Nicht nur die CDU, auch die SPD hat bei der Hamburger Bürgerschaftswahl viele Wählerstimmen verloren. DIE LINKE konnte mit mit einem linken, sozialen Profil Nichtwähler gewinnen und die extreme Rechte schwächen. Eine Wahlanalyse des marx21-Netzwerkes
Die Parteien der großen Koalition sind geschwächt aus der Hamburgwahl hervorgegangen. Die CDU hat 54.000 Stimmen verloren – davon 41.000 an die Nichtwähler. Die SPD verlor 6.000 Stimmen und holte das zweitschlechteste Nachkriegs-Ergebnis. Der Wahlkampf des SPD-Spitzenkandidaten Naumann hatte einen ähnlich linken Akzent wie der von Andrea Ypsilanti. Naumann hatte allerdings als treuer Vasall von Gerhard Schröder ein Glaubwürdigkeitsproblem. Deshalb konnte er durch die »linke« Ausrichtung die Stimmverluste zwar begrenzen, aber nicht aufhalten.
Sehr erfreulich ist: Die Parteien rechts von der CDU, die 2001 in Form der Schill-Partei 19,4 Prozent holten, wurden vollständig marginalisiert – die einzelnen Rechtsaußen-Fragmente holten zusammen nicht mal 1 Prozent.
Frieden und soziale Gerechtigkeit
Die Grünen haben 31.000 Stimmen verloren. Vermutlich haben sich die Spekulationen über Schwarz-Grün demobilisierend auf die Teile der Grünen-Wählerbasis ausgewirkt, die sich als links verstehen. Sollte in Hamburg tatsächlich eine schwarz-grüne Koalition gebildet werden, dann kann DIE LINKE für viele Grünen-Anhänger und Mitglieder attraktiv werden. Der Parteienforscher Jürgen Falter hat in seiner Analyse der Hamburgwahl darauf hingewiesen, dass die Antikriegshaltung der LINKEN für viele ein wichtiger Grund dafür war, ihr die Stimme zu geben: »Die Linke ist die einzige pazifistische Partei. Die Grünen haben bei diesem Thema die Waffen gestreckt.«
Für die Wechselwähler, die von SPD (9.000) und Grünen (6.000) zur LINKEN kamen, war das Thema soziale Gerechtigkeit mit 73 Prozent das ausschlaggebende Motiv.
Extreme Rechte geschwächt
DIE LINKE hat mit 6,4 Prozent den Einzug in die Hamburger Bürgerschaft geschafft und als einzige Partei vormalige Nichtwähler mobilisiert (9.000 Stimmen). Sie war auch entscheidend daran beteiligt, dass die harten Rechten an den Rand gedrängt wurden – der größte Zuwachs der LINKEN (17.000 Stimmen) kam von den sonstigen Parteien, deren Hauptbestandteil die Fragmente der Schill-Partei waren. Während die Schill-Partei in der Vergangenheit vom Sozialabbau Betroffene gewinnen konnte, in dem sie Ausländer und Migranten als Sündenböcke hinstellte, konnte DIE LINKE mit sozialen Forderungen und einem klaren linken Profil einen Teil dieser Wähler wieder nach links ziehen.
Überproportional gut hat DIE LINKE unter Arbeitern (10 Prozent) und vor allem unter Arbeitslosen (19 Prozent) abgeschnitten.
Damit ist das strategische Ziel der LINKEN, bei den Landtagswahlen Anfang 2008 in die westdeutschen Landtage einzuziehen, voll erreicht.
Einige hatten mehr erwartet
Trotz dieses Erfolgs waren einige Anhänger der LINKEN nach Bekanntgabe des Ergebnisses enttäuscht, da das tatsächliche Ergebnis unter den optimistischen Prognosen von bis zu 10 Prozent geblieben ist. Pessimismus ist jedoch nicht angesagt. Erstens sollte man sich nicht zu sehr von Umfragewerten beeindrucken lassen, da sie oft enormen Schwankungen unterliegen. Denn sie können nicht das tatsächliche Wahlverhalten einfangen.
Allerdings lohnt eine Debatte, warum nicht noch mehr Menschen für die Perspektiven der Linken gewonnen werden konnten. In absoluten Zahlen verlor DIE LINKE in Hamburg im Vergleich zur Bundestagswahl 2005 9.300 Stimmen, auch wenn der prozentuale Stimmenanteil sich, aufgrund der insgesamt gesunkenen Wahlbeteiligung, von 6,3 auf 6,4 % erhöht hat.
Kampagne gegen LINKE
Die vorliegenden Analysen legen nahe, dass die Kampagne von rechten Politikern und Presse anlässlich des Panorama-Interviews von Christel Wegner tatsächlich Wirkung gezeigt hat. 31 Prozent der Wähler gaben an, dass, so die Fragestellung, »Wegners Stasi-Äußerungen« für sie wahlentscheidend waren. Vermutlich handelt es sich eher um Wähler, die eine Stimmabgabe für die LINKE erwogen haben. 71 Prozent finden unter der Fragestellung ‚Aussagen über Parteien‘, »Kommunisten auf den Listen der LINKEN schwierig«.
DKP-Debatte
Durch ein Interview mit dem DKP-Mitglied Christel Wegner in der Sendung Panorama wurde diese Debatte losgetreten. Die DKP verweist auf »antikommunistische Propaganda und Kampagnen« gegen die DKP und DIE LINKE. Tatsächlich weigert sich die Sendung Panorama bis heute, das volle Interview mit Wegner freizugeben. Deswegen lässt sich ihre Aussage, ihre Stements wären aus dem Kontext gerissen worden und sie hätte sich nie auf die Stasi bezogen, leider nicht nachprüfen.
Tatsache ist jedoch auch, dass ein positiver Bezug auf die DDR, wie er erklärte DKP-Position ist, die Trennwände zu potentiellen Wählern aufbaut, weil die Mehrheit der Arbeiter zu Recht in der DDR kein Modell für eine bessere Gesellschaft sieht. Wer für die DIE LINKE kandidiert, sollte auch die Positionen der LINKEN vertreten. Dennoch ist es nicht förderlich, nach Unvereinbarkeitsbeschlüssen zu rufen. Solche Fragen müssen in der LINKEN politisch gelöst werden – und nicht administrativ.
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