Mit einem 48-stündigen Generalstreik wehren sich die Griechen dagegen, mit einem gigantischen Sparpaket für die Krise bezahlen zu müssen. Sie haben Recht, meint Stefan Bornost. Vorabveröffentlichung aus marx21, Heft 21, Sommer 2011
Die Menschen in Griechenland arbeiten im Jahresschnitt 2119 Stunden, in Deutschland sind es 1390 Stunden. Das griechische Lohnniveau lag schon vor der Krise bei 73 Prozent des Eurozone-Durchschnitts, jetzt ist es noch niedriger. Die griechische Staatsverschuldung liegt bei 160 Prozent des Bruttoinlandprodukts, die von Japan bei 200 Prozent.
Das sind die Fakten. Nein, nicht jene aus der Bild-Kampagne gegen die »faulen Pleitegriechen«, sondern die aus der realen Welt.
In der realen Welt wird die Bevölkerung Griechenlands gerade für Vergehen bestraft, die sie nicht begangen hat. Die Milliarden für die Bankenrettung hat Griechenlands Haushalt vergleichsweise schlecht weggesteckt, weil die Steuern für Reiche und Konzerne fortwährend gesenkt und dann größtenteils nicht einmal eingezogen wurden. Das vorhandene Geld hat die Regierung für die Olympischen Spiele im Jahr 2004 oder für den Kauf deutscher U-Boote verpulvert. Dann kamen die Spekulanten und haben die Zinsen hochgetrieben. Für zweijährige Staatsanleihen müsste Athen 25 Prozent bezahlen, im weit höher verschuldeten Japan sind es 0,2 Prozent.
Nun behauptet die »Troika« aus EU, Europäischer Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF), »Heilung« gäbe es durch weitere Lohnsenkungen, tiefere Einschnitte bei den Staatsausgaben und den Ausverkauf von staatseigenen Unternehmen. Doch schon die Folgen der Sparmaßnahmen des vergangenen Jahres waren wirtschaftlicher Niedergang, massiv steigende Schulden und zunehmende Arbeitslosigkeit. Ganz offensichtlich stehen die Rettung der griechischen Wirtschaft oder gar die Verbesserung der Lebensverhältnisse der Bevölkerung nicht im Zentrum des Handelns von IWF und der europäischen Regierungen. Nicht diskutiert hat die »Troika« hingegen das, was die Menschen auf den Straßen Griechenlands fordern: Einen kompletten Schuldenerlass. Das ist die einzig plausible Alternative zum Spar- und Kürzungskurs.
Zum Autor:
Stefan Bornost ist leitender Redakteur von marx21.
Zum Text:
Der Artikel ist eine Vorabveröffentlichung aus marx21, Heft 21, Sommer 2011. Hier die aktuelle Ausgabe als Einzelheft bestellen (3,50 plus Porto) oder marx21 abonnieren bzw. das Jahresabo-Angebot nutzen. Wer marx21 bisher noch nie bestellt hat, kann ein kostenloses Probeheft ordern (im Abo-Formular in der Drop-Down-Liste »Art des Abonnements wählen« die Option »Ich will eine Ausgabe von marx21 kostenlos testen« auswählen).
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