Unser Interview mit dem russischen Sozialisten Ilja Budraitskis über die Bewegung in der Ukraine ist der meistgelesene Artikel, seit marx21.de online gegangen ist. Klar, dass es über Iljas Einschätzung auch Meinungsverschiedenheiten gibt. Einige haben ihm aber vorgeworfen, die ukrainischen Faschisten zu verharmlosen. Das halten wir für eine gravierende Missinterpretation.
Der russische Sozialist Ilja Budraitkis leugnet in seine Interview mit der online-redaktion von marx21 keineswegs, dass es in der Bewegung faschistische Kräfte gibt, aber er macht einen Unterschied zwischen der Maidan-Bewegung und den darin beteiligten faschistischen Parteien. Eine solche Unterscheidung ist in der Tat von großer Bedeutung zum Verständnis der Maidan-Bewegung und ihre Triebkräfte.
»Die Ideologie des ‚Rechten Sektors’ ist eindeutig faschistisch«, sagt Ilja B. An mehreren Stellen führt er aus, dass die Faschisten in der Bewegung präsent sind, versuchen sie zu dominieren und dass sie bedauerlicher Weise Ansehen in der Bewegung genießen – nicht wegen ihrer faschistischen Ideologien, sondern wegen ihrer Rolle als aktive Straßenkämpfer.
Kräfteverhältnisse in der Ukraine
Auf die Frage: »Ist die Bewegung faschistisch?« sagt Ilja: »Es gibt keine faschistische Bewegung«. Verschiedene Kritiker des Interviews haben diesen Satz aus dem Zusammenhang gerissen und so interpretiert, dass es keine rechtsextremen und faschistische Bewegung in der heutigen Ukraine gebe. Tatsächlich benutzt Ilia im gesamten Interview den Begriff der Bewegung als Kurzform für die Maidan-Bewegung zum Sturz der Regierung.
Kampf um die Maidan-Bewegung
Ilja argumentiert also keineswegs im Sinne einer Verharmlosung des Faschismus, im Gegenteil: Er warnt die Linke, die Bewegung den Faschisten zu überlassen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Sozialisten in Bewegungen auf Nazis treffen und gegen diese um Einfluss kämpfen müssen.
Ilia leugnet nicht das Bestehen und Wirken von rechtsextremen und faschistischen Parteien, er stellt aber in Abrede, dass die Maidan-Bewegung „im Kern“ einefaschistische sei, bei deren Sieg das gegenwärtige pro-russische Oligarchen-Regime durch ein faschistisches Regime ersetzt würde.
Hier kommt Ilja zu dem Schluss, dass er eine Konstellation, wie sie in Deutschland und Italien in den 20er und 30er Jahren bestand und aus der heraus ein Sieg der faschistischen Bewegung erst möglich war, in der heutigen Ukraine nicht sieht. Darüber kann man sicher diskutieren, aber eine Verharmlosung oder Leugnung einer faschistischen Rechten in der Ukraine ergibt sich daraus nicht.
Das Interview mit Ilja Budraitkis über die Proteste der Ukraine
Reaktionen auf das Interview:
Verharmlosung der ukrainischen Faschisten ist unangebracht – Eine Stellungnahme von Ellen Brombacher, Thomas Hecker und Wulf Kleus
Der Tagesspiegel über den Streit um eine Positionierung zur Ukraine in der LINKEN
Eine von der jungen Welt abgedruckte stark gekürzte und kommentierte Version des Interviews