Wenn es zu einem Streik bei der Bahn in der Urlaubszeit kommen sollte, liegt die Verantwortung dafür zu 100 Prozent beim Vorstand der Deutschen Bahn AG und der Bundesregierung. Die Lokführer haben Recht, wenn sie nicht nachgeben wollen.
Von Frank Eßers
Die Bahnbosse haben den Lokführern keinerlei Angebot gemacht. Sie lehnen einen eigenständigen Tarifvertrag für das Fahrpersonal ab. So soll die GDL lediglich den Tarifabschluss unterzeichnen, den die Gewerkschaft Transnet mit der Deutschen Bahn abgeschlossen hat. Doch das Lohnplus von 4,5 Prozent, dass die Transnet erreicht hat, macht die Reallohnverluste durch die niedrigen Abschlüsse der letzten Jahre nicht wett.
Bisher bekommt ein Lokführer rund 1500 Euro netto im Monat: "Das ist völlig unangemessen. Das Fahrpersonal trägt schließlich eine große Verantwortung für Mensch und Material", sagte der GDL-Bundesvorsitzende Manfred Schell. Lokführer und Zugbegleiter hätten im ständigen Schicht- und Wechseldienst ihren Beitrag zur Sanierung der Bahn schon mehr als erfüllt. Seit der schrittweisen Privatisierung der Bahn ab 1994 haben sie einen Reallohnverlust von 9,5 Prozent in Kauf nehmen müssen. Außerdem arbeiten Lokführer mit 41 Stunden pro Woche 2 Stunden länger als andere Kolleginnen und Kollegen.
Die Übernahme des Transnet-Tarifvertrages würde bedeuten, dass Lokführer maximal 50 Euro monatlich mehr im Portemonnaie hätten. An den harten Arbeitsbedingungen würde sich dadurch nichts ändern. Durch massenhaften Personalabbau sind die Arbeitsbedingungen bei der Bahn deutlich schlechter geworden. Seit der ersten Stufe der Bahnprivatisierung im Jahr 1994 haben die Bahnbosse mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze vernichtet – von damals 380.000 existieren nur noch 180 000.
Wenn in der Presse nur die Zahl von 31 Prozent mehr Lohn genannt wird, der von der GDL gefordert wird, ist das Manipulation der Öffentlichkeit. Es wird der falsche Eindruck erweckt, die Lokführer seien gierig. Dass die GDL in Wahrheit keine überzogenen Forderungen hat, zeigen die konkreten Zahlen: Ursprünglich hatte die GDL ein Anfangsgehalt von 2500 Euro für Lokomotivführer gefordert, 2180 Euro für Zugbegleiter und 1820 Euro für Gastromitarbeiter.
Die Bahnbosse erreichten daraufhin, dass der Lokführerstreik zeitweise gerichtlich verboten wurde. Begründung: Von diesen Forderungen sei die Struktur der Entgelte betroffen. Und die falle unter die Friedenspflicht. Statt zu verhandeln und ein Angebot zu machen, ging die Bahn vor Gericht, verbreitete unter den Kollegen falsche Informationen und drohte mit Abmahnungen und Kündigungen.
Damit ein Streik nicht noch einmal verboten wird, ist die GDL nun gezwungen, eine Prozent-Forderung zu stellen. Wie eine Pressesprecherin marx21.de mitteilte, wäre es der Gewerkschaft lieber, Forderungen mit konkreten Zahlen für die einzelnen Berufsgruppen aufzustellen. Doch die Gefahr sei zu hoch, dass dann ein Streik wieder verboten werden könnte. Aufgrund des bisherigen rücksichtlosen und sturen Vorgehens des Bahn-Managements ist diese Befürchtung nur allzu berechtigt.
Es liegt in der Hand des Bahn-Vorstandes, es nicht zu einem Streik kommen zu lassen, in dem er die berechtigten Forderungen der GDL erfüllt. Das Geld dazu ist da. Laut Bahnchef Mehdorn hat die Bahn von Januar bis Mai ihren Gewinn im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdoppelt. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres erzielte das Unternehmen einen Gewinn von 668 Millionen Euro nach Zinsen und Steuern. Insgesamt will die Bahn in diesem Jahr 1,39 Milliarden Euro Gewinn nach Zinsen und Steuern machen und damit das Rekordergebnis vom Vorjahr deutlich übertreffen. Davon sollen die Beschäftigten allerdings nicht viel haben. Denn die steigende Umsätze und Gewinne sollen die Bahn vor allem attraktiv für Aktionäre machen. Regierung und Bahnbosse wollen den Konzern an die Börse bringen.
Eine weitere Privatisierung des Unternehmens bedeutet aber Vernichtung von Arbeitsplätzen, mehr Arbeitshetze, weniger Sicherheit bei der Bahn, weitere Stillegungen "unrentabler" Strecken, steigende Preise für die Kunden und sie bringt auch der Umwelt Nachteile. Es ist zum Beispiel unmöglich, denn enorm viel CO2 produzierenden Gütertransport per LKW von der Straße auf die Schiene zu bringen, wenn die Bahn unter dem Druck privater Aktionärer steht. Denn für diese zählt vor allem der Profit und hohe Dividenden. Und nur ein gut ausgebauter und billiger öffentlicher Nah- und Fernverkehr ermöglicht es, vom Auto auf die Bahn umzusteigen.
Verkehrsminister Tiefensee (SPD) und der Tourismusbeauftragte der Regierung Ernst Hinsken (CSU) ergehen sich derzeit in moralischen Apellen. Sie machen Druck auf die Lokführer: Reisenden solle durch einen Streik nicht der Urlaub versaut werden. Beide wollen der Öffentlichkeit weismachen, dass Schwarz-Rot mit der ganzen Sache nichts zu tun hat.
Doch alle Aktien der Bahn befinden sich noch in der Hand des Staates. Die Bundesregierung hat damit die Möglichkeit, im Interesse von Kunden und Personal den Börsengang der Bahn zu verhindern. Stattdessen hat sie ein Gesetz vorgelegt, mit dem die Bahn den Aktionären ausgeliefert wird. Schwarz-Rot könnte auch sofort Druck auf den Bahnvorstand ausüben, die Gewinne des Konzern dafür einzusetzen, die Forderungen der GDL zu erfüllen.
Leider ist auch Norbert Hansen, der Chef der Gewerkschaft Transnet, den Lokführern in den Rücken gefallen. Er behauptet, die Forderungen der GDL würden das Unternehmen nachhaltig schädigen und ginge zu Lasten anderer Beschäftigter. Das ist Unsinn. Seit der Privatisierung kürzt und spart die Bahn bei Löhnen und Personal – unabhängig davon, was die Beschäftigten tun oder lassen.
Hansen ist zudem mit dem frühzeitigen Abbruch des Transnet-Streiks den Kolleginnen und Kollegen der GDL faktisch in den Rücken gefallen. Denn diese müssen seitdem alleine gegen die Bahnbosse stehen. Sein unkollegiales Verhalten und seine Zugeständnisse an das Bahn-Management nutzen nur den Bossen und Privatisierern.
Falls gestreikt wird: Wer im Urlaub nicht so reisen kann wie geplant, sollte seinen Ärger nicht an den Kolleginnen und Kollegen der GDL auslassen. Diese trifft keine Schuld. Sie brauchen vor allem Beistand.
Ein Sieg der GDL wäre ein Signal für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland, dass sich der Kampf für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen lohnt. Ein erfolgreicher Streik der Lokführer würde auch Druck auf die TRANSNET-Führung ausüben, die den Bahnbossen keinen wirksamen Widerstand entgegensetzt.
Die Partei DIE LINKE kann helfen, den Kampf der Lokführer zum Erfolg zu führen. Solidaritätserklärungen und Flugblattverteilungen der LINKEN an Streikorten würden zeigen, dass die Partei gegen niedrige Löhne, steigende Arbeitshetze und den Börsengang der Bahn an der Seite der Kolleginnen und Kollegen steht.
Wer den Lokführern helfen will, kann ein Solidaritätsschreiben an die GDL schicken: Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, Baumweg 45, 60316 Frankfurt am Main oder via E-Mail an: info@gdl.de
Man kann auch gegen die Privatisierung der Bahn unterschreiben.
Mehr bei marx21:
>> "Bahn: Der Kampf ist nicht zu Ende" (Transnet-Abschluss, Gewerkschaften und Börsengang, DIE LINKE und Bahn)