Oskar Lafontaine gibt den Parteivorsitz ab. marx21 über das politische Erbe Lafontaines und die künftigen Herausforderungen der LINKEN.
Lafontaine hat die LINKE entlang der Interessen von lohnabhängig Beschäftigten und mit einem antimilitaristischen Kurs mitaufgestellt. Das kristallisiert sich in den Kernforderungen der LINKEN: Hartz IV muss weg, Nein zur Rente mit 67, her mit dem Mindestlohn, Bundeswehr raus aus Afghanistan. Die Organisierung rund um diese Forderungen sorgen für Strahlkraft bis weit ins sozialdemokratische Lager. Dazu hat Lafontaine betont, dass starke Opposition Veränderung bewirken kann. In seiner Saarbrücker Rede verweist er auf den Aufbau der deutschen Sozialgesetzgebung unter Bismarck und Adenauer – offenkundig nicht mildtätige Gabe linker Regierungen, sondern konservativen Regierungen abgetrotzt durch eine starke Gewerkschaftsbewegung und Sozialdemokratie. Diese Veränderung hat Grenzen, die Lafontaine nicht immer klar benannt hat. Rosa Luxemburg wies zu Recht darauf hin, dass einmal errungene Fortschritte im Kapitalismus stets gefährdet sind. Die Herrschenden sind immer sprungbereit, um Krisen, hohe Arbeitslosigkeit und generell Schwächephasen der Arbeiterbewegung auszunutzen, um einmal Erreichtes wieder abzuräumen. Dennoch bleibt der grundsätzliche Punkt von Lafontaine richtig, die Debatte um gesellschaftliche Veränderung nicht auf Regierungshandeln zu verengen.
In der Debatte um Regierungsbeteiligungen hat Lafontaine eine Position formuliert, die für die Unterstützer der aktuellen Regierungsbeteiligungen in Berlin und Brandenburg wesentlich unverdaulicher ist als für deren Gegner. Oskar Lafontaine befürwortet zwar Regierungsbeteiligungen. Dabei soll die LINKE aber unverhandelbare Haltelinien nicht überschreiten, um ihre Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren. Dietmar Bartsch und mit ihm viele verantwortliche Genossen bevorzugen die Formulierung, eine rot-rote Regierung müsse »deutlich die Handschrift der LINKEN« tragen. Hier geht es nicht um sprachliche Finessen, sondern um handfeste Unterschiede. Eine der von Lafontaine benannten Haltelinien ist zum Beispiel »Kein Abbau des Öffentlichen Dienstes, kein Sozialabbau mit der LINKEN«. Diese Position führt Lafontaine konsequenterweise in die Ablehnung des Koalitionsvertrags von Brandenburg, der Personalabbau im Öffentlichen Dienst vorsieht. De facto bedeuten die von Lafontaine genannten Haltelinien eine Absage an Regierungsbeteiligungen jetzt und in absehbarer Zukunft. Die wirtschaftliche Situation, die daraus folgende Finanzsituation in Bund, Länder und Kommunen und die Verhaftung von SPD und Grünen in einer Politik für Standort und Konzerne – all dies macht rot-rot-grün zu einer illusionären Perspektive für Veränderung.
Lafontaine hat zum Ärger seiner Gegner den Preis benannt, den die LINKE für eine Regierungsbeteiligung ohne Haltelinien bezahlen würde: Organisatorische und politische Auflösung. In seiner Saarbrücker Rede benannte er als Beispiele für diesen Prozess die anhaltende Krise der SPD und die Krise der Linkspartei Rifondazione Communista in Italien, die in einer rot-rot-grünen Regierung erheblich an Einfluss verloren hat. Die von Lafontaine betriebene kompromisslose Opposition gegen Sozialabbau und Krieg greift zurück auf Mehrheiten in Gesellschaft und der Partei – und wird dies auch nach seinem Rückzug tun. Von daher ist DIE LINKE gut beraten, die von Lafontaine mitvorgezeichnete Linie weiterzuverfolgen.
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