Die Grünen-nahe Heinrich Böll Stiftung wird momentan in der Türkei auf Verdacht des Mobbings und der Diskriminierung verklagt. Am 18. April fand der zweite Gerichtstermin zu dem Fall in Istanbul statt, welcher seit Mai letzten Jahres läuft. Volkan Akyildirim berichtet aus Istanbul
In der zweiten Anhörung am Mittwoch wurden zwei Zeugen befragt und ein neun Seiten langer Bericht zu den Vorfällen präsentiert. Die Verhandlung wird am 17.Oktober fortgesetzt.
Im engeren Sinn bezeichnet der Begriff Mobbing juristisch eine systematische Demütigung und Erniedrigung von einer oder mehrerer Personen (zumeist) am Arbeitsplatz, mit dem Ziel die Betroffenen zum Verlassen des Betriebes zu bewegen. Weiter gefasst bedeutet dies vor allem eine wiederholt und regelmäßig stattfindende Geringschätzung, was unter anderem einhergeht mit sozialer Isolation und verschiedenen Arten der Schikanierung. Mobbing hat nicht nur drastische Auswirkungen auf die Psyche der betroffenen Personen, sondern geht zusätzlich einher mit gesundheitlichen Folgen sowie einer Abnahme der Arbeitseffizienz.
In Istanbul hat nun Erkin Erdoğan zu ebendiesen Sachverhalten das türkische Auslandsbüro der Heinrich Böll Stiftung verklagt, für die er zwei Jahre als Projektkoordinator gearbeitet hat. Es geht hierbei unter anderem um eine E-Mail, die die Leiterin des türkischen Auslandsbüros an ihn geschrieben hat, in der Erdoğan mitgeteilt wurde, dass für ihn andere Dienstvorschriften und Arbeitsregeln geltend gemacht werden sollen als für seine Kolleginnen und Kollegen.
Zusätzlich steht eine Kostenabrechnung im Fokus des Falles, die von Erdoğan als Form der Korruption aufgedeckt wurde. Trotz Meldung dieses Sachverhaltes an die Büroleitung und einer Bestätigung der Vorwürfe in einer (Vor)-Untersuchung des Falles, wurde Erdoğan genötigt, die besagten Dokumente in den Finanzbericht seines Projektes mit aufzunehmen. Der neunseitige Bericht, der am Mittwoch seitens der Klägerschaft vorgelegt wurde, geht detailliert auf die Vorwürfe der Korruption ein.
Laut Erdoğan, sah er sich erstmals diskriminierender Handlungen ausgesetzt, nachdem er vermehrt auf seine Arbeitnehmerrechte pochte und u.a. einen Ausgleich von Überstunden forderte, sowie der Möglichkeit, sich arbeitsfreie Tage zu nehmen. Weiter sagt er: »Meine grundlegendsten Rechte als Arbeitnehmer wurden eindeutig verweigert. Es ist traurig solche Vorgehensweisen in einer so genannten ‚demokratischen‘ politischen Stiftung zu sehen.“
Im Januar letzten Jahres sah sich Erdoğan aufgrund dessen gezwungen seinen Vertrag mit der Heinrich Böll Stiftung notarisch zu kündigen. In der Türkei ist der Begriff des Mobbings legislativ nicht verankert, sodass in der Gerichtsverhandlung zumeist der Begriff Diskriminierung verwendet wird. Ob es sich bei den erhobenen Vorwürfen um diskriminierende Handlungen oder sogar um Mobbing handelt wird sich in zukünftigen Gerichtsterminen zeigen.
Zum Text: Der Text erschien zuerst auf Türkisch auf der Seite www.marksist.org. Aus dem Englischen von Paula Nikolai