Auch mit dem neuen Zuteilungsgesetz für CO2-Zertifikate, das die Bundesregierung am 22. Juni beschlossen hat, wird das Klima nicht geschützt. Kraftwerksbetreiber können sogar mit einem Trick Extragewinne machen.
Braunkohlekraftwerk Weisweiler der RWE AG. Das Kraftwerk gehört zu den 30 umweltschädlichsten in Europa (Wikimedia Commons)
Umweltminister Gabriel (SPD) lobt die neuen Regeln beim Emissionshandel (siehe Stichwort). Danach dürfen Industrie und Energiewirtschaft zwischen 2008 und 2012 jährlich nur noch 453 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) in die Luft blasen. Derzeit sind es 475 Millionen Tonnen. Effiziente Kraftwerke und Anlagen würden belohnt und „Dreckschleudern« belastet, meinte er. Damit würde Deutschland die im Kyoto-Protokoll verabredete Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen erreichen.
Für solchen Optimismus gibt es keinen Grund. Bisher hat der seit 2005 existierende Emissionshandel nichts zum Klimaschutz beigetragen. Konzerne wurden großzügig mit kostenlosen Verschmutzungsrechten (Emissionszertifikaten) ausgestattet. Mitte vergangenen Jahres hat das zum Zusammenbruch des Marktes für CO2-Zertifikate geführt. Gleich Null ist der Anreiz für Konzerne, sich vom Klimakiller Nr.1, der Braunkohle, zu verabschieden. Derzeit planen sie sogar laut der Umweltorganisation BUND 27 neue Kohlekraftwerke. Werden diese Pläne Realität, kann Gabriel das Kyoto-Protokoll in den Papierkorb werfen. Im vergangenen Jahr ist der CO2-Ausstoß in Deutschland bereits um 0,6 Prozent gestiegen.
Mit dem neuen Zuteilungsgesetz sollen angeblich die Missstände beseitigt werden. Doch es bevorzugt weiterhin Kohlekraftwerke. Diese dürfen fast doppelt so viel CO2 ausstoßen wie weniger klimaschädlichen Gaskraftwerke. Anlagen, die Braunkohle verfeuern, werden mit einem Trick nochmals besser ausgestattet. Die Standardauslastung der Anlagen wird – nur auf dem Papier – von 7500 Betriebsstunden im Jahr auf 8250 erhöht. Entsprechend mehr Verschmutzungsrechte erhalten die Betreiber. Die Umweltstiftung WWF befürchtet, dass durch das Gesetz ein Boom für neue Kohlekraftwerke entsteht.
Es gibt auch im neuen Gesetz keine wirksamen Regeln gegen Missbrauch, berichtet Der Spiegel. Für die neue Periode des Emissionshandels von 2008 bis 2012 können Betreiber für eine veraltete Anlage die volle Ausstattung mit Verschmutzungsrechten beantragen. Haben sie diese erhalten, können sie den Betrieb herunterfahren. Die dadurch nicht genutzten Zertifikate können sie dann gewinnbringend verhökern. „Da plant manch einer nur einen Scheinbetrieb«, sagte Rainer Braake von der Deutschen Umwelthilfe gegenüber dem Magazin.
Anstatt Kraftwerksbetreiber und Industrie direkt mit Auflagen und Steuern zu umweltfreundlicherer Produktion zu zwingen, setzt die Bundesregierung weiterhin auf den Markt (siehe Kommentar). Doch der Emissionshandel ist nicht nur ineffektiv, er ist auch viel zu teuer. 1100 Euro je Tonne CO2 kostete die Reduzierung des Treinhausgas-Ausstoßes durch den Emissionshandel die Verbraucher im Jahr 2005. Durch den Ausbau erneuerbarer Energien entstanden im gleichen Jahr nur Kosten von 57 Euro je verminderter Tonne CO2. Abgesehen davon ist durch die Förderung erneuerbarer Energien acht mal mehr CO2 eingespart worden als durch den Handel mit Verschmutzungsrechten.
Obwohl der Emissionshandel ein zahnloser Tiger ist, drohen Industrie und Energiekonzerne. Letztere haben angekündigt, die mit dem neuen Zuteilungsgesetz entstehenden Kosten durch Preiserhöhungen bei den Verbrauchern abzuladen. Das haben sie allerdings auch in der Vergangenheit getan. Die ihnen von der Bundesregierung bislang kostenlos zugeteilten Verschmutzungsrechte stellten sie den Verbrauchern zu Marktpreisen in Rechnung und fuhren dadurch milliardenschwere Extraprofite ein.
Durch den zukünftigen Verkauf von knapp 10 Prozent der Zertifikate, wie es das neue Zuteilungsgesetz vorsieht, kann Missbrauch nicht gestoppt werden. Voraussetzung dafür wäre eine rigide staatliche Kontrolle und Deckelung der Energiepreise. Stattdessen hat die Bundesregierung zum 1. Juli die Tarifaufsicht für Elektrizität abgeschafft. In der Vergangenheit mussten die Energiekonzerne ihre Stromtarife von den Wirtschaftsministern der Bundesländer prüfen und genehmigen lassen.
Die Energieversorger nutzen die Gunst der Stunde und haben bereits Preiserhöhungen zum 1. Juli angekündigt. Zum Beispiel sollen Vattenfall-Kunden in Berlin 6,5 Prozent und in Hamburg 7,2 Prozent mehr zahlen.
Stur halten die Energiekonzerne an fossilen Energien fest und sabotieren mit dem Bau neuer Kohlekraftwerke den Klimaschutz. Der dringend nötige Umstieg auf erneuerbare Energien, den auch Klimaexperten fordern, wird damit auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben. Die Zeche zahlen die Verbraucher. In den letzten sieben Jahren sind die Energiepreise explodiert: Strom ist 46 Prozent teurer geworden, Gas sogar 76 Prozent. Weder die ehemalige rot-grüne, noch die jetzige schwarz-rote Regierung hat es gewagt, sich mit der Energielobby anzulegen. Auch das neue Zuteilungsgesetz produziert nicht viel mehr als heiße Luft.
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Ein Kommentar von Frank Eßers, Online-Redakteur bei marx21.de
Mit Marktmechanismen die Umwelt zu schützen, funktioniert nicht. „Ein System, das nur auf Mehrverbrauch, Umsatz- und Gewinnsteigerung orientiert ist, kann die ökologische Frage nicht lösen«, sagte Oskar Lafontaine auf dem Gründungsparteitag der LINKEN Mitte Juni. Er hat recht.
Die Linkspartei fordert deshalb die Verstaatlichung der Stromnetze und staatliche Preiskontrolle. Auch die mit der Liberalisierung der Strommärkte ab Ende der 90er Jahre privatisierten Stadtwerke und kommunalen Gasversorger sollen wieder in staatliche Hand überführt werden. Das wäre ein enormer Fortschritt. Denn durch solche Schritte würden Verbraucher entlastet. Alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien hingegen machen Politik für Konzerne – zu Lasten von Mensch und Umwelt.
Netzbetrieb und privatisierte, ehemals kommunale Versorger sind allerdings nur ein Teil der Energiewirtschaft. In der Hand der großen vier Konzerne E.on, Vattenfall, RWE und EnBW liegt die größte Macht. Sie nutzen diese, um Preise zu diktieren und die Politik zu kontrollieren. Um dem einen Riegel vorzuschieben, müssen die vier Energieriesen enteignet werden. Anders ist auch der vollständige und zügige Umstieg auf erneuerbare Energien nicht zu schaffen.
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Wichtigstes Instrumentarium „grüner Marktwirtschaft« ist derzeit der so genannte Emissionshandel. Sein Prinzip: Vom Staat werden Unternehmen Verschmutzungsrechte zugeteilt, so genannte Emissionszertifikate. Will ein Betrieb mehr Treibhausgase in die Atmosphäre abgeben, als ihm zusteht, muss er weitere Zertifikate an einer Börse kaufen. Unternehmen, die weniger ausstoßen, können mit dem Verkauf ihrer Zertifikate Geld verdienen.
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Hintergrund:
>> Wir können das Klima retten: Eine marx21-Analyse gängiger Klimaschutz-Strategien
>> Schwarzbuch Klimaschutzverhinderer – Verflechtungen zwischen Politik und Energiewirtschaft, herausgegeben von Greenpeace, Hamburg 2007, 18 Seiten (PDF, 702 KB)