Die USA und ihre Verbündeten bereiten einen militärischen Angriff auf Syrien mit Marschflugkörpern vor. Diese Intervention droht den syrischen Bürgerkrieg zu einem internationalen Krieg zu eskalieren.
Der Angriff wird als »Strafaktion« für einen Giftgaseinsatz in den Vororten von Damaskus gerechtfertigt, denen mutmaßlich über tausend Menschen zum Opfer gefallen sind. US-Außenminister Kerry sagte: »Die willkürliche Ermordung von Zivilisten, von Frauen, Kindern und unschuldigen Passanten durch Chemiewaffen ist moralisch verwerflich.«
Tatsächlich legt nicht nur die syrische Opposition, sondern auch die Angehörigen der Opfer des Chemiewaffeneinsatzes dem Assad-Regime dieses Verbrechen zur Last. Doch Kerrys Erschütterung ist geheuchelt. Denn die US-Regierung hat mit dem Einsatz von Chemiewaffen durch eigene und verbündete Streitkräfte noch nie ein Problem gehabt. Große Mengen des hochgiftigen und krebserregenden »Weißen Phosphors« wurden von der US-Armee nach der amerikanisch-britischen Invasion 2003 über irakischen Städten eingesetzt. Die israelischen Streitkräfte benutzten »Weißen Phosphor« 2009 bei ihrem Angriff auf Gaza.
Der irakische Diktator Saddam Hussein setzte Mitte der 80er Jahre gegen den Iran Nervengas in Mengen ein, wie seit dem 1. Weltkrieg nicht mehr – nun enthüllte das Magazin »Foreign Policy«, dass die US-Regierung von Beginn an darüber im Bilde war, aber Saddam Hussein weiter im Krieg gegen den Iran unterstützte. Die USA sind kein Freund der arabischen Demokratiebewegungen. Im kleinen Golfstaat Bahrain wurde der Protest der Bevölkerungsmehrheit 2011 durch saudische Panzer niedergewalzt. Doch die US-Regierung rührte keinen Finger, obgleich ihre Marine in Bahrain einen großen Stützpunkt unterhält. Auch das Verhältnis zum Assad-Regime war nicht immer so schlecht wie heute dargestellt. So unterstützte das syrische Regime den US-geführten Angriff gegen den Irak 1991 mit eigenen Truppen. Während des von Präsident George Bush ausgerufenen »Krieges gegen den Terror« brachte die CIA Gefangene nach Syrien, wo sie in Gefängnissen gefoltert wurden. Der heutige Außenminister Kerry war vor 2011 mehrfach in Damaskus und nannte Assad einen »Freund«.
Die Bundesregierung bemühte sich traditionell um eine Öffnung des Westens zu Assad und kooperierte ebenfalls auf geheimdienstlicher Ebene mit dessen Regime. Unlängst bemühte sich die Bundesregierung daran anzuknüpfen. Einem Bericht der ARD zufolge war BND-Chef Schindler in der ersten Maiwoche 2013 in Damaskus zu Gast gewesen.
In Begleitung des Leiters der für die Abwehr des internationalen Terrorismus zuständige BND-Abteilung habe er die Wiederaufnahme der Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten beider Länder anschieben wollen. Es sei dem deutschen Auslandsgeheimdienst darum gegangen, so die ARD, »die Erkenntnisse der syrischen Kollegen zu nutzen«. Der bevorstehende Angriff gegen Syrien ist Ergebnis der dramatischen geopolitischen Verschiebungen in der Region seit 2011, die die imperialistischen Rivalitäten zwischen Groß- und Regionalmächten angefacht haben. Den USA und seinen Verbündeten geht es heute darum, den im Zuge des arabischen Frühlings verlorengegangenen Einfluss im Nahen Osten und Nordafrika wieder herzustellen, notfalls mittels militärischer Gewalt. Der Sturz des engen US-Alliierten Mubarak war ein harter Rückschlag für die USA. Ägypten und andere arabische Länder sind seitdem in eine Phase der Instabilität eingetreten, die Kräfte an das Ruder bringen könnten, die sich schwer in die US-Agenda einbinden lassen.
Die USA treibt ein doppeltes Spiel: Dort, wo die Regime in der Lage sind, Bewegungen zu unterdrücken, wie in Saudi-Arabien und Bahrain, werden sie dabei unterstützt. In Libyen hingegen führten die USA und Frankreich einen Luftkrieg, um in dem bewaffneten Konflikt zwischen Gaddafi-Regime und Aufständischen Kräfte an die Macht zu bringen, die mit dem Westen kooperieren. In Ägypten, wo es weiter gärt, unterstützen sie heute verbal die Entwicklung zur Demokratie, setzen aber zugleich die Direktzahlungen an das putschistische Militär fort.
Im Falle von Syrien ist die US-Strategie widersprüchlich. Die Linie der Obama-Administration war von der Angst geprägt, dass ein durchschlagender militärischer Sieg der Aufständischen islamistische Kräfte ans Ruder bringt, die den US-Interessen gegenüber feindlich gesonnen sind. Zugleich wollen sie im Bündnis mit den reaktionären Golfmonarchien Saudi-Arabien und Katar das Assad-Regime eindämmen, das nur als Klient Russlands und des Irans überleben kann. Noch am 19. August 2013 drückte es US-Generalstabschef Martin Dempsey so aus: »In Syrien geht es nicht darum, sich für eine von zwei Seiten, sondern für eine von vielen Seiten zu entscheiden. […] Ich bin der festen Auffassung, dass die Seite, die wir wählen, in der Lage sein muss, sowohl ihre als auch unsere Interessen zu verfolgen, sollte sich die Balance zu ihren Gunsten verändern. Gegenwärtig ist sie es nicht.«
Seitdem hat die Obama-Administration eine Wende vollzogen. Sie hat sich entschieden, mit einem direkten Angriff gegen das Assad-Regime ihre militärische Vormachtstellung in der Region zu demonstrieren. Für die Menschen in Syrien verheißt diese Entscheidung nichts Gutes. Ein US-Bombardement wird nicht nur die Zahl der Kriegsopfer und Flüchtlinge weiter nach oben treiben. Es wird auch das Assad-Regime politisch stärken. Denn es erleichtert ihm die Propaganda, der gesamte Widerstand sei nichts als eine vom Westen gesteuerte Verschwörung, um das Land konfessionell und ethnisch zu spalten.
US-Bomben bringen keinen Frieden und keine Befreiung. Die Antwort auf die Repression durch das Regime kann nur von innen kommen. So hat der oppositionelle syrische Studierendenverband im scharf bewachten Damaskus eine Massenflugblattaktion gestartet, die den Giftgasangriff verurteilt. Auch ist die Zahl der Freitagsdemonstrationen in den vom Regime befreiten Gebieten trotz des Kriegs wieder nach oben gegangen – Schwerpunkt war der Protest gegen Assads Chemiewaffen. Dieser Widerstand ist zivil geprägt und richtet sich in Städten wie Rakka und Aleppo auch gegen die Gewalt dschihadistischer Gruppen. Ein Angriff der US-Armee auf Syrien würde diesen zivilen Widerstand schwächen. Die Bundesregierung hat unterdessen erklärt, sie werde die Verbündeten unterstützen, wenn diese »Konsequenzen« zögen. Dafür stünde der »militärische Werkzeugkasten« bereit. Denkbar ist die Beteiligung an einem US-Angriff durch die Bereitstellung militärischer Aufklärung mittels AWACS-Flugzeuge, die feindliche Ziele identifizieren können. Oder auch die Weitergabe von Informationen durch ein Spionageschiff der Bundesmarine, das bereits seit Jahren im östlichen Mittelmeer kreuzt. Die Bundesregierung hat der sich bildenden westlichen Militärkoalition einen Blankoscheck ausgestellt, der Deutschland zu einer Kriegspartei in dem nächsten Nahostkrieg machen kann.
Die von der Bundesregierung mit Unterstützung von SPD und Grünen vor einigen Monaten entsandten deutschen Patriot-Raketen birgen ein besonderes Gefahrenpotenzial. Die türkische Regierung hat bereits laut die Kriegstrommeln geschlagen und kann es kaum abwarten, sich an einem Angriff gegen Syrien zu beteiligen. Der drohende Gegenschlag kann eine militärische Konfrontation in Gang setzen, in der Bundeswehrsoldaten direkt beteiligt sind.
69 Prozent der deutschen Bevölkerung sind laut Forsa-Umfrage gegen einen Angriff auf Syrien. Diese Stimmung unterstützt die Friedensbewegung und die LINKE bei ihren Forderungen:
Keine US-Bomben gegen Syrien
Sofortiger Abzug der deutschen Patriot-Raketen