Die Beschlüsse der Koalitionsverhandlungen garantieren keine bezahlbaren Mieten, sondern Profite für Wohnungskonzerne. Warum wir unsere Städte gegen steigende Mieten verteidigen sollten, erklärt Kerstin Wolter, Geschäftsführerin von DIE LINKE.SDS im marx21-Gespräch
marx21.de: CDU und SPD führen schwierige Koalitionsverhandlungen. Sie haben sich aber auf eine Mietenbremse und Förderung von Wohnungsbau geeinigt. Vermindert es die Probleme der Mieter?
Kerstin Wolter: Das ganze Paket ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Mieten werden trotz Mietenbremse weiter steigen und damit auch die Probleme der Mieter. Wenn ich mir in einem Stadtbezirk keine Wohnung mehr leisten kann, nützt es mir nichts, wenn die jetzt schon zu teuren Mieten künftig ein bisschen langsamer steigen.
Sollen nicht auch neue Wohnungen geschaffen werden?
Die Frage ist, was für Wohnungen und von wem. Das Paket sieht statt mehr Sozialwohnungen die Steuersenkung für Immobilienkonzerne vor, wenn sie Wohnungen bauen.
Ist das nicht gut?
Nein. Den Wohnungsunternehmen bleibt dabei überlassen, was für Wohnungen sie bauen. Niemand garantiert, dass die neuen Wohnungen dort entstehen, wo welche fehlen, dass sie günstig oder überhaupt vermietet werden.
Wie ist das möglich?
Es ist die alte Illusion der Politik, dass man nichts tun darf, was die Profite der Konzerne senkt. Stattdessen schiebt der Staat den Unternehmen immer mehr Geld zu, in der Hoffnung, dadurch würden die notwendigen Wohnungen gebaut. Das funktioniert fast nie, aber Politiker können behaupten, sie hätten etwas getan.
Gäbe es eine andere Möglichkeit?
Natürlich. Richtig wäre, Wohnungen aus dem Markt zu nehmen. Wie Energie oder Wasser gehört auch Wohnraum zu den grundlegenden Bedürfnissen der Menschen und muss deshalb vergesellschaftet und unter die Kontrolle der Kommunen bzw. Städte gestellt werden.
Gibt es nicht viele städtische Wohnungsunternehmen?
Stimmt. Es gibt sie und sie nützen überhaupt nichts, wenn die Politiker ihnen vorgeben, wie eine Aktiengesellschaft zu handeln und so viel Profit wie möglich zu machen. Tatsächlich können wir uns auf die Regierung nicht verlassen und bräuchten deshalb eine demokratische Kontrolle der Wohnungskonzerne.
Trotzdem versucht die neue Regierung zu Gunsten der Mieter in den Markt einzugreifen. Bei Neuvermietungen darf die Miete künftig nur noch 10 Prozent über der ortsüblichen Miete liegen?
Weißt du, was eine „ortsübliche Miete« ist?
Ich vermute, der Durchschnitt aller Mieten an einem bestimmten Ort.
Falsch. Der Durchschnitt aller Mieten von Neuvermietungen in der letzten Zeit. Selbst wenn bestehende Mieten niedrig wären, werden sie für diese Berechnung nicht herangezogen.
Wozu führt das?
Es ist ein billiger Trick: Bei Neuvermietung darf die Miete 10 Prozent über dem Durchschnitt der Neuvermietungen liegen. Dadurch steigt der Durchschnittswert und dadurch darf die Miete der kommenden Neuvermietungen noch höher sein. Darauf dürfen wir nicht reinfallen.
Du bist Geschäftsführerin des Studierendenverbandes DIE LINKE.SDS. Ist es nicht gerade für Studierende zumutbar, wenn sie in etwas kleineren Wohnungen etwas weiter außerhalb wohnen?
Wenn man sich auf eine solche Argumentation einlässt, könnte man gleich sagen, es sei völlig in Ordnung, wenn sich die Entfernung des Wohnorts zum Stadtzentrum am Einkommen bemisst.
Durch hohe Mieten werden Millionen Menschen aus den Innenstädten vertrieben und übrig bleiben Bürogebäude, teure Restaurants und Luxuswohnungen für Superreiche.
Ist das ein Problem?
Geschäfte, Kinos, Museen, Theater werden für immer mehr Menschen schwerer erreichbar. Auch die Kultur der Menschen geht durch hohe Mieten kaputt.
Das sind Entwicklungen, die keinem Menschen nutzen, sondern nur den Wohnungskonzernen. Deshalb sollten wir es verhindern.
Du hältst Städte für etwas Schützenswertes?
Wir verbringen einen großen Teil unseres Lebens in Städten und deshalb ist es wichtig, in welchen Teilen wir wohnen, essen, arbeiten oder Menschen treffen können und welche Teile uns versperrt sind, weil sie zu viel kosten. Wer die Innenstädte für Reiche reserviert, nimmt den Menschen einen großen Teil ihrer Lebensqualität.
Die LINKE.SDS hat Anfang November zu Mietenaktionstagen aufgerufen. Können dadurch wirklich Mieten gesenkt werden?
Ich gebe die Frage zurück und sage: Wodurch soll sonst etwas passieren? Verschiedene Bündnisse haben in den letzten Monaten in mehreren Städten Demonstrationen mobilisiert, darunter das Bündnis „Studis gegen Wohnungsnot«. In Hamburg haben sich dem Aufruf des „Recht auf Stadt«-Bündnisses im September 5000 Menschen angeschlossen.
Das ist nicht riesig. Aber die Proteste sind sicher mit ein Grund, warum die neue Regierung vortäuscht, dass sie etwas gegen hohe Mieten tut.
Dadurch wurde noch keine Miete gesenkt.
Nein. Aber es zeigt, dass die Politiker sich vor größeren Protesten gegen hohe Mieten fürchten. Ich halte diese für möglich, weil viele ihre Miete als zu hoch empfinden.
Gerade für die LINKE ist es nun entscheidend, dass sie sich für ihre Ziele engagiert und eine noch kleine Bewegung versucht zu stärken. Nur wenn von unten Druck aufgebaut wird, lässt sich wirklich etwas an den Verhältnissen verändern.
Das betrifft auch den Kampf um Wohnraum und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Es wird darauf ankommen, die bisher oft vereinzelten Proteste zusammenzubringen und zu vergrößern. Und das wird eine zentrale Herausforderung in der kommenden Zeit sein.
Das Interview führte Hans Krause.
Mehr zum Protest:
- Bündnis „Studis gegen hohe Mieten«: http://studisgegenhohemieten.blogsport.de/
- LINKE.SDS: http://www.linke-sds.org/
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