Einen euphorischen Empfang haben die Zuhörer Barack Obama in Berlin nicht bereitet, meint Jan Maas, der vor Ort war.
Die Szenen an der Siegessäule mit »Obamania« zu bezeichnen, wie es einige Medien getan haben, ist übertrieben. Vor allem, wenn man sie mit der Mutter des Begriffs vergleicht, der »Beatlemania« in den 60er Jahren, als reihenweise Menschen wegen einer Popgruppe in Ohnmacht fielen. Der US-Präsidentschaftsbewerber wurde zwar mit freundlichem Applaus und ein paar Sprechchören bedacht, aber mehr war nicht.
Doch es ist bemerkenswert, dass Obama in Deutschland mit 200.000 Besuchern ein größeres Publikum angezogen hat als in den USA, wo 75.000 zur seiner bisher größten Veranstaltung kamen. Dabei war diese schon die größte Wahlkampfveranstaltung in den Vereinigten Staaten, seit Abraham Lincoln für die Abschaffung der Sklaverei antrat.
Hinter diesem Interesse an und der Sympathie für Barack Obama steht wohl vor allem die Unbeliebtheit des derzeitigen US-Präsidenten Bush. Die Hoffnung ist groß, dass ein Ende seiner Präsidentschaft auch ein Ende seiner Politik bedeutet. Und diese Hoffnung versteht der demokratische Bewerber zu schüren und für sich zu nutzen. Gemessen am Applaus sind die größten Wünsche: eine friedliche und partnerschaftliche Weltordnung, ein entschlossener Kampf gegen die Erderwärmung und eine Welt ohne Rassismus und Diskriminierung.
Ob Obama in diesem Sinne handeln wird, bleibt abzuwarten. Beim genauen Hinhören zeigt sich aber schon jetzt, dass er wohl weit weniger ändern wird, als die meisten Menschen hoffen. Seine allgemeine Absage an die Folter, ohne Guantanamo zu nennen, klingt beispielsweise eher nach Rechtfertigung neuer Kriege im Namen der Menschenrechte als nach Kritik an Bush.
In Obamas Programm finden sich Forderungen nach mehr Geld für Marine und Luftwaffe. Was mit den 100.000 Söldnern privater Sicherheitsfirmen passieren soll, die mit US-Auftrag im Irak kämpfen, hat er bisher offen gelassen. Zurückziehen will der Senator nur einen Teil der US-Kampftruppen.
Obama betreibt ein Re-Branding, eine neue Verkaufsstrategie für US-amerikanische Machtpolitik. Das erklärt auch die große Unterstützung wichtiger US-Konzerne für den Demokraten, die so die weltweite Isolation der derzeitigen US-Regierung zu überwinden hoffen.
Doch wenn Obama die Einzelheiten dieses Re-Branding nennt, scheinen sich bei vielen Zuhörern schon erste Zweifel unter die Hoffnung zu mischen. Seine Aufrufe zum Krieg gegen den Terror und zu mehr Engagement in Afghanistan – also zu mehr Soldaten, das hat er nur nicht wörtlich gesagt -, erhielten viel weniger Beifall als der Rest seiner Rede.
Menschen mit Transparenten, T-Shirts und Plakaten gegen den Krieg in Afghanistan oder Schildern für die Abschaffung der Todesstrafe, die es trotz der Absperrung bis zur Siegessäule geschafft haben, sind von vielen Zuhörern freundlich aufgenommen worden.
Obamas Kritiker haben es nur in wenige Massenmedien geschafft. Schon das Design des Presseausweises der Veranstalter mit dem Slogan »Change we can believe in« in vielfacher Größe über dem Wort »Medien« scheint zu symbolisieren, dass viele Journalisten im Sinne der Kampagne arbeiten statt als kritische Betrachter.
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