Europas Regierungen streiten über den Umgang mit Griechenlands Schulden. Einig sind sie sich nur darin, die Bevölkerung zahlen zu lassen. Von Volkhard Mosler
Ein Krisengipfel jagt den anderen. Bisher konnten sich Europas Regierungschefs auf nichts einigen. Seit Wochen gibt es ein Tauziehen zwischen der französischen und deutschen Regierung über die Mischung von »Monetarisierung mit der Bazooka« oder »Default« als Lösung.
Für eine Lösung mit der »Panzerfaust« treten Sarkozy, Cameron und Berlusconi ein, für einen radikalen Schuldenschnitt kämpft Merkel. Europa schwankt zwischen Deflation und Inflation, zwischen 1932 und 1923, zwischen Sparpaketen im Stile der Brüning-Regierung und einer Geldschwemme oder »Hyperinflation« wie in Deutschland 1922/23.
Nervöse Herrschende
Der Ton hat sich verschärft. Sarkozy fordert Cameron auf, »die Klappe zu halten«, über Merkel macht er sich lustig, dass sie angeblich Diät halten wolle, dann aber »zur Käseplatte greife« und Berlusconi schimpft über Merkels Hintern (»culona inchiavabile«, oder »unpackbarer Hintern«).
Sarkozys Vorschläge laufen letztlich darauf hinaus, dass die EZB zur »Bad Bank« Europas wird und damit das Risiko französischer Bankpleiten auf alle verteilt wird. Cameron hat dies mit den Worten unterstützt, Europa müsse endliche zur »Bazooka«, zu schweren Waffen, greifen. Da dies im Endeffekt über eine »Haftungsunion« auf eine stärkere Belastung Deutschlands hinausläuft, hat sich Merkel solchen Vorschlägen bisher widersetzt.
Die Gefahr eines Aufkaufs aller Schulden von Banken und Staaten durch den neuen europäischen Rettungsschirm EFSF läuft darauf hinaus, die Gelddruckmaschine anzuwerfen. Die Schulden von Staaten würden so entwertet, aber auch Löhne, Gehälter, Renten und alle anderen Geldvermögen von kleinen Sparern, die keine Aktien besitzen.
Zwischen Ackermann und Sarkozy
Merkel setzt sich stattdessen für einem radikalen Schuldenschnitt von 60 Prozent für Griechenland ein. Da die deutschen Großbanken, allen voran die Deutsche Bank, im letzten Jahr unter der Hand schon mehr als die Hälfte ihrer Griechenlandanleihen an die deutsche »Bad Bank« verkauft haben, träfe der Schnitt diese weniger hart als die französischen, belgischen aber auch britischen Banken.
Trotzdem hat Ackermann für die Deutsche Bank bisher seine Zustimmung verweigert. Er möchte eine Lösung, die möglichst das gesamte Risiko auf den Staat abwälzt. So laviert Merkel noch immer zwischen Ackermann und Sarkozy.
Im Visier der Rating-Agenturen
Insgesamt wächst aber in Deutschlands Eliten der Widerstand gegen eine »französische« Lösung mit der »Bazooka«. Sarkozy ist gegen einen zu radikalen Schuldenschnitt, vor allem dann, wenn Merkel sich weiter weigert, dass die Rekapitalisierung der – französischen – Banken aus den Mitteln des europäischen Rettungsfonds finanziert wird.
Er befürchtet – zu Recht – dass eine Rekapitalisierung der französischen Banken aus dem französischen Staatshaushalt zu einer Rückstufung französischer Staatsanleihen auf »italienisches« Niveau führen würde. Merkel wehrt sich gegen die französische Lösung, weil sie befürchtet – ebenfalls zu Recht -, dass dann Deutschland auch ins Visier der Rating-Institute gerät.
Wackeliger Kompromiss
Nun soll ein Kompromiss gefunden werden, der aus einer Mischung zwischen deutschen und französischen Interessen bestehen soll:
- Radikaler Schuldenschnitt für Griechenland in Höhe von 60 Prozent. Sarkozy will höchstens 40 Prozent
- Eine Rekapitalisierung der Banken in Höhe von 100 Milliarden Euro. Wobei Merkel dafür eintritt, dass diese durch die Nationalstaaten und nicht durch den ESFS aufzubringen wäre
- Verstärkung des EU-Rettungsschirms in Höhe von jetzt 440 Milliarden Euro um ein Mehrfaches. Auch hier gibt es immer noch Differenzen, wie diese Aufstockung aussehen soll
Einig sind sich Europas Regierungschefs einzig darin, dass ein Schuldenabbau aller Staaten durch scharfe Kürzungen im Sozialstaat und durch massiven Stellen- und Lohnabbau in den öffentlichen Diensten und im Staatssektor allgemein erforderlich sei.
Sie wollen die Banken retten und die Arbeiter- und Mittelklassen dafür bluten lassen. Ob ihnen dies jedoch gelingt, ist keineswegs sicher. Die Occupy-Bewegung und die Massenstreiks in Griechenland zeigen, dass sich der Widerstand bereits formiert.
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