Zu Recht wird Innenminister Schäuble für seine Vorschläge kritisiert, die Bundeswehr im Inneren einzusetzen oder Verdächtige vorbeugend zu erschießen. Doch seine Pläne sind nicht nur gegen die Bürgerrechte, sondern gegen alle gerichtet, die sich für eine gerechtere Welt einsetzen.
Ein Kommentar von Jan Maas
Vor knapp zwei Monaten lag Innenminister Schäubles Taktik für alle offen. In den Wochen vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm schürten Polizei, Regierung und viele Massenmedien in Einklang miteinander Angst vor einem Anschlag auf das Treffen.
Mal hieß es, gewaltbereite Globalisierungskritiker wollten die Staatschefs angreifen, mal sollte der Gipfel zur Zielscheibe islamistischer Terroristen werden. Angeblich, um das zu verhindern, verbot man friedliche Demonstrationen, sperrte Unschuldige tagelang in Käfige und ließ Kampfjets im Tiefflug über Campingplätze donnern.
Glücklicherweise haben sich weder die Demonstranten vor Ort noch die Bevölkerung dauerhaft einschüchtern lassen. Die Proteste waren ein voller Erfolg, der Gipfel wie erwartet ein Fiasko.
Ungeachtet dessen hat Schäuble damals ein wichtiges Ziel erreicht: Den Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Und nun will er mehr davon. Doch die Ziele, die er damit angeblich verfolgt, sind Augenwischerei.
Schäuble schürt unbegründete Angst
Vor allem wird die Gefahr von Anschlägen durch Politiker und Massenmedien völlig übertrieben. Bei Arbeitsunfällen oder im Straßenverkehr sterben beispielsweise viel mehr Menschen als bei Anschlägen.
2,2 Millionen verlieren jedes Jahr bei Arbeitsunfällen und durch berufsbedingte Erkrankungen ihr Leben. Zwischen 1 und 1,2 Millionen sterben jährlich an den Folgen von Verkehrsunfällen. Doch die Debatte in Politik und Medien wird nicht davon bestimmt, wie diese Opfer zu verhindern wären, sondern von der angeblichen Gefahr durch internationalen Terrorismus.
Tatsächlich sind in den letzten Jahren deutsche Soldaten in Afghanistan erstmals Opfer von Terroranschlägen geworden. In Afghanistan unterstützt die Bundeswehr eine undemokratische Marionettenregierung, die mit in der Bevölkerung verhassten Kriegsherren zusammenarbeitet.
Weiterhin unterstützt die Bundesregierung den so genannten Krieg gegen Terror, der in Wirklichkeit selbst Terror ist, wie Bushs Krieg gegen die Iraker oder Putins Krieg gegen die Tschetschenen. Nur aufgrund dieser Außenpolitik besteht tatsächlich eine, wenn auch sehr kleine, Gefahr von Anschlägen.
Gegen Attacken wie etwa in Madrid 2004 oder London 2005 ist mit den von Schäuble vorgeschlagenen Methoden indes gar nichts auszurichten. Beide Anschläge wären weder durch gezielte Todesschüsse noch durch den Einsatz der Armee im Inneren zu verhindern gewesen. Auch auf das Ausschnüffeln von Telefonaten, E-Mails oder Festplatten durch die geplante Online-Durchsuchung können Interessierte sich einstellen.
Demokratieabbau und Sozialabbau
Gegen die behaupteten Ziele sind Schäubles Waffen völlig wirkungslos. Beim G8-Gipfel konnten auch schon alle sehen, dass sie sich in der Praxis nicht gegen Terroristen richten, sondern gegen alle, welche die herrschende neoliberale Politik herausfordern wollen.
Der anhaltende Sozialabbau der Regierung einerseits und der Konzerne andererseits führt zu großer Skepsis gegenüber dem politischen und wirtschaftlichen System. Knapp die Hälfte der Menschen ist überzeugt, dass Sozialismus im Prinzip eine gute Idee ist.
Proteste wie gegen den G8-Gipfel erfahren eine große Unterstützung auch von Menschen, die sich nicht aktiv daran beteiligen. Auch die wachsende Unterstützung für DIE LINKE ist Ausdruck einer globalisierungs- und kapitalismuskritischen Grundstimmung.
In dem Maße, in dem die Regierung den Sozialabbau vorantreibt, unterminiert sie auch weiterhin das Vertrauen der Bevölkerung in das System. Doch wenn die Vertrauensbasis für diese Bindung bröckelt, werden Zwangsmaßnahmen gebraucht. Darum gehen Sozialabbau und Demokratieabbau Hand in Hand.
Hoffnung Globalisierungskritik
Das Schlimme daran ist, dass Schäuble damit die Kraft angreift, die zur Lösung des behaupteten Terrorismus-Problems beitragen könnte. Der wichtigste Nährboden des Terrorismus ist extreme Ungerechtigkeit.
Viele Untersuchungen bestätigen, dass die meisten Attentäter aus Milieus kommen, die sich für ihr Leben und ihr Land besseres erhoffen, als von Marionettenregimes westlicher Industriestaaten regiert zu werden.
Unter anderem gegen diese Ungerechtigkeit setzt sich im letzten Jahrzehnt die weltweite Bewegung für eine andere Globalisierung ein. Sicherheit vor Anschlägen gibt es nur gegen Schäuble und mit dieser Bewegung.