Die neueste Entscheidung der EU-Kommission über CO2-Emmissionen schockiert Umweltschützer. Sie ist ein weiteres Beispiel dafür, dass den Regierungen das Wohl ihrer Konzerne wichtiger ist als die Bekämpfung des Klimawandels, meint Stefan Ziefle
Während Angela Merkel im Wahlkampf von der Energiewende sprach, sorgte sie in Brüssel dafür, dass deutsche Autokonzerne auch in Zukunft von strengen Emissionsnormen verschont bleiben. Auch die Entscheidung der EU-Kommission in dieser Woche, keine wirksamen Klimaziele bis 2040 aufzustellen und dabei noch die Option der Atomenergie zu stärken, fällt in diese Reihe. Die großen Energiekonzerne mit ihren Kohle- und Atomkraftwerken wird es freuen.
Der neue Umweltminister Sigmar Gabriel hat einen Gesetzentwurf zum Thema erneuerbare Energien vorgelegt, das sogenannte EEG 2.0. Wie Umweltaktivisten aus seiner eigenen Partei kritisieren, wird dieses Gesetz zwei Dinge bewirken: Erstens wird die bereits zu niedrige Geschwindigkeit im Umbau zu regenerativer Energiegewinnung noch weiter verlangsamt. Und zweitens werden die neuen Vergaberichtlinien kapitalstarke Unternehmen bei Ausschreibungen von Windrädern und Co. bevorzugen.
Drei Superstürme im Jahr 2013
Dies kann nur als ein Zugeständnis an die Energiekonzerne gewertet werden, die von Anfang an gegen erneuerbare Energiegewinnung waren, weil sie sich nicht so einfach monopolisieren lässt wie milliardenschwere Großkraftwerke. Sie fürchteten, zu Recht, einen Verlust von Marktanteilen.
Wie dringlich eine Wende in der Energiepolitik wäre, verdeutlichte letzten Oktober der Taifun Haiyan auf den Philippinen. Mehr als zehntausend Menschen sind durch den Sturm gestorben. Ein Vielfaches davon hat Häuser, Arbeitsstätten, Bauernhöfe und Geschäfte verloren. Haiyan hat einen geschätzten Sachschaden von rund 14 Milliarden Euro angerichtet. Bis zu elf Millionen Menschen wurden von Haiyan betroffen. Etwa 600.000 wurden obdachlos.
Extremes Wetter ist nichts Neues für die Menschen auf den Philippinen. Fast ein Jahr vorher starben 2000 Menschen, als Taifun Bopha das Land traf. Haiyan war der dritte Supersturm in diesem Jahr und alleine im Oktober gab es sieben größere Taifune. Die Philippinen sind die erste Landmasse auf dem Weg vom Entstehungsgebiet der Stürme im Pazifik zum asiatischen Festland.
Die höchste Erwärmungsrate seit 10.000 Jahren
Jeder einzelne dieser Stürme könnte auch ohne Klimawandel entstanden sein, aber die Tatsache, dass sie in Anzahl und Stärke zunehmen, ist mit ziemlicher Sicherheit auf den Klimawandel zurückzuführen. Jüngst wurde nachgewiesen, dass der Pazifische Ozean momentan die höchste Erwärmungsrate seit 10.000 Jahren hat. Stürme wie Haiyan ziehen ihre Energie aus dem Ozean und in dem Maße, wie sich das Wasser erwärmt, werden sie stärker – und voraussichtlich auch häufiger auftreten.
Eine neue Studie des Intergovernmental Panel on Climate Change zeigte, dass Stürme auch über dem Atlantik 2013 stärker wurden. Aber es sind nicht nur Stürme, die schlimmer werden. Berichte aus dem Arktischen Ozean deuten darauf hin, dass Methan aus dem Meer aufsteigt. Dieser Prozess beschleunigt sich in dem Maße, wie die Arktis sich erwärmt. Methan wiederum ist, wie Kohlendioxid, ein Treibhausgas und trägt, wenn es erst die Atmosphäre erreicht, zur weiteren Erwärmung bei.
Der Meeresspiegel erreicht einen Rekordstand
Manche Studien prognostizieren bereits für September 2014 eine „eisfreie“ Arktis. Das Polareis hat, unter anderem, die wichtige Funktion, Sonnenlicht, und damit Wärme, zurück ins Weltall zu reflektieren. Das Schmelzen der Polkappen wird die Erwärmung weiter beschleunigen.
Wetter und Klima verändert sich überall auf der Welt. In Alaska, der Heimat der ultrarechten Klimawandelleugnerin Sarah Palin, war die Temperatur im Oktober acht Grad höher als im Durchschnitt der Aufzeichnungen. Gerade zu Beginn der Welt-Klimakonferenz in Wahrschau letzten Oktober veröffentlichte die World Meteorological Organisation einen Bericht, wonach der Meeresspiegel dieses Jahr einen Rekordstand erreicht hat.
Reiche können sich schützen
Die Folgen der Klimaerwärmungen sind katastrophal: 2010 zerstörte eine Flut in Pakistan über 570.000 Hektar Ackerland. Eine Dürre in Ostafrika betraf 2011 13 Millionen Menschen. Die Dürre in Russland 2012 verringerte die Getreideernte um 25 Prozent. Seit 2011 gab es in den USA 25 extreme Wetterbedingungen. Keines davon verursachte weniger als 900 Millionen Euro an Sachschaden.
Aber nicht alle Menschen sind gleich betroffen. Die Niederlande und Deutschland zum Beispiel schützen ihre Küsten mit immer stärkeren Dämmen sehr wirkungsvoll, wie sich beim „Jahrhundertsturm“ Ende des Jahres gezeigt hat. Die humanitären Katastrophen durch Überschwemmungen, Dürren und Stürme sind eine Folge der Kombination aus Wettereffekten und Armut.
Allerdings gibt es auch auf den Philippinen Reiche, die sich und ihr Eigentum vor der Gefahr schützen können. Und auch in den Industriestaaten sind die Lasten des Klimawandels unterschiedlich verteilt: Während sich die Versicherungskonzerne nach dem Sturm Cathrina im Süden der USA weitgehend aus der Verantwortung ziehen konnten, leben die Armen in New Orleans immer noch in ihren durch die Überschwemmung modrigen, von Schimmel überzogenen Holzhäusern – oder sind obdachlos.
Steigende Preise von Nahrungsmitteln, unter anderem eine Folge der veränderten klimatischen Bedingungen, treffen auch in Deutschland Hartz IV Empfänger anders als Frau Merkel und ihre Freunde in den Konzernvorständen.
Leere Versprechen in Durban und Warschau
Bei der Klimakonferenz in Durban 2011 versprachen die Regierungen eine Vereinbarung, die alle Staaten verpflichten würden, die Klimaerwärmung auf maximal zwei Grad über dem Level vor der Industrialisierung zu halten. Diese gemäßigte Vereinbarung – nicht ausreichend, um den bereits verursachten Schaden rückgängig zu machen – sollte ab 2020 umgesetzt werden.
Währenddessen steigen die Emissionen von Treibhausgasen weiter an. Letztes Jahr gab es die bisher höchste Konzentration dieser Gase in der Atmosphäre. Als Folge warnte die UNO vor der Konferenz in Warschau, das Zwei-Grad-Ziel sei schwer einzuhalten.
Die in Warschau versammelten Regierungsvertreter verstanden sehr wohl, dass Maßnahmen gegen den Klimawandel erfordern würden, die Konzerne anzugehen, die auf fossile Energie setzen und damit für den Klimagasausstoß verantwortlich sind und große Summen an Regierungen und Parteien spenden.
Gabriels Heuchelei
Viele Studien zeigen, dass die Energieversorgung aus regenerativen Quellen möglich wäre. Aber das würde Investitionen gigantischer Ausmaße erfordern. Deswegen machen Regierungen und Konzerne das Gegenteil, wie die Gesetzesinitiative Gabriels zeigt.
Gabriel schiebt zur Rechtfertigung des Gesetzes die hohen Kosten vor, die erneuerbare Energie verursachen und um die er Stromkunden entlasten würde. Das ist der Gipfel der Heuchelei. Wenn die Energiekonzerne die Kosten für die Suche nach einem Endlager für Atommüll, die Zwischenlager und die Atomtransporte selbst zahlen müssten, wäre Atomstrom wesentlich teurer als erneuerbarer. Es ist eine politische Entscheidung, welche Stromgewinnung der Staat subventioniert.
Der Kapitalismus macht den Klimawandel
Es mangelt nicht an Geld. Die weltweit 200 größten Konzerne haben 2012 über 600 Milliarden Euro ausgegeben, um mehr Öl- und Gasvorkommen zu finden. Wenn das stattdessen in regenerative Energie investiert worden wäre, wären wir heute einen großen Schritt weiter.
Den größten Teil der Geschichte waren die Menschen den Launen des Wetters schutzlos ausgeliefert. Dank der Entwicklung der Wissenschaft und der Produktionskräfte im Kapitalismus ist das heute nicht mehr der Fall. Trotzdem verursacht der Kapitalismus Armut und Hunger für Millionen von Menschen. Und er produziert und verschlimmert die Klimakatastrophe.
Die kurzfristigen Gewinninteressen der Kapitalisten sind immer wichtiger als das langfristige Wohl der Menschen. Friedrich Engels schrieb bereits 1876: „Gegenüber der Natur wie der Gesellschaft kommt bei der heutigen Produktionsweise vorwiegend nur der erste, handgreiflichste Erfolg in Betracht; und dann wundert man sich noch, dass die entfernteren Nachwirkungen der hierauf gerichteten Handlungen ganz andre, meist ganz entgegengesetzte sind.“
Das ist der Normalfall im Kapitalismus. Die herrschende Klasse verfolgt nur ihre eigenen Interessen.