Im Kampf gegen die Schließung ihres Betriebes errungen die Kolleginnen und Kollegen des Continetal-Werkes Clairoix in Frankreich einen Teilerfolg. marx21 dokumentiert ein Interview mit Didier Bernard von der Gewerkschaft CGT über die Ergebnisse, Hintergründe und Lehren des Streiks.
Kannst du uns erzählen, wie ihr euch zu Beginn und während eures Kampfes organisiert habt?
Ganz am Anfang, als wir von der geplanten Schließung erfuhren, war das wie ein Schlag ins Gesicht. Es handelt sich doch um eine Fabrik, die Gewinne einfährt, aber von Gaunern geleitet wird. Die Kollegen waren davon ausgegangen, dass mit ihrem Zugeständnis, die Arbeitszeit auf 40 Stunden zu erhöhen, sie für Continental Clairoix eine sichere Zukunft zumindest bis 2012 erkauft hätten. Die Ankündigung der Schließung hat uns umgeworfen.
Wir haben unsere nächsten Schritte mit der Hilfe eines ehemaligen Arbeiters von Chausson Creil erarbeitet. Alles sollte auf einer Vollversammlung beschlossen und von dort aus der Kampf organisiert werden. Das ging relativ problemlos über die Bühne. Die Menschen waren angewidert aber nicht resigniert, sie wollten sich wehren.
Während der ersten sechs Wochen mussten dazu noch alle betroffenen Gewerkschaften auf eine Linie gebracht werden. Es ist uns schließlich gelungen, eine gemeinsame Front aufzubauen. Das war der Punkt, an dem alle sich wirklich in den Kampf geworfen haben. Es war ein langwieriger Weg, aber er hat sich ausbezahlt.
Was sind eure Forderungen? Ging es in erster Linie um den Erhalt der Arbeitsplätze?
Aus gewerkschaftlicher Sicht waren wir natürlich gegen die Schließung. Aber die Verhandlungen über den Sozialplan hatten bereits begonnen, und die Unternehmensleitung hatte klipp und klar gesagt, dass die Schließung unausweichlich sei. Daher hatten wir keine Zeit zu verlieren und mussten uns auf den Sozialplan konzentrieren. Wäre er abgeschlossen, hätten wir nichts mehr in der Hand gehabt. Deshalb haben wir von unserer Grundsatzforderung abgesehen und uns auf Verhandlungen eingelassen. Allerdings außerhalb des gesetzlichen Rahmens des Sozialplans. Wir reden zwar nicht von der Nichtschließung, allerdings schon von unseren und nicht von deren Forderungen. Das hat uns zwei Monate gekostet.
Wenn es sich um ein französisches und kein deutsches Unternehmen gehandelt hätte, hätten wir möglicherweise noch einiges machen können, aber da es sich um ein ausländisches Unternehmen handelt und alles von der Ferne gesteuert wurde, blieb uns kaum eine andere Wahl. Also haben wir für feste Zusagen und die rechtliche Absicherung unserer Kolleginnen und Kollegen gekämpft, außerdem noch für ein außerordentliches Schmerzensgeld.
Was genau habt ihr erreicht?
Mit der 40-Stunden-Woche-Vereinbarung und der versprochenen »goldenen Zukunft« bis 2012 sind wir bereits übers Ohr gehauen worden. Unsere erste Forderung war daher die Fortsetzung der Arbeitsverträge bis Ende 2011, Anfang 2012 – das konnten wir auch durchsetzen. Es wird einige Monate Teilarbeitslosigkeit und einige Monate von Conti bezahlte Monate geben. Vor allem konnten wir aber 23 Monate Wiedereingliederungszeit erkämpfen. Normalerweise stünden uns nur neun Monate zu. Unser Nettolohn bis 2012 liegt bei 80 Prozent, so sind wir davor geschützt, total zu verarmen. Es bleibt uns bis zur eigentlichen Arbeitslosigkeit Zeit, einen anderen adäquaten Arbeitsplatz zu suchen.
Und wie steht es mit der Abfindung?
Das war unsere zweite Forderung. Es sind 50.000 Euro Netto ohne jeglichen Abzug für alle. Das gilt auch für diejenigen, die erst seit drei oder vier Jahren bei uns sind. Sonst wären sie mit 2.400 oder 3.000 Euro abgefunden. So können sie ihr frisch gekauftes Haus zumindest teilweise abbezahlen. Aber auch für die Älteren ist das ein richtiger außergesetzlicher Bonus, mit dem sie nicht gerechnet haben. Denn sie hätten normalerweise bestenfalls die Hälfte erwarten können.
Die dritte Forderung war die Anrechnung der Betriebsjahre in Bezug auf die Rente für die Älteren. Das betrifft 116 Kollegen ab 51-undeinhalb Jahren, die sich ab sofort im gesetzlichen Ruhestand befinden. Das muss Continental aus der Betriebsrentenkasse finanzieren. So haben wir im Endeffekt unsere drei zentralen Forderungen, die wir von Anfang an vertreten haben, alle zu 100% durchgesetzt.
Und was steht jetzt an?
Wir haben sieben Kollegen, die wegen Vandalismus in der Unterpräfektur von Compiègne angeklagt sind. Wir kämpfen um die Einstellung des Verfahrens. Es sind keine Verbrecher, sondern ehrenhafte Arbeiter, die seit zehn oder zwanzig Jahren für Continental arbeiten und sich von der Firma, aber auch vom Staat und der Justiz verraten fühlen, die mit den Ganoven unter einer Decke stecken und nichts dagegen unternehmen, dass sie Gewinne einstreichen und anschließend alles dicht machen.
Glaubt ihr nicht, dass ein gemeinsamer Appell an alle »Contianer«, die von ähnlichen Entlassungensplänen betroffen sind, auf ein großes Echo stoßen würde?
Ich bin sogar davon überzeugt. Während unseres Kampfes erhielten wir die Solidarität und die Anteilnahme verschiedener Standorte, die schlecht behandelt, verlagert oder geschlossen werden. Wir hoffen sehr, dass unser Beispiel, auch wenn wir die Schließung letztlich nicht verhindern konnten, Schule macht. Es zeigt, dass wir trotz Schließung dennoch Garantien erkämpfen können, die es uns ermöglichen, diese Krisenzeit zu überleben und dann wieder Arbeit oder einen Neueinstieg zu finden. Ich hoffe, dass sie daraus die Lehre ziehen: Kämpfen lohnt sich. Viele dachten, es würde nichts bringen, sie hatten keine Hoffnung. Wir haben das Gegenteil bewiesen, dass man sogar in einer verzweifelten Lage etwas erreichen kann. Jeder Kampf ist es Wert, aufgenommen zu werden.
Werdet ihr euch weiterhin mit den Kollegen von Goodyear oder Lear treffen?
Auf jeden Fall. Wir haben noch einige Monate vor uns vor dem Umschulungsurlaub. Die Kollegen von UTI, Lear, Smile, Goodyear und andere in der Umgebung können sich alle auf uns verlassen. Das haben wir ihnen fest versprochen. Das ist keine Floskel. Die Freunde, die Kolleginnen und Kollegen, alle, die in Not sind und von den Arbeitgebern in die Scheiße gezogen wurden, sie alle können auf uns zählen.
Zum Text:
Veröffentlichung auf marx21.de mit freundlicher Genehmigung von www.npa2009.org. Dort ist er zuerst auf Französisch erschienen. Deutsche Übersetzung von David Paenson.
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