Nach Giftgasangriffen auf Vororte von Damaskus, bei denen vermutlich über 1000 Menschen gestorben sind, bereitet die US-Regierung einen Militärschlag gegen Syrien vor. Dieser ist genauso abzulehnen wie das Regime Assad selbst
Der Aufstand gegen Assad ist Teil des arabischen Frühlings. 2011 hat eine Massenbewegung in vielen syrischen Städten soziale und demokratische Forderungen aufgestellt, die Unterstützung verdienen. Die Bewegung ist anders verlaufen als in Ägypten, weil es unter dem Regime Assad so gut wie keinen Raum für eine unabhängige Arbeiterbewegung gab. Während in Ägypten sich seit 2006 eine Massenstreikbewegung entwickelte, war das Niveau an Klassenkämpfen in Syrien vor Ausbruch der Revolution gering. Das führte dazu, dass die Bewegung in den größten Städten Aleppo und Damaskus nicht stark genug war, um den eisernen Griff der staatlichen Repression zu brechen.
In diesen beiden Zentren verfügt das Regime auch über Rückhalt in privilegierten Bevölkerungsschichten, die von der neoliberalen Öffnung Syriens in den letzten Jahren profitiert haben oder im Staatsdienst in direkter Abhängigkeit von Assads Apparat stehen. Weil Assad anders als Mubarak nicht schnell stürzte, konnte das Regime den Konflikt militarisieren. Dies hat der Ausweitung der Bewegung den Weg abgeschnitten und soziale Konflikte innerhalb der vom Regime kontrollierten Gebiete abgewürgt. Die Militarisierung des Konflikts macht es der Bewegung auch schwerer, ohne externe militärische Hilfe ihre Ziele zu erreichen.
Interventionen von außen
Russland hat Assad von Anfang an mit Waffen unterstützt. Die Golfstaaten, insbesondere Katar und Saudi-Arabien, haben ebenfalls ihnen nahestehende, also konservativ religiöse Kräfte unterstützt. Das Ausmaß dieser Unterstützung wird von den Unterstützern Assads übertrieben. Tatsache ist aber, dass sie ausgereicht hat, um innerhalb des Widerstands den ursprünglich im revolutionären Prozess nicht vorhandenen oder marginalisierten islamistischen Gruppen einen erheblichen Vorteil zu verschaffen und ihre Anziehungskraft zu steigern.
Seit Herbst 2012 spielt auch die sich zu Al-Kaida bekennende Nusra-Front eine wachsende militärische Rolle. Allerdings betrifft dies vor allem den Norden, nicht die von den Giftgasangriffen betroffenen Gebiete um Damaskus. Die große Mehrheit der Kämpfer des Widerstands bekennt sich nach wie vor zur Freien Syrischen Armee, die eine lose Vernetzung lokal gebundener Widerstandsgruppen darstellt.
USA bislang zögerlich
Die USA haben bislang eine effektive Intervention in den Bürgerkrieg vermieden. Das hat verschiedene Gründe: Die USA blicken auf Syrien durch die Augen Israels. Seit zwei Jahren wiederholen führende US-Politiker gebetsmühlenartig, dass die größte Gefahr von islamistischen Gruppen in Syrien ausgehe. Die Kräfte aus dem Exil, die sich stark mit den USA und ihrer Agenda identifizieren, spielen vor Ort keine Rolle. Hingegen galt Assad als berechenbar, zuweilen kooperationsbereit, wie die Zusammenarbeit gegen islamistische Kräfte während des Krieges gegen Terror zeigte.
Sofern es überhaupt eine US-Strategie in Syrien gab, so bestand sie darin, einen befürchteten durchschlagenden Sieg für den militärischen Widerstand zu hintertreiben, aber gleichzeitig den Druck auf das Regime aufrechtzuhalten. Die Lösung, mit der der Westen am Besten leben könnte, wäre eine fortgesetzte Regentschaft Assads unter Einschluss von Teilen der Opposition, um den Krieg und seine destabilisierende Wirkung zu begrenzen. Auf diese Lösung hat sich Assad bisher nicht eingelassen, weil er davon ausging, den Bürgerkrieg militärisch zu gewinnen. Gut möglich, dass das Herbeibomben einer Verhandlungslösung ein Kalkül hinter einer US-Intervention ist – ebenso wie der Beweis der Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit des US-Imperialismus.
Wende der US-Politik
Am vergangenen Wochenende ist es zu einer scharfen Wende der US-Politik gekommen. Die US-Regierung bereitet offen einen Angriff mit Marschflugkörpern vor und instrumentalisiert dafür das Leid der syrischen Bevölkerung. So finster die Aussichten für die syrische Bewegung auch sind – ein US-Militärschlag ist nicht der Weg nach vorne im Kampf gegen Assad. Selbst wenn das syrische Militär einige Schläge hinnehmen müsste – politisch würde Assad gewinnen.
Denn sein Argument, hinter dem Aufstand stünde ein westlicher Versuch, das Land konfessionell und ethnisch zu spalten, wird an Überzeugungskraft gewinnen. Die einzige Antwort kann nur von innen kommen. So hat der oppositionelle syrische Studierendenverband im scharf bewachten Damaskus eine Massenflugblattaktion gestartet, die den Giftgasangriff verurteilt. Auch ist die Zahl der Freitagsdemonstrationen im ganzen Land trotz des Kriegs wieder nach oben gegangen – Schwerpunkt war der Protest gegen Assads Chemiewaffen.
Weder US-Imperialismus noch Assad
Der bevorstehende US-Angriff wird die Konstellation nachhaltig verschieben und alle anderen Punkte in den Hintergrund drängen. DIE LINKE mobilisiert zuallererst gegen den Militärschlag und gegen die sich abzeichnende Unterstützung der US-Koalition durch die Bundesregierung. Zugleich sind aber Versuche abzulehnen, das Regime Assad zu verharmlosen oder gar als vermeintlich antiimperialistische Kraft darzustellen.
Die Mobilisierung der Friedensbewegung zum Antikriegstag am 1. September wird im Zeichen des US-Angriffs auf Syrien stehen. Ein wichtige und einheitstiftende Forderung für diese Proteste ist der sofortige Abzug der Patriot-Raketenstaffeln der Bundeswehr aus dem syrisch-türkischen Grenzgebiet, die Deutschland in einen regionalen Krieg hineinziehen könnten.
Mehr im Internet:
- Bernd Riexinger im ARD Morgenmagazin: Linke gegen Militäreinsatz in Syrien
- Presseerklärung von Christine Buchholz MdB: Unterstützung der Bundesregierung für Kriegskoalition ist Wahnsinn