Ende der 1960er Jahre entwickelte sich aus den Ghettoaufständen in den USA die radikale Black Panther Party. Michael Ferschke skizziert ihre Geschichte.
1966 brannten die US-amerikanischen Vorstädte. In 38 Metropolen fanden Aufstände in den Armenvierteln der Schwarzen statt. In Washington und Detroit gingen ganze Häuserblocks in Flammen auf, Geschäfte wurden geplündert und es gab Straßenkämpfe zwischen der Bevölkerung und der einmarschierenden Nationalgarde.
In diesen Revolten drückte sich der Unmut über die drastische soziale Diskriminierung der Schwarzen aus. Sie richteten sich gegen die rassistischen Schikanen der Polizei und gegen Geschäftsleute, die als Ausbeuter der Gemeinde betrachtet wurden.
In diesem Kontext gründeten Bobby Seale und Huey P. Newton im Oktober 1966 die Black Panther Party (BPP) im kalifornischen Oakland. Die beiden Studenten waren zusammen in verschiedenen Organisationen der schwarzen Bürgerrechtsbewegung aktiv gewesen und wollten mit der BPP die Dynamik der spontanen Ghetto-Aufstände in eine politische Bewegung gegen den Kapitalismus umwandeln. Die BPP entwickelte sich für einige Jahre zu einer der einflussreichsten Organisationen der schwarzen Bürgerrechtsbewegung.
Erben von Malcom X
Die Gründer der Black Panther Party grenzten sich von Martin Luther King und dem gemäßigten Flügel der Bürgerrechtsbewegung ab (siehe »Kings unvollendeter Kampf«). Sie verstanden sich vielmehr als »Erben« des 1965 ermordeten radikalen Schwarzenführers Malcolm X.
Dieser hatte erstens Kings Prinzip der Gewaltlosigkeit abgelehnt und pochte stattdessen auf das Recht auf bewaffnete Selbstverteidigung gegen die Willkür der Polizei und die Übergriffe rassistischer weißer Mobs.
Zweitens verstand Malcolm X den Kampf gegen den Rassismus auch als antikapitalistischen Kampf und lehnte daher ein Bündnis mit der pro-kapitalistischen Demokratischen Partei ab.
Drittens fasste er den Kampf der amerikanischen Schwarzen als Teil einer weltweiten anti-kolonialen Bewegung auf, die gegen die weiße Vorherrschaft rebellierte. Newton und Seale begeisterten sich zudem für die Theoretiker der antiimperialistischen Befreiungsbewegungen, wie Frantz Fanon, Che Guevara und Mao Zedong.
Beeinflusst von deren Ideen, verfassten Newton und Seale das »10-Punkte-Programm« der BPP. Darin forderten sie unter anderem Vollbeschäftigung und ordentliche Wohnungen für die Schwarzen. Für den Fall, dass die weißen Kapitalisten und Miethaie dies nicht gewährleisten könnten, sollten sie enteignet werden. Des Weiteren verlangten sie die Freistellung Schwarzer vom Wehrdienst mit folgender Begründung: »Wir werden nicht kämpfen und andere Farbige töten, die, wie wir, Opfer der weißen, rassistischen Regierung der USA sind«. Die BPP bezog sich hier positiv auf den Kampf der vietnamesischen Befreiungsarmee gegen die US-Armee.
Für die Praxis der Partei war zunächst Punkt 7 des Programms am wichtigsten: „Wir fordern die sofortige Beendigung der Polizeibrutalität und der Morde an schwarzen Menschen.«
»Bullen patroullieren«
Die Stimmung in den ärmlichen schwarzen Wohnvierteln wurde aufgeladen durch die Polizeischikanen, denen vor allem die arbeitslosen Jugendlichen auf der Straße ausgesetzt waren. Auslöser für die seit 1964 jährlich stattfindenden Aufstände waren meistens Übergriffe der Polizei auf Schwarze gewesen. Rassismus spielte dabei eine große Rolle. Die Polizei Oaklands hatte 1966 lediglich 4 Prozent Schwarze in ihren Reihen, obwohl deren Bevölkerungsanteil über 30 Prozent ausmachte. Die Black Panther Party verglich die Polizei mit einer weißen Besatzungsarmee, welche eine schwarze „Kolonie« beherrschte.
Anfang 1967 begannen die Panthers auf Kontrollfahrten zu gehen, um das Verhalten der Polizei zu überprüfen. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass die Bürgerrechte der Schwarzen nicht länger von der Polizei mit Füßen getreten wurden. Aktivisten beteiligten sich in mehreren Autos an diesen Polizei-Kontrollfahrten.
Das Tragen von geladenen Waffen in der Öffentlichkeit war zu dieser Zeit in Kalifornien legal. Neben der Bewaffnung mit Gewehren gehörten Kameras und Kassettenrecorder zur Ausrüstung dazu, um das (Fehl-)Verhalten der Polizei zu dokumentieren.
Nationale Bekanntheit erzielte die BPP durch einen spektakulären Auftritt von 30 Mitgliedern, die am 2. Mai 1967 bewaffnet ins Gebäude der kalifornischen Staatsregierung einmarschierten. Sie protestierten gegen das geplante Verbot des öffentlichen Tragens von Waffen. Der Gesetzentwurf war von einem Oaklander Abgeordneten eingebracht worden und richtete sich direkt gegen die BPP.
Diese Aktion zog ein sehr großes Medienecho nach sich und die Panthers wurden mit einem Schlag ein Bezugspunkt für viele schwarze Jugendliche und für die gesamte radikale Linke in den USA.
Im Oktober des gleichen Jahres kam es bei einer Verkehrskontrolle zu einer Schießerei in deren Verlauf ein Polizist starb und der Black-Panther-Führer Newton verletzt wurde. Newton wurde daraufhin wegen Mordes angeklagt und trotz fadenscheiniger Beweise ins Gefängnis gesteckt. Die BPP konnte mit ihrer groß angelegten Kampagne für die Freilassung von Newton weit in die amerikanische Gesellschaft ausgreifen. Es entstanden vielerorts neue aktive Ortsgruppen und die BPP gewann Verbündete aus der weißen Linken.
1968 war das Durchbruchsjahr für die BPP. Nach der Ermordung Martin Luther Kings im April war es zu den massivsten Ghetto-Unruhen in über 100 Städten der USA gekommen. Daraufhin entstanden und wuchsen vielerorts spontan BPP-Gruppen. Ende des Jahres war die Partei in 25 Städten vertreten und hatte über 2.000 Mitglieder. Die alle zwei Wochen erscheinende Parteizeitung „The Black Panther« konnte ihre Auflage bis auf fast 100.000 Exemplare pro Ausgabe steigern.
Zudem fusionierte die BPP kurzfristig mit der deutlich größeren und älteren Organisation Student Nonviolent Coordinating Committee, die für ihre langjährigen Aktivitäten in der Bürgerrechtsbewegung bekannt war.
In Chicago versuchte der Pantherführer Fred Hampton eine Koalition mit asiatischen und Chicano-Gruppen aufzubauen und er führte Fusionsgespräche mit einer mehrere Tausend Mitglieder starken Jugendgang.
Der Staat schlägt zu
Das Wachstum der Black Panther Party beunruhigte die Herrschenden der USA. Die Vorstellung, dass bewaffnete schwarze Jugendliche organisiert gegen Kapital und Staat antreten, stellte für sie einen Albtraum dar. Deswegen erklärte FBI-Chef Edgar Hoover die BPP zur »größten Gefahr für die innere Sicherheit des Landes«.
Er ordnete massive Infiltration mit dem Ziel der Chaotisierung und Paralysierung der Partei an. Das FBI schleuste Provokateure und Spitzel in die BPP ein, verbreitete Falschmeldungen über sie in den Medien, säte Zwietracht innerhalb der Schwarzenbewegung und schüchterte Sympathisanten und Mitglieder der Panthers ein.
Gezielte Tötung von BPP-Mitgliedern war die extremste Maßnahme in Hoovers Programm. Am 4. Dezember 1969 beauftragte das FBI ein Polizeikommando, das in einer nächtlichen Aktion das Haus von Fred Hampton stürmte und den schlafenden Chicagoer Pantherführer in seinem Bett erschoss. Fast alle BPP-Büros wurden in diesem Jahr in überfallartiger Manier von der Polizei durchsucht. Die Bilanz: in den Jahren 1968-1969 wurden 739 Panthers verhaftet und 20 von der Polizei erschossen.
Strategische Neuorientierung
Ende 1968 nahm die Führung der Black Panther Party eine strategische Wende vor, indem sie sich vom bewaffneten Auftreten abkehrte. Drei Gründe waren dafür maßgeblich. Erstens ebbten die Ghettorevolten nach ihrem Höhepunkt im Sommer 1968 ab. Zweitens war der Preis für eine militärische Konfrontation mit dem übermächtigen Staatsapparat zu hoch. Nahezu alle Ortsgruppen wurden durch die juristischen Repressalien lahm gelegt. Und drittens entfremdete das militante Auftreten die einfachen schwarzen Familien von der BPP. Gerade angesichts der wachsenden Repressalien durch den Staat waren die Panthers jedoch auf die Solidarität der Ghettobewohner angewiesen.
Mit einer neuen Strategie sollte die Partei stärker in der Bevölkerung verwurzelt werden. Praktischer Schwerpunkt der neuen Arbeitsweise waren die so genannten »Community«-Programme, die eine soziale und politische Infrastruktur für den Widerstand in den Ghettos bilden sollten. Die BPP übernahm damit unter der Parole »Diene dem Volk« ein Konzept des chinesischen Revolutionsführers Mao Zedong. Dieser Ansatz lief auf eine Doppelstrategie hinaus: Während die Partei einerseits Vorbereitungen für den zukünftigen Guerillakampf traf, sollte gleichzeitig durch die Community-Programme das revolutionäre Bewusstsein der Bevölkerung geweckt werden. Maos Befreiungsarmee hatte die Bauern im chinesischen Hinterland auf Massenbasis organisiert. Die Ausbildung an der Waffe war dort notwendigerweise verbunden mit einer sozialen Versorgung der Soldaten – durch die landwirtschaftlichen Erträge der aufständischen Bauern.
Die BPP versuchte mit den Community-Programmen, Maos Konzept auf die USA zu übertragen. Die wichtigsten Programme der Panthers waren: kostenloses Frühstück für Kinder, kostenlose Gesundheitsvorsorge und »Black Liberation Schools« zur Vermittlung der revolutionären Geschichte der Schwarzen. Am erfolgreichsten war dabei das »Frühstück für Kinder«-Programm. Zu Beginn im April 1969 wurden in lediglich einer Kirche in Oakland täglich 200 Kinder kostenlos verköstigt. Ende des Jahres fand das Programm dann schon in 19 Städten mit mehreren Tausend Kindern statt.
Begleitet wurde die strategische Neuorientierung durch Schulungsmaßnahmen, um das spontane Wachstum der Partei politisch zu unterfüttern. Denn viele der Neumitglieder waren politisch unerfahren und brachten weder theoretische Ausbildung noch organisatorische Disziplin mit. Unter dem Eindruck der Ghetto-Aufstände reduzierte sich ihre Vorstellung von Parteiarbeit auf bewaffnete Auseinandersetzungen mit der Polizei. Jedes neue Mitglied sollte nun eine sechswöchige Ausbildungsphase durchlaufen – mit marxistischen Bildungskursen und Schulungen im Umgang mit Waffen.
Widersprüche
Die Bilanz der strategischen Wende der Black Panther Party war zweischneidig. Positiv war, dass die Partei dank der neuen Strategie trotz der fortgesetzten staatlichen Repressalien überleben konnte – die Zeitung erschien weiterhin alle zwei Wochen und erreichte 1970 eine Auflage von 140.000. Auch nahm die Unterstützung für die Partei in der Bevölkerung deutlich zu. So ergab eine Umfrage im Jahr 1970, dass 25 Prozent der Schwarzen ihr »großen Respekt« zollten; unter Jugendlichen waren es sogar 43 Prozent.
Die Wende zu mehr legaler Tätigkeit hatte die Partei einerseits davor bewahrt, in bewaffneten Auseinandersetzungen mit der Polizei völlig aufgerieben zu werden. Andererseits enttäuschte die strategische Wende aber die revolutionären Erwartungen vieler Mitglieder. Für sie gab es eine zu große Diskrepanz zwischen dem Anspruch, Teil des weltweiten revolutionären Befreiungskampfes zu sein, und einer Praxis, die sich in sozialen Selbsthilfeprogrammen und dem Verkauf der Zeitung erschöpfte.
Die maoistische Kombination von bewaffnetem Kampf und gleichzeitiger Betonung auf Sozialprogramme war in den USA zum Scheitern verurteilt, da sich die BPP in einem von der chinesischen Revolution völlig verschiedenen Kontext befand: Sie agierte nicht in einem agrarischen Hinterland, sondern inmitten der Metropolen des mächtigsten Industriestaates der Welt.
Über diesen Widerspruch bildeten sich zwei Lager in der Partei heraus: Die einen, um Eldridge Cleaver, die den bewaffneten Kampf fortführen wollten und dafür bereit waren, in den Untergrund zu gehen. Auf der anderen Seite das Lager um Huey Newton, das an den Community-Programmen festhielt und dafür auf legale Arbeit und Allianzen mit gemäßigten Kräften angewiesen war. Die Meinungsverschiedenheiten über diese Frage spitzten sich in einem Fraktionskampf zu.
Klassenkampf
Es gab in der Black Panther Party auch eine, wenn auch sehr kleine, dritte Strömung, die sich für eine Orientierung auf die Arbeiterbewegung aussprach. Hauptprotagonist war hier Kenny Horston, der eine Betriebsgruppe der BPP bei General Motors in Freemont, Kalifornien aufgebaut hatte. Sein Beispiel wurde in der Parteizeitung verbreitet und die Orientierung auf die Arbeiterklasse wurde für eine Zeit auch von Huey Newton aufgegriffen. Aus seiner Gefängniszelle schrieb er im August 1969: »Die gesamte Arbeiterklasse muss die Produktionsmittel an sich reißen. Das schließt logischerweise schwarze Menschen ein«.
Diese Position stellte eine Abkehr von der ursprünglichen Herangehensweise Newtons dar. Anfangs war er davon ausgegangen, dass die Schwarzen in den USA so weit aus der Wirtschaft ausgegrenzt worden seien, dass sie keine produktive ökonomische Macht mehr als Klasse besäßen. Deswegen wurde in der destruktiv-kostspieligen Zerstörungskraft der Ghettoaufstände die größte Machtressource im Kampf um Konzessionen durch das weiße Establishment gesehen und die BPP erklärte die arbeitslosen Jugendlichen zu ihrer Zielgruppe. Diese Strategie war gewissermaßen hilflos, da sie erstens der Übermacht des Staatsapparats nicht gewachsen war. Zweitens unterschlug sie, dass die Mehrheit der Schwarzen eben nicht arbeitslos war, sondern tagtäglich in den Fabriken, Betrieben und Verwaltungen schuftete. Durch diese Stellung im Produktionsprozess ergibt sich für die arbeitenden Menschen eine potentielle Gegenmacht, denn sie können das Kapital durch Streiks in die Knie zwingen.
Diese Orientierung auf Klassenkämpfe konnte sich in der BPP nicht durchsetzen. Das Problem war, dass die Partei sich in einer Phase aufgebaute, in der sich noch keine allgemeine Bewegung der US-Arbeiterklasse formiert hatte. Die Strategie und Praxis der BPP war daher viel stärker durch die Dynamik der Ghetto-Aufstände geprägt als durch eine Orientierung auf die Arbeiterbewegung. Mehrheitlich stellten die sozial Deklassierten und nicht Arbeiter die Mitgliedsbasis der Partei und das Hauptbetätigungsfeld war die „Straße« und nicht die Betriebe. Deswegen blieb das Element des Klassenkampfes stets untergeordnet und die Widersprüchlichkeit der dominierenden beiden Strömungen um Cleaver und Newton zerriss schließlich 1971 die Black Panther Party.
(Dieser Artikel ist erschienen in: marx21, Heft 6, Juni 2008)
Mehr auf marx21.de
- 68er-Revolte in den USA, Teil 1: Kings unvollendeter Kampf – Michael Ferschke über die Radikalisierung der Bürgerrechtsbewegung der Schwarzen in den USA (auch als Audio-Datei, 13 Minuten, mp3, 6 MB)