Erst sollte es Dortmund sein, jetzt mobilisieren die Nazis in NRW für den 1. Mai nach Bonn. marx21.de sprach mit Azad Tarhan vom Bündnis »Dortmund stellt sich quer«
marx21.de: Warum marschieren die Nazis in Bonn?
Azad Tarhan: Die Nazis versuchen seit mehreren Jahren den 1. Mai als so genannten nationalen Kampftag zu deklarieren. Während sie zunächst auf zentrale Aufmärsche setzten, treten sie inzwischen meist dezentral auf, so auch in Bonn. Andere Nazi-Veranstaltungen finden am 1. Mai in Nord-, Süd- und Ostdeutschland statt.
Wie stark sind die Nazis in NRW?
Die Neonaziszene in Nordrhein-Westfalen ist verhältnismäßig stark. Insbesondere die Region Aachen sowie die Ruhrmetropole Dortmund sind Hochburgen der Neonazis. In Dortmund wurde die Gefahr der Nazis jahrelang verharmlost. Zahlreiche Neonazis zogen in die Stadt, es gibt ein so genanntes nationales Zentrum und der Stadtteil Dorstfeld gilt als Rückzugsgebiet der Rechten. So haben Dortmunder Neonazis eine Ausstrahlungskraft weit über die Region hinaus. Einige Vergleichen die Situation in der Stadt mit den braunen Flecken in Ostsachsen oder in Teilen Mecklenburgs.
Warum jetzt NRW?
Als bevölkerungsreichstes Bundesland ist NRW je her ein Schwerpunkt der Neonazis. Allein in den vergangenen zwölf Monaten gab es Naziaufmärsche unter anderem in Stolberg (Aachen), Dortmund, Münster, Bielefeld sowie zahlreiche Veranstaltung der rechten Partei Pro NRW in Köln.
Wer macht mit im Bündnis?
Beim Bündnis Bonn stellt sich quer machen viele Initiativen aus Bonn und NRW mit. Die Unterstützung ist breit. Mit dabei sind Aktive von Gewerkschaften, Jugendverbänden, Antifagruppen, der LINKEN, aber auch der Grünen und DKP. Ebenso Occupy Bonn, die Falken und Leute aus der Friedensbewegung und von Lateinamerika-Soligruppen. Das gemeinsames Ziel lautet: Neonazis blockieren! Unser Motto: Für ein buntes, solidarisches und friedliches Bonn!
Warum kommen die Nazis immer wieder?
Die Nazis stehen grundsätzlich vor einem Problem: Ihre Ideologie gilt zunächst einmal als verbrecherisch und wird abgelehnt, insbesondere natürlich wegen des historischen deutschen Faschismus. Doch das Überlegenheitsdenken vieler Deutscher gegenüber Nichtdeutschen ist kein Tabu, sondern bis in breite Kreis der Bevölkerung anschlussfähig, obwohl es der völkischen Rassenideologie der Nazis gleicht. Um das oben beschriebene Problem der Isolation immer und immer wieder aufzubrechen, zieht es die Nazis auf die Straße – in die gesellschaftliche Normalität.
Was wäre nötig, um die Nazigefahr ein für allemal zu bannen?
Es ist nicht abzusehen, dass die Nazigefahr mittelfristig gänzlich verschwindet. Allerdings sehen wir eine derzeitige Schwäche des organisierten Neonazismus in der BRD. Die NPD hat ihren Zenit überschritten, verliert an Mitgliedern und muss sogar ein Verbot befürchten. Nach den erfolgreichen Blockaden gegen den Nazi-Großaufmarsch in Dresden ist die rechte Szene massiv verunsichert. Auch bei anderen überregional bedeutenden Aufmärschen, wie zuletzt zu Ostern in Stolberg (Aachen) oder auch beim jährlichen Aufmarsch zum Antikriegstag in Dortmund sind die Teilnehmerzahlren rückläufig.
Darüber hinaus sehen wir Linke jedoch einen Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Faschismus. Die faschistische Ideologie ist ohne kapitalistisches System, ohne Lohnsklaverei, Ausbeutung und Unterdrückung nur schwer vorstellbar. Der Kapitalismus steckt zwar in der Krise, doch seine Protagonisten in Politik und Wirtschaft sitzen zumindest hierzulande noch sehr fest in ihren Sätteln. Für uns bedeutet dies daher: Der beste Weg gegen Neonazis ist eine eigene starke linke Politik: Antifaschistisch, am Klassenkampf orientiert und internationalistisch gegen Krieg und Imperialismus.
(Die Fragen stellte Jan Maas)
Zur Person:
Azad Tarhan ist jugendpolitischer Sprecher DIE LINKE.NRW und aktiv im Bündnis »Dortmund stellt sich quer«.
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