Im jetzt bereits angelaufenen Parteienwettbewerb für die Bundestagswahl 2013 wird die öffentliche Aufmerksamkeit auf zwei Fragen ausgerichtet: Wer wird von den einzelnen Parteien als Spitzenkandidat aufgestellt und welche Partei erhält von welcher anderen das Prädikat, für eine Regierungskoalition akzeptabel zu sein. In beiden Fällen handelt es sich um Täuschungsmanöver, meint Arno Klönne
In der SPD rumort es. Doch nicht die politische Linie der Partei ist Gegenstand der teils offen, teils verdeckt geführten Konflikte, sondern die K-Frage – wen soll man für die nächste Bundestagswahl als Spitzenkandidaten präsentieren? Demoskopische Firmen wirken dabei als Ratingagenturen mit. Und sollte es als werbetaktisch vorteilhaft erscheinen, kommt auch eine Urwahl durch die Parteimitglieder in Betracht.
Stärkere Neigung zu diesem Verfahren zeigt die Partei der Grünen. Sie hat ein Problem: Ihre Spitzenkandidatur soll zweigeschlechtlich sein. Der männliche Teil steht praktisch schon fest, auf der weiblichen Seite gibt es noch Gerangel. Da ist es am besten, die Personalentscheidung der Basis zuzuschieben.
Personalisierung zu Werbezwecken
Mit der Spitze, um die beide Parteien sich abmühen, ist eigentlich die Bewerbung um das höchste Regierungsamt gemeint, die Kandidatur für die Kanzlerschaft. Als verfassungsmäßige Prozedur im Wahlkampf gibt es die gar nicht, das Grundgesetz der Bundesrepublik kennt sie nicht. Die großen Parteien haben sie zu Werbezwecken konstruiert, Personalisierung der Konkurrenz schien ihnen politisch profitabel.
Keineswegs ist übrigens gesichert, dass eine Partei ihren Spitzenkandidaten dann im neu gewählten Bundestag auch wirklich zum Kanzler oder zur Kanzlerin vorschlägt. Und für eine Partei wie die Grünen stellt sich die K-Frage real nicht, vermutlich muss sich, was die nächste Wahl angeht, auch die SPD darüber nicht den Kopf zerbrechen, eher über die Vize-K-Frage.
Reklamefiguren ohne Funktion
Aber müssen vielleicht die Parteien, von der Kanzlerwürde abgesehen, bei den Wahlen eine bundesweite Spitze herausstellen? Auch das ist eine dem Marketing dienende Konstruktion, im Bundeswahlgesetz überhaupt nicht vorgesehen.
Das Gesetz kennt nur Landeslisten der Parteien, mit einer Reihenfolge. Eine Bundesliste gibt es nicht. Innerparteiliche Urwähler suchen also Reklamefiguren aus, eine verfassungspolitische Funktion haben diese nicht.
Kanzler ohne Koalition
Ohne grundgesetzliche Bedeutung ist auch das Konstrukt Regierungskoalition. Die Verfassung der Bundesrepublik gibt keineswegs vor, dass Parteien bzw. deren Abgeordnete, um eine Regierung an die Macht zu bringen und sie dort zu halten, eine feste, womöglich vertraglich geformte Koalition bilden sollen.
Der Begriff Regierungskoalition kommt im Grundgesetz nicht vor. Ein Kanzler oder eine Kanzlerin kann gewählt werden, ein Kabinett zusammengestellt und das Regierungsgeschäft betrieben werden, ohne dass Parteien eine sozusagen standesamtliche Partnerschaft eingehen.
Seltsame Zertifikate
Seltsam ist es deshalb, wenn in der Partei DIE LINKE oder über diese Partei Diskurse geführt werden, ob denn das Zertifikat regierungs- oder koalitionsfähig erreicht oder verliehen werden könne. Abgeordnete einer Partei können einem Vorschlag für die Kanzlerschaft, wenn er ihnen als das kleinere Übel erscheint, zustimmen, ohne sich in eine Regierungskoalition hineinzubegeben.
Es steht ihnen frei, Gesetzesvorschlägen einer Regierung, sollten diese im konkreten Fall vernünftig sein, zuzustimmen ohne koalitionäre Bindung. Die grundgesetzlichen Regeln enthalten keine Empfehlung, sich um der Möglichkeiten einer Regierungskoalition willen politisch anzupassen und selbst zu disziplinieren.
Ablenken von Kritik an Inhalten
Die Konstrukte Spitzenkandidatur und Regierungskoalition haben keinen Boden in der Verfassung, aber sie entspringen parteilichen Interessen und erzeugen politische Wirkungen. Sie beherrschen die mediale Berichterstattung.
Sie fixieren die Wahrnehmung von Bürgerinnen und Bürgern auf Personenkonkurrenz und parteipolitische Geschäftsverbindungen. Sie lenken ab von der kritischen Auseinandersetzung mit den Inhalten von Parteien- und Regierungspolitik.
Zuletzt in Klönnes Klassenbuch:
- Leichter Töten mit Bundeswehr-Drohnen: Die Bundeswehr bereitet sich auf den Gebrauch von Kampfdrohnen vor – eine folgenschwere Neuerung in der Militärpolitik, meint Arno Klönne
- Die CSU will Deutschland retten: Generalsekretär Dobrindt möchte Deutschland vor der roten Gefahr bewahren – das tat auch schon die Vorgängerpartei der CSU, meint Arno Klönne.
- Streit um den Rettungsschirm: Die politischen Strukturen in Europa werden derzeit massiv verändert: Fiskalpakt und Europäischer Stabilisierungsmechanismus (ESM) sind Schritte auf dem Weg zu einem autoritären europäischen Finanzsystem, das die Souveränität der Einzelstaaten und den Parlamentarismus praktisch außer Kraft setzt. Diese Entwicklung ruft Widerspruch hervor. Aber nicht alle Kritiker führen Fortschrittliches im Schilde, meint Arno Klönne