Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ruhen Hoffnungen auf einer Veränderung durch eine rot-rot-grüne Koalition. Doch einer linken Landesregierung stünden nicht die Mittel für einen Politikwechsel zur Verfügung. Ein Kommentar zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen von Michael Bruns, Direktkandidat der LINKEN im Wahlkreis Soest II.
Im gegenwärtigen Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen (NRW) sehen wir uns als Mitglieder der LINKEN häufig in einer eigenartigen Situation. In Diskussionen mit Gewerkschaftern, sozial engagierten Mitbürgern, aber auch den »normalen« Bürgern auf der Straße wird deutlich, dass starke Hoffnungen auf Veränderungen durch eine rot-rot-grüne Koalition existieren.
Innerhalb der Partei ist die Diskussion allerdings häufig eine ganz andere. So wird jede Äußerung, die eine gewisse Offenheit gegenüber gemeinsamen Projekten mit SPD und Grünen zeigt, als potentieller Verrat an den Idealen der LINKEN gewertet und die SPD zum »Hauptfeind« erklärt. Aber eine linke Partei, die die Wünsche der Bürger und vieler Bündnispartner in den sozialen Bewegungen nicht ernst nimmt, wird nicht als eine Alternative wahrgenommen werden.
Wie also mit diesem Widerspruch umgehen? Tatsächlich finden sich beim Vergleich der Programme von SPD, Grünen und LINKEN eine ganze Reihe positiver Forderungen, deren Umsetzung eine klare Verbesserung gegenüber dem Status Quo bedeuten würde. So kämpfen beispielsweise alle drei Parteien für die Abschaffung von Studiengebühren, für ein längeres gemeinsames Lernen in der Schule und für den Ausbau der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst.
Dennoch zeigt die Erfahrung der Vergangenheit und auch der Blick auf die gegebenen Verhältnisse, dass die geäußerten Hoffnungen illusionär sind: Eine progressive Entwicklung mit den Grünen und den Sozialdemokraten ist vermutlich gar nicht oder zumindest nicht ohne massiven Druck von der Straße möglich. Bereits die eben erwähnten Punkte würden in einem Koalitionsvertrag, der »unter Finanzierungsvorbehalt « steht, unter Umständen gar nicht umgesetzt werden. In der Regierung könnte sich DIE LINKE am Aufbau einer außerparlamentarischen Bewegung gar nicht oder nur sehr gehemmt beteiligen, weil es ja immer auch gegen die »eigenen Leute« gehen würde.
Die bisherige Linie der Partei wurde durch die von Oskar Lafontaine vorgegebenen »roten Haltelinien« bestimmt. Bei den Bundestagswahlen war klare Vorgabe, dass es eine Koalition mit der LINKEN nur geben könne mit einem »Raus aus Afghanistan«, der Rückkehr zur Rente ab 65, der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns und der Abschaffung von Hartz IV oder zunächst einer substantiellen Erhöhung der Eckregelsätze auf 500 Euro. Da drei dieser vier Punkte mit der SPD nicht zu machen waren, war von vorneherein klar, dass DIE LINKE in der Opposition bleiben würde. In NRW ist mit der Formulierung von Haltelinien im Dringlichkeitsprogramm ein ähnlicher Weg versucht worden.
In der zukünftigen Debatte wird es notwendig sein, sich zwar positiv auf mögliche progressive Veränderungen gemeinsam mit anderen Parteien zu beziehen, aber eines ganz deutlich zu machen: Die Krisenabwälzungspolitik der schwarz-gelben Bundesregierung läuft vorrangig über die Länder und Kommunalhaushalte. Einer rot-rot-grünen Landesregierung stünden unter den gegebenen Bedingungen überhaupt nicht die Mittel für einen Politikwechsel zur Verfügung.
Stattdessen hat Oskar Lafontaine in seiner »Saarbrücker Rede« im Januar einen Hinweis darauf gegeben, wie positive Veränderungen möglich sind. So sei in der Vergangenheit der Ausbau des Sozialstaates vor allem von konservativen Kanzlern wie Bismarck und Adenauer umgesetzt worden. Dies geschah aber nicht, weil die Konservativen eigentlich sozialer eingestellt wären als die Sozialdemokraten, sondern weil letztere es geschafft hätten, massiven Protest auf die Straße und in die Betriebe zu bringen. Damit DIE LINKE in NRW wirkungsmächtig wird, muss dies das Ziel ihrer Politik in den nächsten fünf Jahren werden.
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Dieser Text ist eine Vorabveröffentlichung aus marx21, Heft 15. Die neue marx21-Ausgabe erscheint am 1. Mai 2010.
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