80.000 haben in Rostock gegen die G8 demonstriert. Auch wenn Politiker und Konzernmedien den Protest wegen der Ausschreitungen am Rande in Zweifel ziehen: Er bleibt richtig, weil die G8 keine Lösungen für die drängenden Probleme der Welt anbieten, sondern Teil des Problems sind
Die Demonstration in Rostock war laut, bunt und selbstbewusst. Auf zwei Routen zogen jeweils rund 30.000 Menschen zum Stadthafen, wo sich weitere Tausende anschlossen. Die Atmosphäre war von Sprechchören und Musik geprägt. Sehr viele Menschen hatten selbst gebastelte Plakate und Transparente mitgebracht, die sich einfallsreich gegen Klimawandel, Ungerechtigkeit und Krieg wendeten. Misstrauen gegen die G8 war dabei ihr Leitmotiv.
Die Anliegen der Demonstranten sind berechtigt wie nie. Merkel hat schon zugegeben, dass der Gipfel wahrscheinlich nichts Verbindliches gegen den Klimawandel beschließen wird. Der Entwurf der Abschlusserklärung schlägt gegen Hunger und Armut in der Welt nur mehr Freihandel vor, obwohl der diese Probleme bisher nur verschärft hat. Über die blutigen Kriege in Irak und Afghanistan möchten die G8 lieber gar nicht reden. Der Träger des alternativen Nobelpreises, Walden Bello, rief auf der Abschlusskundgebung dazu auf, den Krieg zum Thema zu machen, weil es ohne Frieden keine Gerechtigkeit geben könne.
Um die Demonstranten von der Unterstützung durch die breite Bevölkerung zu isolieren, fand in den letzten Wochen eine beispiellose Welle der Kriminalisierung statt. Mit grundlosen Wohnungsdurchsuchungen, Einschränkung des Demonstrationsrechts, Entnahme von Geruchsproben, Kontrolle von Briefsendungen und Einführung von Grenzkontrollen versuchten Regierung und Polizei zu verhindern, dass sich der Protest gegen sie artikuliert. Es ist ihnen nicht gelungen. Die Demonstration war so breit zusammengesetzt, wie der Protest in der Bevölkerung verankert ist. Menschen jeden Alters waren aus dem ganzen Bundesgebiet nach Rostock gereist.
Dass es am Rande der Demonstration zu Ausschreitungen kam, hängt auch mit der Angst zusammen, die in den letzten Wochen geschürt wurde. Auf einzelne Steinwürfe und den Angriff auf ein Polizeiauto hat die Polizei vollkommen überzogen reagiert. Viele Demonstranten haben versucht, beruhigend zu wirken. Es wäre nicht das erste Mal, dass Gewalt von Provokateuren ausging. Trotz der Deeskalationsversuche hat die Polizei einen Teil der Demonstration angegriffen. Dass in der folgenden Bürgerkriegsatmosphäre mit kreisendem Hubschrauber über der Hauptbühne und Wasserwerfereinsatz am Rande der Abschlusskundgebung die Lage eskaliert ist, kann niemanden verwundern.
Es ist zu befürchten, dass Polizei und Konzernmedien nun ihr Leitmotiv gefunden haben: Die Gewalt der Gipfelkritiker. Die wirkliche Gewalt geht aber von dem Wirtschaftssystem aus, das den Globus beherrscht und den Politikern und Konzernbossen, die es verteidigen. Kapitalismus bedeutet für die übergroße Mehrheit der Welt Hunger und Armut, Elend und Krieg. Jeder hat das Recht, sich dagegen zu wehren. Doch in Heiligendamm wird der Kampf um die Abschaffung des Kapitalismus nicht entschieden. Angriffe auf Polizeiautos oder Supermärkte lassen dieses Ziel kein Stück näherrücken. Der Gipfelprotest hat zwei Trümpfe in der Hand: Niemand vertraut den G8 und die G8 haben keine Lösungen. Diese Trümpfe können jetzt Tag für Tag auf Veranstaltungen und symbolischen Blockaden ausgespielt werden.