Wie kann die LINKE kommunalpolitisch Profil zeigen? marx21 dokumentiert die Rede von Michael Bruns, Vorsitzender DIE LINKE. Ratsfraktion Lippstadt. Darin zeigt er auf, warum Kürzungspolitik falsch ist und welche Alternativen es gibt.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Sommer!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Einige Maßnahmen im Haushaltsentwurf treffen sicher auf die Zustimmung der LINKEN. Zum Beispiel bekomme ich lieber den Haushaltsplanentwurf auf CD als kiloweise Papier.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie mögen bitte zur Kenntnis nehmen, dass es der Mehrheit der Lippstädterinnen und Lippstädter schlechter geht. Es ist nicht an der Zeit, dass die Stadt mit massivem Sozialabbau ihre Lage weiter verschlimmert. Die Bundesregierungen seit 1998 haben die Löhne und Renten gedrückt und so die Binnennachfrage geschwächt, sie haben der Finanzmarktspekulation Tür und Tor geöffnet und so die Krise und den Rückgang des Bruttoinlandsprodukts im letzten Jahr verschuldet.
Wir ernten jetzt, im Jahr 2010, die bitteren Früchte der Agenda 2010. In den Ländern der Europäischen Union entwickeln sich die Reallöhne pro Kopf seit 2000 nur in Deutschland negativ. Die Verteilungsgewinne zugunsten der Arbeitgeber und zu Lasten der Beschäftigten addieren sich auf 700 Mrd. Euro im Zeitraum 2000 bis 2009. Die Leiharbeit im Kreis Soest ist von wenigen hundert Beschäftigten Anfang dieses Jahrzehnts auf mehrere Tausend angestiegen. Das große Lippstädter Verleihunternehmen avitea wirbt damit nicht nur Produktionsspitzen mit Leiharbeit abzudecken sondern die Belegschaft auf Dauer in Kern- und Randbelegschaften zu spalten.
Die Liberalisierung der Leiharbeit hat die Löhne gedrückt, den Kündigungsschutz ausgehöhlt, die Gewerkschaften geschwächt und der Kaufkraft geschadet. In der Krise waren es die Leiharbeiter, die als erste gehen mussten. Allein beim Lippstädter Zeitarbeitsunternehmen avitea haben im letzten Jahr 1.200 Menschen ihre Arbeit und ihr Einkommen verloren. Im letzten Jahr waren sehr viele Lippstädter Betriebe in der Kurzarbeit. Das bedeutete schmerzhafte Einkommenseinbußen für viele Kolleginnen und Kollegen. Wegen dem Progressionsvorbehalt kommt eine kalte Dusche in Form einer Lohnsteuer-Nachzahlung noch hinterher. 13,5 Prozent der Menschen in unserer Region leben in Armut, so der Armutsatlas des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Das sozio-kulturelle Existenzminimum erreichen diese Menschen nicht oder anders ausgedrückt: sie haben keine angemessene Teilhabe an der Gesellschaft und sind so ausgegrenzt.
Hartz IV ist Armut per Gesetz! Besonders häufig betroffen sind Menschen ohne Ausbildung, alleinerziehende Mütter und ältere Arbeitssuchende, die keine realistische Aussicht auf Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt haben. Hartz IV bedeutet den Rückzug des Staates aus seiner sozialen Verantwortung. Sinkende Löhne und bedrückende Armut wirken sich negativ auf die Binnenwirtschaft aus. Die einzelhandelsrelevante Kaufkraft ist in Lippstadt von 366 Mio. Euro 2001 auf 351 Mio. Euro 2009 gefallen. Der Umsatz ist im gleichen Zeitraum von 442 Mio. Euro auf 386 Mio. Euro gesunken.
Sehr geehrte Damen und Herren!
Die durch die falsche Politik der Deregulierung und Lohnsenkung verursachte Krise ist ein Grund für den Einbruch der Einnahmen der Stadt Lippstadt. Die fortgesetzte Steuersenkungspolitik für Konzerne, Reiche, Bestverdienende, Erben und Hoteliers ist die andere Seite der Medaille.
Die Stadt hat ein reines Einnahmeproblem. Und dieses trifft sie unverschuldet. Wir leben unter unseren Verhältnissen!
Die Kommunen brauchen wieder einen höheren Anteil am Steueraufkommen! Der Spitzensteuersatz ist wieder auf 53 Prozent, wie zu den Zeiten Helmut Kohls, anzuheben. Die Gewerbesteuer ist das Lebenselixier der Städte und muss zu einer Gemeindewirtschaftssteuer weiter entwickelt werden. So sollten zukünftig alle unternehmerisch Tätigen – auch Freiberufler – in die Steuer einbezogen werden.
Eine Millionärssteuer, wie die DIE LINKE sie fordert, würde jährlich in NRW 17 Mrd. Euro Mehreinnahmen bringen. Das sind umgerechnet auf Lippstadt 66 Mio. Euro pro Jahr. Noch nicht berücksichtigt ist dabei, dass die Zahl der Millionäre in Deutschland im vergangenen Jahr um 60.100 Personen oder elf Prozent auf 779.300 gestiegen ist.Den Optimismus, dass sich ohne eine höhere Besteuerung von hohen Einkommen, Gewinnen und Vermögen in Verbindung mit einer nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik die Lage der Kommunen in Deutschland verbessern wird, teile ich nicht. Die Steuerschätzungen sprechen eine deutliche Sprache. 9 Mrd. Euro weniger von 2008 zu 2009, und noch mal 2 Milliarden weniger von 2009 zu 2010. Die erwarteten Einnahmen werden seit 2008 immer weiter nach unten korrigiert.
Die falsche Finanzpolitik von Eichel bis Schäuble wird DIE LINKE nicht billigen oder exekutieren – weder im Bund, noch in NRW und auch nicht in der Stadt Lippstadt. Leisten wir als Rat und Verwaltung gemeinsam Widerstand gegen Kürzungspolitik! Kämpfen wir für bessere Kommunalfinanzen! Setzen Sie in Ihren Parteien eine andere Politik durch!
Kürzungspolitik ist falsch! Die Menschen brauchen genug Geld um gut leben zu können, Sicherheit zu haben, eine Familie gründen zu können – und damit andere die Produkte und Dienstleistungen die sie produzieren wiederum kaufen können. Wir müssen den engen Gürtel endlich wieder weiter schnallen!
Kürzungspolitik ist falsch! Die Menschen brauchen öffentliche Einrichtungen und Dienstleistungen wie Freibad, Bibliotheken, Theater, Museen, Volkshochschule, Sportplätze, Musikschule, Kindertagesstätten und Schulen. Jede und jeder muss daran teilhaben können unabhängig vom Geldbeutel. Sozial is´ muss!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Wird der Haushaltsentwurf beschlossen, dann wird sich die Lage der Menschen weiter verschlechtern. Man muss mehr Miete zahlen, weil die Grundsteuer steigt, das trifft besonders Menschen mit geringem Einkommen. Eltern müssen 20 % höhere Beiträge für Kindertagesstätten, Kindertagespflege, Ganztagsschule und Vormittagsbetreuung berappen. Auch in der Bücherei, der Volkshochschule und der Musikschule wird es teurer. Die Mittelkürzung für den Kunstverein kann gar seine Existenz gefährden. Das Anruf-Sammeltaxi kann man nicht mehr rufen. Die Anbindung von Bad Waldliesborn ans Stadtbussystem fällt weg. Und der Nachtbusverkehr zwischen Anröchte, Erwitte und Lippstadt wird nicht aufrecht erhalten. Müssen sich da erst junge Menschen Tod fahren, bis man einsieht, dass das falsch ist?
Vielen Menschen in Lippstadt geht es schlecht, sie können sich schon jetzt keinen Musikunterricht oder einen Volkshochschulkurs leisten. Deshalb muss der Familienpass ausgebaut werden. Es geht darum den Besuch von Musikunterricht, Volkshochschulkursen oder dem Besuch im Freibad, wenn es denn noch eins gibt, möglich zu machen. Es geht um Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben! Die Wirkung des Familienpasses wird geringer sein, wenn die Gebühren im kulturellen Bereich steigen. Deshalb bleibt beim Familienpass nicht alles beim Alten, selbst wenn die Mittel nicht gekürzt würden. Ich meine, die benötigten 20.000 Euro mehr für den Familienpass können mit einer Kürzung bei so einer Luxusausgabe wie »Ehrengeschenke« problemlos gegenfinanziert werden. Die Gebühren- und Entgelterhöhungen im sozialen, kulturellen und im Sportbereich können dazu führen, dass die Nachfrage nach diesen Dienstleistungen zurück geht, weil die Menschen es sich nicht mehr leisten können. Die Folge wäre einerseits weniger Kultur, weniger Sport, weniger Bildung und Soziales. Andererseits ist Personalabbau zu befürchten.
Die Stadt Lippstadt sollte als Arbeitgeber Vorbildfunktion haben und gerade in der Krise kein Personal abbauen, von der Stellenbesetzungssperre absehen und die Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht verschärfen.
Wer auf der Höhe der Zeit sein will, der braucht eine moderne Verwaltung, die den immer wieder neuen Herausforderungen, Anliegen, Technologien und Gesetzeslagen gewachsen ist. Das Kürzen beim Fortbildungsetat ist deshalb kontraproduktiv!
Es ist ungerecht, dass Ältere länger arbeiten müssen, während die Jungen keine Stelle bekommen. Unter den 15- bis 24-jährigen ist die Erwerbslosenquote doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung. DIE LINKE ist dafür, dass Verwaltung und Baubetriebshof (weiter) über Bedarf ausbilden. Altersteilzeit ist dazu da, dass Ältere früher in den verdienten Ruhestand gehen können und Jüngere bzw. Arbeitslose ins Berufsleben einsteigen können. Der Bürgermeister möchte dieses Prinzip zerstören und Altersteilzeit schlicht dazu nutzen Stellen zu kürzen. DIE LINKE lehnt das nicht nur ab. Wir fragen uns auch auf welcher rechtlichen Grundlage das überhaupt gehen soll?
DIE LINKE ist für den Erhalt des Freibades und für das Festhalten am Kombibad. Wir lassen uns auch nicht darauf ein, dass das Freibad geschlossen wird und das Kombibad kommen soll. Wir befürchten darauf würden wir dann warten bis zum St. Nimmerleinstag. Eine halbe Mio. Euro für die Planung wäre in den Sand gesetzt. Sichergestellt werden muss beim neuen Kombibad, dass die Eintrittspreise für alle bezahlbar sind. Noch schlimmer als die Freibad-Schließung sind die ganzen eher unsichtbaren Sozialkürzungen, die Bürgermeister Sommer umsetzen möchte. Wegfallende Jugenderholungsmaßnahmen, soziale Gruppenarbeit oder Hilfen zur Erziehung sind leider nicht so sichtbar für die Öffentlichkeit wie eine Freibad-Schließung.
Wenn man sich das »Haushaltsicherungsprogramm« anguckt, dann gewinnt man den Eindruck, dass der Bürgermeister keinerlei Bauchschmerzen hat bei Kultur, Personal und Sozialem zu kürzen. Die einzige wesentliche Kürzung im Fachbereich 6 »Stadtentwicklung und Bauen« ist die Senkung des Standards bei der Gebäudereinigung, also eine Maßnahme die wieder gegen das Personal gerichtet ist.
Für Asphalt und Beton scheint immer Geld da zu sein, aber nicht für Kultur und Soziales. Das ist eine völlig falsche Prioritätensetzung. Das ist eine Politik der sozialen Kälte! Es soll auch einseitig beim ÖPNV gekürzt werden, aber nicht beim Straßenbau. Das ist keine ökologisch nachhaltige Politik!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Es gibt Alternativen! Die Stadt Lippstadt braucht nicht aus Angst vor dem Tod Selbstmord begehen. Ein Nothaushalt ist abwendbar.
- DIE LINKE beantragt die Mittel für das Güterbahnhofgelände zu kürzen. Die Lippstädterinnen und Lippstädter haben beim Ratsbürgerentscheid am 09.11.2008 mehrheitlich gegen die Planung eines großflächigen Einkaufszentrums am Güterbahnhof gestimmt. Leider wurden sie bisher nicht erhört. Ich habe weiter große Zweifel, dass diese Pläne realisierbar sind. Wir haben nicht mehr sondern weniger Kaufkraft in Lippstadt. Statt einem Einkaufstempel, der zu Lasten der vorhandenen Arbeitsplätze in der Innenstadt gehen würde, sollte auf Kultur statt nur auf Kommerz gesetzt werden. Lippstadt braucht ein Kultur- und Bürgerzentrum.
- Der Bund für Umwelt- und Naturschutz hat sich gegen die teure Neugestaltung des Postparks ausgesprochen (275.000 Euro). DIE LINKE schließt sich dieser Forderung an.
- Es gehen sicher auch nicht alle Lichter aus, wenn die zu begrüßende Umrüstung auf LED-Technik bei der Straßenbeleuchtung etwas langsamer voran geht.
- Lippstadt hat ein Einnahmeproblem. Dieses Problem ist behebbar wo es entstanden ist. Kern unserer Änderungsanträge ist die Erhöhung der Gewerbesteuer um den gröbsten Sozialabbau zu verhindern. Zeter und Mordio wurde hier im Rat bei der moderaten Erhöhung der Hebesätze geschrien und die müssten sobald es geht wieder abgesenkt werden. Ich hätte solche Reaktionen gerne im Bezug auf den geplanten Sozialabbau gehört.
Werden unsere Anträge beschlossen und umgesetzt, wird der Haushalt bei gleichzeitiger Rücknahme vieler Sozialkürzungen im Jahr 2010 um 860.000 Euro und 2011 um 250.000 Euro entlastet. Diese Beträge können eingesetzt werden weitere unsoziale Maßnahmen des Haushaltsentwurfes zu streichen. Die Fraktion hat sich bei den Änderungsanträgen auf die schlimmsten Punkte konzentriert.
Das so genannte »Haushaltssicherungsprogramm« ist in weiten Teilen ein unsozialer Horrorkatalog und sollte zu Fall gebracht werden! Nicht mal eine private Erbschaft in Höhe von 350.000 Euro, die der Stadt zufloss, soll in die Kompensation der Sozialkürzungen fließen, sondern in teure Leuchtturm-Projekte. Ich finde das empörend! Wir sind verlässlich für die »Kleinen Leute« und machen keine Politik für Eliten. DIE LINKE. Ratsfraktion lehnt den Haushalt ab, da er nicht sozial austariert ist. DIE LINKE ist 2009 zur Stadtratswahl angetreten mit dem Versprechen: »Soziale Gerechtigkeit für Lippstadt! Wir machen Opposition gegen Kürzungen bei Bildung, Jugend und Sozialem.« Wir halten Wort. Wir werden keinen Kürzungen in den Bereichen Personal, Soziales, Kultur, Bildung, Jugend, ÖPNV, Frei- und Kombibad zustimmen.
Eine abschließende Bemerkung zu den heute den Fraktionen kurzfristig bekannt gemachten Vorschlägen: Unsere Kritik gilt nicht nur dem Haushaltsentwurf des Bürgermeisters. Im Wesentlichen mit Außnahme der Elternbeiträge ist auch der gemeinsame Antrag von SPD, FDP, Grünen und Christdemokraten als unsozial zu kritisieren. Nur 20 von 150 Maßnahmen des so genannten »Haushaltsicherungsprogrmmes« möchten sie zurücknehmen oder verändern. Der großen Mehrzahl der Maßnahmen stimmen sie inkl. Sozial- und Personalabbau zu. Nicht mit uns! Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
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