Ford-Arbeiter in Genk wehren sich gegen eine Werkschließung – und werden von Kollegen aus anderen Ländern dabei unterstützt. Von David Jeikowski
Es ist der 11. November und Franco Langone weiß genau, warum er heute protestiert: »Wenn Ford schließt, kann ich mich beim Arbeitsamt einreihen und stempeln gehen.« Er gehört zu den älteren Ford-Arbeitern. Mit seinen 52 Jahren sieht er keine Chance, woanders einen Job zu bekommen.
Am 24. Oktober hatte der US-Autokonzern verkündet, das Werk im belgischen Genk schließen zu wollen. Betroffen sind 4600 Mitarbeiter sowie mehr als 5000 Beschäftigte in der Zulieferindustrie. Wird das 1964 eröffnete Werk wirklich geschlossen, blutet die ohnehin strukturschwache Gegend weiter aus. Ford ist der mit Abstand größte Arbeitgeber der 65.000 Einwohner zählenden Stadt. Das Durchschnittsalter im Werk liegt bei 48 Jahren. Viele arbeiten seit zwanzig oder mehr Jahren im Betrieb. Die Arbeitslosenquote in Genk beträgt schon jetzt 17 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit ist die höchste in Flandern.
Verlagerung per Video angekündigt
Die Schließung und Verlagerung der Mondeo-Produktion ins spanische Valencia wurde per Video-Konferenz angekündigt. Das Europa-Management von Ford hielt es noch nicht einmal für nötig, diese Nachricht persönlich zu übermitteln. Die Arbeiter und ihre Gewerkschaftsvertreter waren davon ausgegangen, dass eine Restrukturierung angekündigt werden würde. Niemand hatte daran gedacht, dass auch eine komplette Schließung bevorstehen könne.
Die Gewerkschaften und die Betriebsräte haben gegenüber Ford in der Vergangenheit immer wieder Zugeständnisse gemacht, um die Produktion in Genk zu halten. Erst vor zwei Jahren hatten sie einer Lohnkürzung von zehn Prozent zugestimmt. Die Ford-Arbeiter in der belgischen Stadt arbeiten für fünf Prozent weniger Lohn als ihre Kollegen in Deutschland und Frankreich. Trotzdem soll nun die Produktion nach Spanien und Teile der spanischen Produktion ins deutsche Werk Saarlouis verlagert werden.
Solidarität aus vielen Betrieben
Aus vielen anderen Betrieben waren Delegationen aus Solidarität nach Genk gekommen. Von Audi Brüssel, Volvo, Dow, Van Hool, von Philips Turnhout, Echo, ArcelorMittal – alles Unternehmen, bei denen selbst die Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen.
Im Vorfeld der Proteste gab es auch in Deutschland eine Demonstration belgischer Protestkultur. Am 7. November wurde die Schließung des Werks in der Kölner Europazentrale von Ford verhandelt. Die angereisten belgischen Mitarbeiter des Werks wollten dagegen protestieren. Das Entfachen eines kleinen Feuers und das Zünden von Knallkörpern reichte aus, um einen Großeinsatz der Polizei auszulösen: Die Arbeiterinnen und Arbeiter wurden eingekesselt, abfotografiert und ihre Personalien wurden festgestellt. Außerdem wurden zehn Personen festgenommen.
Die Kolleginnen und Kollegen erhielten prompt Unterstützung und zahlreiche Solidaritätsbekundungen. So schrieben zum Beispiel der Betriebsrat und die Vertrauenskörperleitung von Johnson Controls in Bochum: »Mit Empörung haben wir den gestrigen Polizeieinsatz zur Kenntnis genommen. Es liegt schon Jahrzehnte zurück, dass in Deutschland so massiv gegen Arbeiter polizeilich vorgegangen worden ist. Wir protestieren aufs Heftigste dagegen. Dabei ist euer Protest völlig berechtigt. Auch unsere Arbeitsplätze sind unter anderem durch die drohende Schließung des Bochumer Opelwerkes bedroht. Der Gedanke, werks- und länderübergreifend zu kämpfen, ist zu unterstützen. Wir möchten euch hiermit unsere volle Solidarität ausdrücken.« Ein weiterer Aktionstag ist in Planung.
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