigte sich, dass das Ausmaß der Bockigkeit von der Dauer der täglichen Betreuung und der Qualität der Mutter-Kind-Bindung abhängig ist.
Allerdings stellt sich die Frage: Wollen wir nur brave und pflegeleichte dreijährige Kinder haben, die sich alles gefallen lassen? Sind die bockigen auch gleich „verhaltensauffällig“? Sind die stillen, zurückhaltenden gleichzeitig die „besseren“ Kinder? Vielmehr wollen wir doch Kinder, die ihre Bedürfnisse kennen, diese zum Ausdruck bringen, auch wenn es für die Erzieher und Erzieherinnen manchmal schwer ist.
Die vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass die Argumente der Krippengegner nicht stichhaltig sind. Kleinstkinder tragen von ihrem Aufenthalt in Krippen keinen Schaden davon, wenn die Krippen eine hohe Qualität der Betreuung aufweisen und die Beziehung zur ersten nahen Bezugsperson durch einen sicheren und autonomen Bindungsstil gekennzeichnet ist.
Zur Autorin:
Maya Cohen-Mosler ist seit 1968 politisch aktiv. Sie hat über 35 Jahre als Diplom-Psychologin in einer Erziehungsberatungsstelle in Frankfurt am Main gearbeitet. Sie ist Mitglied der Partei DIE LINKE.
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Hintergrund:
Konservative im Zwiespalt
Der Vorschlag von Familienministerin Ursula von der Leyen, das staatliche Angebot an Kinderkrippen auszubauen, hat heftige Kontroversen ausgelöst. So kritisiert der katholische Bischof Walter Mixa, von der Leyen habe nur im Sinn, „junge Frauen als Arbeitskräftereserve für die Industrie zu rekrutieren“. Die Doppelverdienerehe werde von der Ministerin zum ideologischen „Fetisch“ erhoben und degradiere Frauen zu „Gebärmaschinen“. Der ehemalige brandenburgische CDU-Vorsitzende Jörg Schönbohm warf von der Leyen vor, zu unterschlagen, „wie wichtig die Liebe der Mutter und ihr persönlicher Kontakt für das Kind besonders in den ersten drei Jahren sind“.
Heute sind in Deutschland knapp 60 Prozent aller erwerbsfähigen Frauen berufstätig. Schönbohm, Mixa und andere vertreten jedoch das klassische konservative Familien- und Frauenbild, wonach die Ehefrau für die Kindererziehung und die Haushaltsführung zuständig ist.
Dabei geht es um den Erhalt einer Rollenverteilung, die Frauen dazu verurteilt Arbeitssklavinnen im doppelten Sinn zu bleiben: einmal als billige Arbeitskräfte, zum anderen als kostenlose Hauswirtschafterinnen, die die „Herstellungskosten“ neuer Arbeitskräfte, also der Kindererziehung, niedrig halten.
Der scheinbare Antikapitalismus Bischof Mixtas zementiert in Wahrheit diesen Kapitalismus. Indem er die Erwerbstätigkeit der Frau in den ersten drei Lebensjahren der Kinder geißelt, erschwert er den Kampf um die volle Gleichberechtigung der Frauen. Seine Forderung nach einem Hausfrauenlohn läuft auf eine Zuhausbleibprämie hinaus, die sich für die Masse der Frauen als Falle erweist. Die Unterbrechung der Berufstätigkeit verringert die Berufschancen, vermindert die Rentenansprüche, zementiert die materielle Abhängigkeit der Frauen von den Männern. Kurz: Mixta sorgt mit dafür, dass sich an der untergeordneten Stellung der Frau im Kapitalismus nichts ändert.
Von der Leyens Projekt der Neuregelung des Elterngeldes nutzt vor allem besser verdienenden und hoch qualifizierten Frauen. Diesen will sie das Kinderkriegen schmackhaft machen, indem ihnen nach der Schwangerschaft den Wiedereinstieg ins Berufsleben erleichtert wird.
Die Masse der Familien und Mütter hat in Zeiten sinkender Reallöhne und steigender Preise kaum eine andere Wahl, als Jobs mit völlig ungeregelten Arbeitszeiten anzunehmen, auch wenn das bedeutet, dass sie ihre Kinder vernachlässigen müssen. Die Zerstörung der Familien wird durch die Flexibilisierung der Arbeit vorangetrieben. Die Mixtas und Schönbohms wären glaubwürdiger, wenn sich ihre Sorge um das Wohl der Kinder gegen längere Ladenöffnungszeiten und Arbeitszeitverlängerungen richtete.
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Hintergrund:
Forderungen für eine familien-ergänzende Erziehung
Wenn man Forderungen für eine familienergänzende Erziehung aufstellt, sollten sie die Interessen von Eltern, Kindern und Pädagogen gleichzeitig berücksichtigen. Es reicht nicht, lediglich die Einrichtung von 750.000 neuen Krippenplätzen zu verlangen. Vor allem reicht es nicht, erst in über fünf Jahren ein Recht auf einen Krippenplatz zu gewähren, wie dies die Bundesregierung beschlossen hat. Angemessene Forderungen, die DIE LINKE. aufstellen könnte, wären:
Die Interessen von Eltern:
- Das von SPD und CDU/CSU verabschiedete Elterngeld ist eine Verschlechterung der bisherigen Regelung und bevorzugt die gut verdienenden Mütter. Nicht-Berufstätige erhalten heute 300 Euro über 12 Monate. Das ist eine Halbierung im Vergleich zum bisherigen Erziehungsgeld, das bei 300 Euro über 24 Monate lag. Berufstätige Mütter erhalten 67 Prozent ihres Lohnes bis maximal 1.800 Euro. Die Linke sollte ein Elterngeld in gleicher Höhe für alle fordern, mindestens jedoch
- 1.000 Euro im ersten Lebensjahr des Kindes.
- Für das zweite und dritte Lebensjahr sollte es möglich sein, durch finanzielle Zuwendung einen schrittweisen Wiedereinstieg ins Berufsleben zu ermöglichen. Unternehmen müssen Teilzeitregelungen für Eltern akzeptieren.
- Spätestens ab dem dritten Jahr sollte das Kind in den Kindergarten, damit alle Kinder annähernd gleiche Entwicklungschancen haben.
- Der Krippenbesuch muss kostenfrei sein.
- Pro Kind müssen wie früher drei Jahre Erziehungszeit für den Rentenanspruch anerkannt werden.
Die Interessen von Pädagogen:
- Die Qualität der Ausbildung muss zunehmen.
- Die Gehälter, die derzeit bei etwa 1.200 Euro liegen, müssen steigen, damit die Fluktuation sinkt.
- Bezahlte Supervision und ausreichende Vorbereitungszeiten sind notwendig.
- Qualifiziertes Personal muss eingestellt werden, um den Betreuungsschlüssel auf 1:4 zu erhöhen.
Die Interessen von Kindern:
- Kinder sollten eine behutsame Eingewöhnung in die Krippe bekommen.
- Die pädagogische Fachkräfte sollten zuverlässig sein.
- Es muss eine geringe Fluktuation beim pädagogischen Fachpersonal gewährleistet sein.
- Es sollten großzügige Räumlichkeiten mit guter Ausstattung zur Verfügung gestellt werden.